Ausfuhr wurde vom Sultan genehmigt -
Der jetzt komplett restaurierte Pergamonaltar dokumentiert ein Stück deutsch-türkischer Zusammenarbeit auf archäologischem Gebiet


Aufgefrischt und gefestigt zeigt sich nach zehnjähriger Restaurierungsarbeit der Pergamonaltar in seiner ganzen Pracht. Hier ein Detail an der rechten Wand im Museumssaal. (Foto: Caspar)

Der Große Altar von Pergamon, geschaffen von den besten Bildhauern des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts, zählte einst zu den antiken Weltwundern. Reisende berichteten gelegentlich von dem großartigen Bauwerk und seinem Figurenschmuck. Doch die Bewunderung hat das unter der Regierungszeit des Königs Eumenes II. von Pergamon (197-159 vor Christus) errichtete Monument zur Erinnerung an den Sieg über die Galater nicht vor Zerstörung bewahrt. Die Erinnerung an die ursprüngliche Bedeutung des Altars, auf dessen Reliefflächen der Kampf der Götter und Giganten eindrucksvoll dargestellt ist, verblasste nach und nach. In byzantinischer Zeit sah man in dem Altar ein heidnisches Kultobjekt, einen „Stuhl des Satans“, den es systematisch zu zerstören galt. Aus den Relikten des Altars und weiterer Bauten auf dem Burgberg von Pergamon hat man im ersten Jahrtausend unserer Zeitrechnung eine riesige Mauer möglicherweise zum Schutz vor anstürmenden Arabern errichtet. Ausserdem wurden Reste der Reliefs sowie der Säulen und Architekturglieder in Wohnhäuser eingemauert oder nach alter Sitte verbrannt, um Kalk zu gewinnen.

Reisende fanden in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder den Weg nach Pergamon, berichteten über Marmorspolien, die auf der Erdoberfläche verstreut sind, nahmen das eine oder andere Stück mit. Im Winter 1864/5 weilte der deutsche Straßenbauingenieur und Archäologe Carl Humann (1839-1896) in der antiken Stadt. Seitdem verfolgte er nur ein Ziel – ihre Ausgrabung. Dazu waren die Zeiten durchaus günstig. Mehrfach hatte der preußische Staat Ausgrabungskampagnen in Ägypten, in Ländern des klassischen Altertums und im Vorderen Orient finanziert. Die Berliner Museen waren voll von solchen Mitbringseln und waren begierig auf Nachschub. Hilfreich für Humanns Plan waren die guten Beziehungen, die das neue deutsche Kaiserreich zum Hof des türkischen Sultans unterhielt. Dessen Regierung erteilte dem Archäologen 1878 die Erlaubnis, gegen Zahlung von drei türkischen Gold-Pfunden in Pergamon „nach Antiquitäten“ zu graben. Zwei Drittel der Fragmente durfte Humann ausführen, und das waren, was sonst, vor allem die künstlerisch wertvollen Reliefteile und Großplastiken, während die ebenfalls aus Marmor bestehenden Architekturgliederungen und Säulen am Ort verblieben. Obwohl der Burgberg von Pergamon noch längst nicht erforscht ist, rechnen Fachleute nicht mehr mit archäologischen Sensationen. Sollte das eine oder andere Figurenstück dennoch ans Tageslicht kommen, bleibt es in Bergama, wie der Ort heute heißt. Vielleicht werden dann Abgüsse dem Berliner Pergamonaltar eingefügt, so wie man es bei den jetzt abgeschlossenen Restaurierungsarbeiten mit zwei schon in der Barockzeit nach England mitgenommenen Reliefteilen getan hat.

Die in drei Grabungsperioden bis 1886 von Humann und weiteren Spezialisten freigelegten Funde von Pergamon erregten großes Aufsehen, als sie erstmals im Alten Museum auf der Berliner Museumsinsel gezeigt wurden. Schnell wurde klar, dass die großartigen Reliefs ein eigenes Museum benötigen. Von 1901 bis 1908 hat man sie in einem eher bescheidenen und schnell baufällig gewordenen Haus auf der Museumsinsel aufgestellt. Nach seinem Abriss wurde von 1910 bis 1930 nach Plänen von Alfred Messel das heutige Pergamonmuseum erbaut. Hier konnten die Altarplatten in einem riesigen Saal mit steil ansteigender Treppe ihrer Bedeutung angemessen präsentiert werden.

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Gigantenfries abgebaut und eingelagert. Die Rote Armee nahm ihn als „Beutekunst“ in die Sowjetunion mit. 1958 wurden die schweren Kisten der DDR übergegeben. Damals hatte man keine Zeit, den Zustand des in Einzelstücke zerlegten Bildwerkes zu prüfen und schon gar nicht es zu restaurieren. Weil man das nach den Kriegsschäden notdürftig reparierte Pergamonmuseum und den Altar zum zehnten Jahrestag der Gründung der DDR (1959) sehr schnell der Öffentlichkeit präsentieren wollte, hat man die tonnenschweren Platten in grau gestrichene Betonwände eingefügt. Erst die Vereinigung der Staatlichen Museen (1990) ermöglichte eine umfassende Bestandsaufnahme der Schäden und die Reinigung der Reliefs. Wenn man die Treppe hinaufsteigt, sieht man hinter einer kleinen Säulenreihe den Telephosfries, auch Kleiner Pergamonaltar genannt. Mit ihm begann vor zehn Jahren die Restaurierung der ganzen Anlage. Die ersten Maßnahmen wurden noch von amerikanischen Museen bezahlt, dann übernahm die Stiftung Preußischer Kulturbesitz die Finanzierung, die mit insgesamt 2,3 Millionen Euro sogar unter dem Limit liegt.

Der italienische Bildhauer und Steinrestaurator Silvano Bertolin, der 1994 mit den Restaurierungsarbeiten beauftragt wurde, nahm mit seinen Helfern das 113 Meter lange und 2,30 Meter hohe Gigantenrelief des Pergamonaltars Stück für Stück auseinander, reinigte den verschmutzten Marmor unter fließendem Wasser ohne chemische Zusätze, entfernte verrostete Dübel und Betonreste, mit denen man vor hundert Jahren den in zahllosen Einzelteilen zerbröselten Fries verbunden hatte. Zu den große wissenschaftlichen und restauratorischen Leistungen zählt, dass bei den jetzt abgeschlossenen Arbeiten verschiedene im Museumsdepot befindliche Originalteile einzelnen Figurengruppen angestückt wurden. Bertolin ersetzte überdies den grauen Betonuntergrund durch hellgraue italienische Kalksteintafeln, vor denen sich der hell schimmernde Marmor aus den Zeiten des König Eumenes II. effektvoll abhebt. So kam zu dem in eindrucksvollen Resten überlieferten Weltwunder der antiken Bildhauerei das Wunder der Wiedergeburt durch moderne Restauratorenkunst.

Helmut Caspar

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