Hochmut kommt vor dem Fall -
Der biblische Turmbau zu Babel hat Generationen von Historikern und Künstlern beschäftigt


Auf einer Medaille von 1708 anlässlich der Eroberung der Stadt Lille durch den Prinzen Eugen erscheint der Turm zu Babel als warnendes Gleichnis. (Foto: Caspar)

Hochmut kommt vor dem Fall, und Übermut tut selten gut, sagt der Volksmund; jeder von uns kennt Beispiele für einen auf den Höhenflug folgenden Absturz. An verschiedenen Stellen im Alten und im Neuen Testament wird Babel oder Babylon wenig freundlich erwähnt. Von den historischen Bauwerken aus Ziegelmauerwerk der mythischen, mehrfach zerstörten und immer wieder aufgebauten Stadt am Euphrat im heutigen Irak ist nicht mehr viel erhalten. Wichtige Ausgrabungsstücke wie das Ischtartor und die Prozessionsstraße mit ihren kostbaren glasierten Ziegelreliefs befinden sich im Vorderasiatischen Museum, das im Pergamonmuseum auf der Berliner Museumsinsel, untergebracht ist. Die Monumentalität und Pracht der Ausgrabungsstücke deutet auf ein mächtiges Kultur- und Wirtschaftszentrum hin. Die Hauptstadt des alt- und neubabylonischen Reiches ist noch lange nicht archäologisch erforscht. Nach dem Sturz des Saddam-Regimes hoffen irakische und ausländische Ausgräber, ihre Arbeit wieder aufnehmen zu können.

Babylon hat schon immer die Phantasie angeregt, viele Geschichten und Mythen kreisen um die Stadt. Schriftliche Informationen finden sich in der Bibel. Im 11. Kapitel des 1. Buch Mose wird der berühmte, in der christlichen Kunst häufig phantasievoll dargestellte Turmbau zu Babel erwähnt. An ihm haben Menschen gearbeitet, so wird berichtet, die alle die gleiche Sprache sprachen. „Wohlauf, lasst uns Ziegel streichen und brennen! Und nahmen Ziegel zu Stein und Erdharz zu Kalk und sprachen: Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, des Spitze bis an den Himmel reiche, dass wir uns einen Namen machen! Denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder“.

Gott der Herr hörte die anmaßenden Worte höchst unwillig. Und er beschloss, den hochmütigen Babyloniern, die sich durch einen riesigen Turm ein bleibendes Denkmal errichten wollten, die einheitliche Sprache zu nehmen. Denn „es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen“, so die Bibel, „und (sie) haben das angefangen zu tun; sie werden nicht ablassen von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun. Wohlauf, lasset uns hernieder fahren und ihre Sprache daselbst verwirren, dass keiner des anderen Sprache verstehe“.

Der Prophet Jeremia fand harte Worte für die Stadt, die zum Sündenbabel wurde. Noch heute wird der Begriff gelegentlich gebraucht. „Fliehet aus Babel, damit ein jeglicher seine Seele errette, dass ihr nicht untergehet in ihrer Missetat“, rief er den Menschen zu. Und in der Offenbarung des Johannes, der Apokalypse, wird der Fall der „Großen Hure Babylon, die da an vielen Wassern sitzt“ (17. Kapitel, 1), beschrieben. Für Johannes ist Babylon die große Behausung des Teufels, ein Behältnis aller unreinen Geister, der Inbegriff von Wollust. Es wird vorausgesagt, dass die Könige der Erden, die mit ihr gehurt und Mutwillen getrieben haben, und alle anderen, die von der Stadt Nutzen hatten, weinen und klagen werden, „wenn sie sehen werden den Rauch von ihrem Brand“.

In der Zeit der Renaissance und des Barock hat man den Turmbau von Babel als Gleichnis für die Notwendigkeit dargestellt, sich demütig zu verhalten und die eigenen Kräfte nicht zu überschätzen. Da niemand wusste, wie der Turm ausgesehen hat, hat man auf Gemälden, Stichen, Holzschnitten und selbst auf Medaillen die Phantasie wild ins Kraut schießen lassen. Meist wird er als ein in den Wolken verschwindender Rundbau mit Treppen geschildert, die sich aussen um ihn winden.

Helmut Caspar

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