Masterplan für das Marinehaus -
Stiftung Stadtmuseum schließt Standorte am Rande Berlins und will im Zentrum expandieren



Das vernachlässigte Marinehaus aus der Kaiserzeit – hier der ramponierte Eingang - erhält, wenn alles gut geht, als Dependance des Märkischen Museums eine zweite Chance. (Foto: Caspar)

Der Stiftung Stadtmuseum Berlin stehen schwierige Zeiten bevor. Sie muss Standorte am Rande der Stadt schließen und Häuser im Zentrum umstrukturieren; sie will mehr Besucher mit attraktiveren Ausstellungen anlocken, und steht da in Konkurrenz mit den Staatlichen Museen. Und sie kämpft mit gravierenden Platzproblemen, möchte mehr von ihren Schätzen zeigen, als sie es kann. Wie der amtierende Stiftungsdirektor Kurt Winkler jetzt bei der Vorstellung des Jahresprogramms 2005 erklärte, werden wegen fehlender Finanzen das Friseur- und das Handwerkermuseum in Marzahn sowie weitere Ausstellungen geschlossen, die Exponate kommen ins Depot. Das historische Nicolaihaus in der Brüderstraße (Bezirk Mitte), einst Domizil des Verlegers Friedrich Nicolai, kann aus dem gleichen Grund nicht mehr als Theater- und Literaturmuseum genutzt werden. Sollten sich Besucher hierher verirren, werden sie durch das geschichtsträchtige Bürgerhaus geführt, das aufs engste mit der Berliner Literatur- und Kulturgeschichte verbunden war und dies auch durch die vielen Gedenktafeln an der Fassade unterstreicht. Eine kleine Ausstellung wird künftig die Geschichte des mit der Berliner Aufklärung eng verbundenen Hauses und seine Bewohner erzählen. Ab und zu sollen im Nicolaihaus Lesungen und Konzerte stattfinden, damit es nicht ganz aus dem Blickfeld gerät. Winklers Ziel ist die Konzentration des Stadtmuseums auf seine Kernaufgaben, und das bedeutet die Präsentation der Berlin-Geschichte im Zentrum der Stadt. Deshalb sollen auch die zur Stiftung gehörende Domäne Dahlem und das Sportmuseum als eigenständige Institutionen ausgegliedert werden. Im spätbarocken Ephraimpalais im Nikolaiviertel und in der benachbarten Nikolaikirche will die Stiftung wie bisher Wechsel- und Sonderausstellungen zeigen.

Da das fast 100 Jahre alte Märkische Museum als „die“ Perle der Stiftung aus den Nähten platzt und nur einen Bruchteil seiner Schätze zeigen kann, werden neue Räume benötigt. Dazu bietet sich das Marinehaus am Köllnischen Park, gleich vis à vis, an, ein repräsentatives Gebäude aus der Kaiserzeit nach Plänen des Architekten Otto Liesheim. In der DDR-Zeit durch Ein- und Umbauten verschandelt, lange vernachlässigt und seines prachtvollen Fassadenschmucks beraubt, ist das ehemalige Kasino der kaiserlichen Marine mit ursprünglich prächtigen Innenräumen und einem repräsentativen Treppenhaus zur Halbruine verkommen. Nach der Wiedervereinigung sollten die Berliner Gesundheitsverwaltung beziehungsweise der Denkmalschutz einziehen, doch blieben erste Sanierungs- und Umbaumaßnahmen halbfertig liegen. Vergeblich versuchte das Berliner Liegenschaftsamt bisher, einen Käufer für das unter Denkmalschutz stehende Gebäude zu finden.

Jetzt will die Stiftung Stadtmuseum den Faden wieder aufnehmen und das Marinehaus für Ausstellungszwecke herrichten. Da es durch Um- und Einbauten arg verunstaltet ist, müsste es als erstes entkernt werden. Ein Investor ist gefunden, der die rund 16 Millionen teuren Sanierungs- und Umbauarbeiten aufbringen will. Während im Märkischen Museum die ältere Berliner Stadt- und Kulturgeschichte dokumentiert wird, soll im Marinehaus mit 6500 Quadratmetern Ausstellungsfläche Exponate aus der neuesten Geschichte gezeigt werden. Die Baupläne werden derzeit im Senat geprüft, und Kurt Winkler hofft, dass sich die Landesregierung bei der Begutachtung des Masterplans für das Marinehaus nicht allzu lange Zeit lässt. Berlin besitze mehr als die Museumsinsel und sollte das auch unter Beweis stellen. Indem das Stadtmuseum aus dem Schatten der Staatlichen Museen heraus tritt, stärke es den Kulturstandort Berlin, ist der Stiftungschef überzeugt.

Während der Novemberrevolution von 1918 wurde im Marinehaus Geschichte geschrieben. Eine Gedenktafel an der Fassade des Restaurants Marinehaus berichtet, dass sich hier vom Januar bis März 1919 der Sitz der Volksmarinedivision befand, die in den schweren Kämpfen gegen die Konterrevolution fest an der Seite des Berliner Proletariats stand, so die Inschrift aus DDR-Zeiten. Sollte das Märkische Museum tatsächlich in den kommenden Jahren den im Moment verriegelten und verrammelten Komplex bekommen, könnte es an authentischem Ort auch über die dramatischen Vorgänge nach dem Ende des Ersten Weltkriegs höchst anschaulich berichten.

Helmut Caspar

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