Das Aus für des Reiches Herrlichkeit
Ausstellungen in Berlin und Magdeburg über das vor 200 Jahren untergegangene Heilige Römische Reich deutscher Nation - eine Vorankündigung



Kaiser Otto der Große und der letzte römisch-deutsche Kaiser Franz II. zieren das Plakat und weitere Drucksachen der für 2006 geplanten Ausstellung über das Heilige Römische Reich deutscher Nation 962 bis 1806. (Foto: DHM)

Am 6. August 1806, vor bald 200 Jahren, legte der römisch-deutsche Kaiser Franz II. die deutsche Kaiserkrone nieder, nahm die Würde eines österreichischen Kaisers an und nannte sich von nun an Franz I. Er erklärte, mit diesem Schritt betrachte er das „reichsoberhauptliche Amt“ als erloschen und entband nicht nur die Reichsstände, sondern auch die Reichsgerichte und alle Beamten des Reiches ihrer Pflichten. Drei Wochen zuvor war unter dem Protektorat von Europas starkem Mann, Napoleon I., der Rheinbund gegründet worden. Dessen Mitglieder hatten ihren Austritt aus dem Reichsverband erklärt und sich unter den Schutz des Kaisers der Franzosen gestellt. Der in Regensburg tagende Reichstag nahm die Kunde aus Wien mit Bestürzung auf, enthielt sich aber des Protestes. Die Gesandten reisten ab, und so ging das von Kaiser Otto den Großen anno 962 gegründete Heilige römische Reich deutscher Nation sang- und klanglos unter.

Wie es zu dem seinerzeit kontrovers diskutierten Schritt von Franz II. kam und was überhaupt das aus unzähligen einzelnen geistlichen und weltlichen Fürstentümern und freien Städten gebildete Reich war, das länger als andere Staaten und Reiche in Europa bestanden hatte, wer seine Repräsentanten und Organe waren, wie es überhaupt funktionierte oder auch wo es versagte und schließlich warum es an Kraft verlor und scheiterte, ist im kommenden Jahr Gegenstand einer repräsentativen Ausstellung vom 28. August bis 10. Dezember 2006 im Deutschen Historischen Museum Berlin und im Kulturhistorischen Museum Magdeburg.

Die Schau umfasst über achthundert Jahre deutscher Geschichte, wobei man sich den ersten, bis zum ausgehenden 15. Jahrhundert reichenden Teil in Magdeburg ansehen kann, während die Zeitspanne bis 1806 im Berliner Zeughaus dokumentiert wird. Dass Magdeburg Mitausrichter der unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Horst Köhler stehenden Ausstellung ist, kommt nicht von ungefähr. Denn der 962 in Rom zum Kaiser gekrönte Otto der Große ist im Magdeburger Dom begraben und wird hier besonders verehrt. Die Spannbreite des Themas kommt auch auf den Plakaten zum Ausdruck, die Kaiser Otto beziehungsweise Kaiser Franz II. darstellen, einmal nach der Manessischen Handschrift, die von Heidelberg nach Magdeburg entliehen wird, und zum anderen auf einem Staatsporträt von Friedrich Heinrich Füger aus dem Jahre 1792, das die Fürst Thurn & Taxis Kunstsammlungen in Regensburg nach Berlin schicken.

Gezeigt werden hochrangige Geschichtszeugnisse und Kunstwerke aus den Beständen der beteiligten Museen sowie aus bedeutenden öffentlichen Sammlungen und Archiven in Europa und den USA. Mit zahlreichen Zeitdokumenten und Schriften, die an das Haus Habsburg als Inhaber des Kaiseramtes weisen, sind das Kunsthistorische Museum und das Österreichische Staatsarchiv in Wien vertreten. Wie von den veranstaltenden Museen zu hören ist, werden in der Ausstellung reichlich auch Münzen und Medaillen zu sehen sein. Passend etwa zu einer Galerie mit gemalten Kaiserporträts werden auch solche aus geprägtem Metall ausgestellt. Dokumentiert werden auf den Prägungen die Veränderungen auf der deutschen und europäischen Landkarte und die Bildung neuer Staaten im Ergebnis der französischen Revolution von 1789, die territorialen und politischen Folgen des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803, durch den zahlreiche geistliche und weltliche Fürstentümer von der Bildfläche verschwanden, sowie die Kriege in den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts.

Zur Ausstellung erscheinen insgesamt vier Bücher mit historischen Studien beziehungsweise Beschreibungen der gezeigten Exponate. Darüber hinaus werden auch kurzgefasste Einführungen in das Thema vorbereitet. Die Direktoren des Deutschen Historischen Museums Berlin und des Kulturhistorischen Museums Magdeburg, Hans Ottomeyer und Matthias Puhle, erwarten ein großes nationales und internationales Interesse an der Schau. Sie wird im Frühjahr 2006 durch ein hochkarätig besetztes Symposium fachlich vorbereitet, dessen Ergebnisse veröffentlich werden sollen. Neue Forschungen und nun auch die Ausstellung würden mit tradierten, aber historisch unzutreffenden Auffassungen aufräumen, wonach 1806 das alte Reich seinen „verdienten Todesstoß“ erhalten habe, weil es schon lange ein lebender Leichnam war. Diese von interessierter, zum Beispiel auch von preußischer Seite lancierte und bis heute auch in Schulbüchern abgedruckte Lesart der Vorgänge vor 200 Jahren halte neuen Untersuchungen nicht stand. Im Internet kann man sich über Einzelheiten der Ausstellung und über die Exponate unter der Adresse www.dasheiligereich.de informieren.

Helmut Caspar

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