Herrin der Lieblichkeit -
Büste der ägyptischen Königin Nofretete ist wieder der Star auf der Museumsinsel



Auf der Museumsinsel angekommen ist Königin Nofretete, deren Büste den Mittelpunkt einer Ausstellung des Ägyptischen Museums bildet.



Bis Anfang 2009 bleiben die ägyptischen Altertümer im Alten Museum. Dann siedeln sie in ihr eigentliches Domizil, das Neue Museum, ebenfalls auf der Museumsinsel um. (Fotos: Caspar)

Seit sie im Jahre 1912 in Amarna, 300 Kilometer südlich von Kairo, entdeckt und von ihren Ausgräbern nach Berlin gebracht wurde, zählt die Büste der ägyptischen Königin Nofretete zu den großen Berühmtheiten der Staatlichen Museen. Vor wenigen Tagen wurde das bunt bemalte Porträt unter schwerer Bewachung vom Kulturforum auf die Museumsinsel geschafft. Im Alten Museum am Lustgarten kann man den Kopf, bei dem nur ein Auge ausgemalt ist, bewundern. Wer den zentralen Eingangsraum, die von Schinkel entworfene Rotunde, betritt und in die erste Etage schaut, sieht das berühmte Bildwerk bereits von weitem. Zu ebener Erde lädt der „Betende Knabe“, eine auf Rhodos gefundene Bronzefigur aus dem dritten vorchristlichen Jahrhundert, zum Besuch in die Antikenausstellung ein. Beide Skulpturen weisen darauf hin, dass die Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz 175 Jahre alt geworden sind, ein Ereignis, das durch eine Serie von Ausstellungen und Tagungen gewürdigt wird und neue Besucherströme mobilisiert. Angesichts der Warteschlangen, die sich vor der Goya-Ausstellung und jetzt auch vor dem Alten Museum bilden, forderte der Generaldirektor der Staatlichen Musen, Peter-Klaus Schuster, die schnelle Errichtung einer zentralen Eingangshalle, die solche endlosen Reihen erübrigt.

Die Büste der Gemahlin des Pharao Echnaton, deretwegen viele Menschen stundenlanges Ausharren auf dem Lustgarten auf sich nehmen, besteht aus Kalkstein mit einem lebensecht bemalten Überzug aus Gips. Offenbar war das Porträt ein Arbeitsmodell für den Bildhauer Thutmosis, der den Auftrag hatte, nach dieser Vorlage weitere Porträts zu schaffen. Die „Herrin der Lieblichkeit“ starb im Jahre 1338 vor Christus. Gefunden wurde das 48 Zentimeter hohe Porträt bei Ausgrabungen deutscher Archäologen in Amarna, der ehemaligen Residenz des königlichen Paares. Aufgrund von Absprachen zwischen der ägyptischen und der deutschen Regierung gelangte es nach Berlin, wo es zunächst im Haus des Kunstsammlers und Mäzens James Simon stand. Er hatte die Grabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft finanziert. Als die Büste öffentlich gezeigt wurde, löste sie Begeisterungsstürme aus, und die sind bis jetzt nicht abgeebbt.

Bis zum Zweiten Weltkrieg waren Nofretete und ihr Hofstaat sowie die vielen anderen Ausgrabungsstücke vom Land am Nil im Neuen Museum ausgestellt. Aus Sicherheitsgründen wurden die Büste und die vielen anderen Kostbarkeiten 1943 verpackt und sicher in Depots in und außerhalb der Reichshauptstadt eingelagert. Nach dem Krieg wurde die schöne Königin in einem deutschen Bergwerk von dem amerikanischen Kunstschutz-Offizier Walter Farmer entdeckt. Nach einigen Umwegen gelangten der Kopf und die anderen Kostbarkeiten in die Obhut der Stiftung Preußischer Kulturbesitz im damaligen West-Berlin, die sie im Ägyptischen Museum gegenüber dem Schloss Charlottenburg zeigte.

Nach der Wiedervereinigung (1990) und der Zusammenlegung der über beide Stadthälften verteilten Altertümer war klar, dass Nofretete und die anderen Sammlungsstücke an ihren Ausgangspunkt, die Museumsinsel, zurückkehren. Drei Jahre wurde der Umzug der Königin Nofretete mit dem ins Deutsche übersetzten Namen „Die Schöne ist gekommen“ und der anderen Hinterlassenschaften aus dem Land am Nil ins Alte Museum vorbereitet; drei Millionen Euro stellten Sponsoren dafür bereit. Bis zur Eröffnung des dann wieder aufgebauten Neuen Museums Anfang 2009 füllen die jetzt eröffnete Interimsausstellung im Alten Museum außer der schönen Königin auch andere Götter- und Pharaonenfiguren, ferner bunt bemalte Mumien und mit Hieroglyphen bedeckte Inschriftentafeln, des weiteren Arbeiten aus Terrakotta, Bronze und Gold sowie aufgerollte Papyri die raffiniert ausgeleuchteten Räume. In ihnen herrscht Tageslicht, das durch vorsichtig dosierte Kunstbeleuchtung ergänzt wird. So kommen die Formen und Farben der mehrere tausend Jahre alten Hinterlassenschaften auf ganz neue, ungewohnte Weise zur Geltung, wie der vom Ergebnis langer Stell- und Lichtproben begeisterte Direktor des Ägyptischen Museums, Dietrich Wildung, bei einem ersten Rundgang feststellte. Verglichen mit der bisherig eher gedrängten, der Atmosphäre in Grabkammern nicht unähnlichen Aufstellung in Charlottenburg ist die jetzige wesentlich erweiterte Präsentation überraschend großzügig. Drangvolle Enge wird angesichts zu erwartender Besuchermassen vermieden. Man kann sich ungestört in die Gesichter, die Schriften und Symbole vertiefen und taucht so in eine fremde, aber irgendwie auch bekannten Welt ein. Dass die bedeutende Ägyptensammlung bereits vier Jahre vor der Eröffnung ihres eigentlichen Domizils, des Neuen Museums, gezeigt wird, ist ein großer Glückfall und das wohl schönste Geschenk, das sich die Staatlichen Museen zu ihrem Jubiläum machen konnten.

Helmut Caspar

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