Bunte Verführer im Pei-Bau
Ausstellung über Werbestrategien und Kunst fürs Volk 1850 bis 1933


Der in der Berliner Mohrenstraße ansässige Schokoladenhersteller Sarotti wählte einen Mohren zum Maskottchen. Foto: DHM

Werbung ist allgegenwärtig und bestimmt unseren Alltag, ob man sie mag oder nicht. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gibt es die anfangs schwarzweißen, später bunten Verführer, die oft in künstlerisch vollendeter Form und überaus witzig daher kommen, manchmal auch sehr plump und direkt zum Kaufen und Konsumieren animieren. Wie sich Werbestrategien entwickelt haben und von wem, welcher Medien man sich bediente, warum sich bekannte Marken ewig lange halten und andere verschwunden sind, ja wie auch die Politik Stimmung für ihre Ziele machte, schildert eine neue Ausstellung, die das Deutsche Historische Museum (DHM) im Pei-Bau unweit der Straße Unter den Linden zeigt.

Die zeitliche Spanne der bis zum 29. August laufenden Schau reicht von etwa 1850, als nach der voran gegangenen Revolution die verhasste Zensur fiel und die ersten Litfaßsäulen zum Ankleben von Plakaten und Mitteilungen aufgestellt wurden, bis etwa 1933. Das DHM macht hier einen Schnitt, weil die damals an die Macht gekommenen Nationalsozialisten die Medien und damit auch die Werbung unter ihre Kontrolle brachten und freie Kreativität ohne politische Absichten und Vorgaben kaum noch möglich war. Dass die Schau die Zeit zwischen 1933 und 1945 nahezu ausgeklammert und die Werbung in beiden deutschen Staaten nach dem zweiten Weltkrieg ganz unberücksichtigt lässt, wird vom DHM-Generaldirektor Hans Ottomeyer mit Platzproblemen begründet, hat wohl aber tiefere Gründe. Offenbar reichen Museumsbestände für eine Ausweitung bis an die Gegenwart nicht aus, und aktuelle Formen der Werbung scheinen noch nicht museumswürdig zu sein. Das Deutsche Historische Museum behält aber das Thema für eine spätere, nicht minder spannende Ausstellung im Auge und sammelt fleißig Material.

Bestückt wird die sehenswerte Dokumentation durch Bestände des DHM, das mit 80 000 Plakaten eine der bedeutendsten internationalen Sammlungen dieser Art und darüber hinaus auch mehrere tausend Originalverpackungen von der Kaiserzeit bis in die Gegenwart besitzt. Dazu werden auch Raritäten aus Unternehmensarchiven und Privatsammlungen gezeigt, so dass sich ein recht geschlossenes Bild über das Sinn und Aussehen der Werbung ergibt. Ihre Arbeitsprinzipien bildeten sich im Wesentlichen bereits vor hundert Jahren heraus, ist in der Dokumentation zu erfahren. Seitdem haben sich die Medien zwar weiter entwickelt, und zur Presse, zum Rundfunk und Film kamen Fernsehen, Internet und andere Überträger hinzu, doch ist das Bestreben, durch starke Bilder und kesse Sprüche aufzufallen und Marktanteile zu sichern, uralt und wird auch nicht verändert.

Angefangen bei einfachen Handzetteln, mit denen Produkte und Dienstleistungen angepriesen wurden, spannt sich der Bogen über Preismedaillen von internationalen Ausstellungen und Hoflieferantentiteln, mit denen renommierte Firmen verliehen Eindruck zu schinden versuchten, bis zu künstlerisch wertvollen Plakaten und den heute als Sammelgegenstand beliebten bunten Emailleschildern. Sie alle zeigen Autos und Schuhe, Bier und Brühwürfel, Margarine, Schnaps und Schokolade, Zahnpasta und Zigaretten und viele andere Erzeugnisse in den schönsten Farben und vermittelten den Käufern das Gefühl, nur durch sie glücklich, mondän und modern zu sein.

Das ging, wie man bei einem Rundgang durch die Ausstellung unschwer erkennen kann, meist ohne große Worte ab, aber mit bedeutendem Aufwand an Kreativität und künstlerischem Vermögen.

Zur Ausstellung erschien ein Katalog (367 S., zahlr. Abb., 25 Euro), der auch bedeutende Werbeleute vorstellt. Die Skala reicht von dem genialen französischen Grafiker und Plakatkünstler Franzosen Henri de Toulouse-Lautrec und Henry van de Velde bis zu dem Architekten, Produktdesigner und Werbegrafiker Peter Behrens, der für die AEG tätig war und nachhaltig das Bild dieser fürs Volk bestimmten Kunstgattung prägte.

Geöffnet ist die Schau "Strategien der Werbekunst von 1850-1933" im Pei-Bau Hinter dem Gießhaus 3, 10117 Berlin, täglich von 10-18 Uhr.



Helmut Caspar

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