Aufbegehren gegen kurfürstliche Zwingburg -
Vom Berliner Unwillen 1448 zur Revolution 1848



Das den Berlinern vom siegreichen Kurfürsten nach 1448 „aufgedrückte" Siegel zeigt, wer Herr im Haus ist. Dem Bären – hier auf einem Rechenpfennig von 1637 - wurde erst 1875 das Hals- oder Gängelband abgenommen. (Repros: Caspar)

Mehrfach haben die Berliner versucht, gegen obrigkeitliche Bedrückung zu rebellieren, meistens gelang das nicht, und die Folgen waren furchtbar. Berühmt wurde unter der Bezeichnung „Berliner Unwillen“ ihr Widerstand im Jahre 1448 gegen den Bau einer kurfürstlichen Zwingburg, der aber keinen Erfolg hatte. Genau 400 Jahre später versuchten es die Bewohner der preußischen Haupt- und Residenzstadt noch einmal, ihrem Monarchen demokratische Rechte abzutrotzen. Die Revolution 1848/49 endete mit der Stärkung der Königsmacht, aber das Volk hatte, erstmals nach so langer Zeit, ihrem Herrscher und seiner Kamarilla die Zähne gezeigt und Zeichen gesetzt.

Das Jahr 1415 stellt in der Geschichte Brandenburg-Preußens eine wichtige Zäsur dar. Auf dem Konzil zu Konstanz wurde dem Burggrafen Friedrich VI. von Nürnberg vom König (ab 1433 Kaiser) Sigismund die Würde des Markgrafen von Brandenburg sowie Kurfürsten und Erzkämmerers des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation verliehen. Damit begann für fünfhundert Jahre die Herrschaft des Hauses Hohenzollern, die erst mit dem Thronverzicht Kaiser Wilhelms II. in der Novemberrevolution 1918 endete.

Kurfürst Friedrich II. Eisenzahn, der Sohn und Nachfolger des 1440 verstorbenen ersten hohenzollernschen Landesherrn Friedrich I., legte 1443 den Grundstein für ein Schloss in Cölln an der Spree. Die Bewohner der Doppelstadt Berlin-Cölln waren davon wenig begeistert, denn sie befürchteten nicht zu Unrecht Einschränkungen ihrer Privilegien und sahen obrigkeitliche Bedrückung kommen. Das Schloss, das da langsam im Entstehen war, empfanden sie als Zwingburg. Die Berliner und Cöllner wehrten sich, indem sie das Baumaterial stahlen und die Maurer und Zimmerleute an ihrer Arbeit behinderten.

Obwohl der Kurfürst Söldner zum Schutz der Baustelle einsetzte, konnte er die aufsässigen Städter nicht einschüchtern. Immer wieder kam es zu Sticheleien und Pöbeleien. Erst 1448 eskalierte die Situation. Es kam zum „Berliner Unwillen“, einem bewaffneten Aufstand, bei dem die kurfürstliche Residenz, das so genannte Hohe Haus, gestürmt und Urkunden vernichtet wurden, die in der Kanzlei aufbewahrt waren und manche Bestimmung enthielten, die den Residenzlern nicht angenehm waren. Kurfürstliche Beamte wurden in den Kerker geworfen, und beide Städte bildeten einen gemeinsamen Rat, um mit gleicher Stimme der Obrigkeit entgegenzutreten und die Wiederherstellung der alten Rechte und Freiheiten einzufordern. Ganz Mutige öffneten den Schlossgraben, so dass sich Spreewasser in die Baustelle ergoss.

Da aber der Rückhalt der erbosten Berliner in den ihnen verbündeten Städten und bei der Hanse ausblieb, mussten sie sich in ihr Schicksal fügen. Dem Kurfürsten, der mit seinen Soldaten den Widerstand brach und ein Strafgericht veranstaltete, schworen sie den Treueid. Daraufhin wurde der Doppelstadt Berlin-Cölln ein Siegel verliehen, das die neuen Machtverhältnisse treffend symbolisiert. Der brandenburgische Adler schlägt dem Berliner Bären die Krallen ins Fell, und ausserdem hat der Bär ein Halsband bekommen, an dem er nun wie an einem Gängelband geführt werden kann. Der Zufall will es, dass genau 400 Jahre nach dem „Berliner Unwillen“ die Revolution von 1848 den nunmehrigen König Friedrich Wilhelm IV. das Fürchten lehrte. Wiederum wurde Militär eingesetzt und Blut vergossen. Die Unterdrückung des Berliner Unwillens gab den Startschuss für die Hohenzollern, gegen weitere aufmüpfige Städte in der Mark Brandenburg vorzugehen und sie sich zu unterwerfen. Die mittelalterliche Periode in der Berliner und Cöllner Stadtgeschichte war im Wesentlichen abgeschlossen. Mehr und mehr band der Hof die Bewohner an sich, Händler und Patrizier versorgten den Kurfürsten und seinen Anhang. Mehr und mehr bestimmten Beamte und das Militär das Bild der um ihre Selbstständigkeit gebrachten Stadt.

Im Jahre 1451 konnte Friedrich II. das burgenartige Schloss zu Cölln an der Spree beziehen. Das durch einen Wassergraben geschützte Gebäude wurde, in zeitgenössischen Chroniken bezeichnenderweise auch „Zwing Cölln“ genannt, wichtigstes Machtzentrum des brandenburgischen, ab 1701 preußischen Staates. Zahlreiche Urkunden, Gesetze und Verordnungen tragen den Ortsvermerk „Cölln an der Spree“.

An dem landesherrlichen Sitz wurde bis ins 19. Jahrhundert hinein gebaut, erst im Stil der Gotik, dann im späten 16. Jahrhundert in den Formen der Renaissance. In königlicher Zeit wurde das Schloss in einen riesigen Palast verwandelt, der zu den bedeutendsten Schöpfungen barocker Schlossbaukunst gehörte. Bedeutende Architekten und Bildhauer wie Schlüter, Eosander von Göte, Knobelsdorff, Schadow, Schinkel, Strack und Ihne haben aus dem Berliner Stadtschloss ein berühmtes und vielfach gepriesenes Gesamtkunstwerk gemacht. Im Zweiten Weltkrieg zerstört, aber nicht vernichtet, wurde das Stadtschloss 1950 auf Befehl des damaligen SED-Chefs abgerissen. Der nach der Wiedervereinigung 1990 wieder ins Gespräch gekommene Wiederaufbau steht nach wie vor in den Sternen.

Helmut Caspar

Mit "Zurück" zur Themenübersicht "Mythen der Geschichte"