Künftigen Geschlechtern zur Mahnung
Leipziger Völkerschlachtdenkmal vor 90 Jahren enthüllt

Mit kernigen Worten kaiserlicher und königlicher Majestäten, viel Trommelwirbel und Trompetenschall, Kommandorufen und Fahnenflattern wurde vor 90 Jahren, am 18. Oktober 1913, das Leipziger Völkerschlachtdenkmal enthüllt. Das gewaltige Steinmonument erinnert an die Völkerschlacht vom 16. bis 18. Oktober 1813. Der blutige Waffengang endete mit der Niederlage des französischen Kaisers Napoleon I. und seiner Verbündeten. Der Kaiser wurde 1814 zur Abdankung gezwungen, einer seiner Verbündeten, der König von Sachsen, kam nach Berlin in Kriegsgefangenschaft. Auf dem Wiener Kongress zeichneten Fürsten und Diplomaten die europäische Karte neu. Schon bald begann eine beklemmende Zeit der Restauration der alten Feudalverhältnisse. Die von den Monarchen ihren Völkern versprochenen neuen Freiheiten waren keinen Pfifferling mehr wert.

Im Bewusstsein der Deutschen spielte der 18. Oktober lange Zeit eine große Rolle. Jahrestage der Völkerschlacht wurden zu patriotischen Feiern genutzt. Als man 1863 das 50. Jubiläum der Völkerschlacht beging, wurde der Ruf nach einem Nationaldenkmal laut. Allerdings fehlten dafür noch Ideen und Mittel. Ausserdem waren die 1860er Jahre ausgesprochen kriegerisch, denn man befand sich im Vorfeld der Reichseinigung von 1871.

Erst 1894 bekam der Plan wieder Schwung. Der neu gründete „Deutsche Patriotenbund zur Errichtung eines Völkerschlacht-National-Denkmals bei Leipzig“ warb mit großem propagandistischen Aufwand für das Monument, das sich auch gegen den „Erbfeind“ Frankreich richtete und chauvinistische Gefühle ansprach. Sammlungen und Lotterien wurden veranstaltet. Helfer waren in Schulen um jeden Pfennig bemüht. Insgesamt kam die gewaltige Summe von sechs Millionen Goldmark zusammen. Ehrenmal für die gefallenen Helden von 1813 sollte das Denkmal werde, sodann Ruhmesmal für das deutsche Volk, und ausserdem sollte es Mahn- und Wahrzeichen für künftige Geschlechter werden. Aus einem künstlerischen Wettbewerb ging Bruno Schmitz, ein damals bekannter Gestalter von Denkmälern, mit dem später mehrfach abgeänderten Entwurf eines mit Figuren und Reliefs bestückten riesigen Turms an einem Wasserbecken hervor. Schaut man genau hin, erkennt man eine eigenartige Mixtur von Elementen des Historismus und des um 1900 modischen Jugendstils, aber auch eine düstere germanisierende Formensprache. Unter den Figuren ragen steinerne Wächter, Köpfe des Kaisers Barbarossa und der Erzengel Michael auf einem Streitwagen heraus. An der künstlerischen Gestaltung des 91 Meter hohen Monuments auf einem künstlich aufgeschütteten Hügel auf dem ehemaligen Schlachtengelände hatte Clemens Thieme, der Begründer und Vorsitzende des Patriotenbundes, wesentlichen Anteil. Die Bauarbeiten zogen sich vom ersten Spatenstich am 18. Oktober 1898 bis in den Oktober 1913 hin, und als das Denkmal nach vielen Querelen endlich fertig war, wurde es als große künstlerische Leistung gefeiert und sogar, ungewöhnlich für die damalige Zeit, auf einer silbernen Dreimarkmünze abgebildet.

Helmut Caspar

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