Cicero, Achilles, Eisenzahn -
Was Beinamen von Hohenzollernfürsten erzählen


Kurfürst Joachim II. Hektor gestaltete das Berliner Schloss in einen großartigen Renaissance-Palast um. (Repro: Caspar)

Um die vielen Ottos, Friedriche, Johanns und die anderen Kur- und Fürsten in der Geschichte Brandenburgs und Preußens besser auseinander zu halten, wurden ihnen Beinamen verliehen, ehrenvolle und anstößige. Manche Herrscher bleiben nur mit diesen Bezeichnungen in Erinnerung, andere gingen leer aus, unabhängig davon, ob sie lange oder nur ganz kurz regiert haben. So hat sich der Beiname „der Große“ für König Wilhelm I., ab 1871 Kaiser Wilhelm I., nicht durchgesetzt, obwohl sich sein Enkel Wilhelm II. sehr dafür eingesetzt hatte und in dieser Form auch immer von seinem Großvater sprach. Da der Sohn und Nachfolger von Wilhelm I., Kaiser Friedrich III., wegen eines unheilbaren Krebsleidens im Jahr 1888 bereits nach 99tägiger Regierungszeit starb und dadurch leider nicht zum Zuge kam, obwohl das dem Reich sicher gut getan hätte, ist er nur als 99-Tage-Kaiser in Erinnerung. Dessen Sohn und Nachfolger Kaiser Wilhelm II. hat sich in seiner langen Regierungszeit von 1888 bis 1918 durch Größe, Stärke, besonderen Mut oder große Weitsicht nicht besonders hervorgetan. Wohl aber haben Kritiker dem immerzu auf Reisen befindlichen Monarchen den Beinamen „Reisekaiser“ oder wegen seiner scharfmacherischen Reden „Wilhelm den Säbelrassler“ genannt, aber das nur hinter vorgehaltener Hand, um keine Majestätsbeleidigung zu riskieren.

Lob für gute Rednergabe
Vor 500 Jahren war es üblich, in gelehrten Kreisen und auch an fürstlichen Höfen lateinisch zu sprechen. Die Fähigkeit, lange lateinische Reden zu halten, verschaffte dem brandenburgischen Kurfürsten Johann den Beinamen „Cicero“. Der Ehrentitel wird auf einen Ausruf von Philipp Melanchthon zurückgeführt, den engsten Vertrauten und Mitarbeiter Martin Luthers. „Das ist ein Cicero, ein wahrer Cicero“, soll Melanchthon, den man auch Praeceptor Germaniae (Lehrmeister Deutschlands) nannte, gesagt haben, als er eine dieser kunstvollen Reden hörte. Manche Historiker sehen in der rühmenden Bezeichnung nur eine gelehrte Erfindung aus späterer Zeit ist. Eher wäre der Beiname Magnus, der Große, gerechtfertigt, denn der wie der römische Redner Politiker und Schriftsteller Cicero mit großer Rednergabe ausgestattete Kurfürst Johann zeichnete sich durch einen ungewöhnlich kräftigen Körperbau aus. Johann Cicero setzte alles daran, die innere Ordnung des Landes zu stärken und seine eigene Herrschaft zu festigen. Das schloss vor allem die Zügelung des Adels, der gegen die im frühen 15. Jahrhundert aus Franken nach Brandenburg gekommenen Hohenzollern mit Waffengewalt opponierte, ebenso ein wie den Kampf gegen das grassierende Raubrittertum, das die Straßen unsicher machte und die Zentralgewalt verhöhnte. Bei diesen Bestrebungen hatte der Kurfürst einigen Erfolg. Die Zerstörung adliger Raubnester brachte ihm im Volk manche Sympathie ein. Außenpolitische Verwicklungen und gar Kriege zur Verwirklichung von Erbansprüchen vermeidend, setzte Johann Cicero, der sicher auch den Beinamen „der Friedliche“ verdient hätte, auf ein gutes Einvernehmen mit dem Kaiser und auf Bündnisse mit benachbarten Fürsten. Denn nur so konnte man den allgemeinen Landfrieden sichern.

In Johann Ciceros Regentschaft fällt die Zeit des Humanismus. Kunst, Kultur und Ideale der Antike wurden neu entdeckt, überall wurden Universitäten und Fürstenschulen geschaffen. Der Kurfürst bereitete die Gründung der kurmärkischen Landesuniversität in Frankfurt an der Oder, lateinisch Viadrina genannt, zwar vor, konnte deren Eröffnung 1506 allerdings nicht mehr miterleben, da er 1499 nach längerer Krankheit mit nur 43 Jahren starb.

Auch anderen Hohenzollernfürsten hat die Mit- und Nachwelt ebenfalls rühmende Beinamen verliehen. So nannte man den wegen seiner Politik der eisernen Faust gegenüber den brandenburgischen Städten und Ständen gefürchteten zweiten Kurfürsten aus dem Hause Hohenzollern, Friedrich II., auch Friedrich den Eisernen oder Friedrich Eisenzahn. Der machtbewusste Herrscher war Erbauer der kurfürstlichen Burg in Cölln, der Schwesterstadt Berlins. Der Aufruhr der Bürger der Doppelstadt Berlin-Cölln im Jahre 1448 gegen die Zwingburg ihres Herren ging als Berliner Unwillen in die Geschichte ein. Es sollten exakt vierhundert Jahre vergehen, bis sich 1848 die Berliner gegen ihren König Friedrich Wilhelm IV. erhoben, der auch als „Romantiker auf dem Thron“ in die Geschichte einging. Kurfürst Albrecht III., als dritter Hohenzollern-Kurfürst Sohn und Erbe von Friedrich Eisenzahn, schmückte sich mit dem auf den Helden des trojanischen Krieges weisenden Beinamen Achilles, den wir vor allem im Zusammenhang mit der Achillesferse kennen. Der prachtliebende Herrscher erließ 1473 die Dispositio Achillea, das berühmte Hausgesetz der Hohenzollern, welches die Erbteilung des Landes verbot. Kurfürst Johann Cicero, der bereits erwähnt wurde, war der Vater von Joachim I. Nestor, der sich einen Namen als schroffer Gegner des Luthertums machte. Erst der Tod von Joachim Nestor, der nach einem weiteren, durch Beredsamkeit und Weisheit berühmt gewordenen Helden des trojanischen Krieges benannt wurde, gab den Weg zur Einführung der Reformation im Jahre 1539 durch den Kurfürsten Joachim II. Hektor frei. Benannt wiederum nach einem berühmten Trojaner, war er ein Lebemann par excellence, der Geld, das ihm nicht gehörte, mit vollen Händen auszugeben pflegte und große Schulden hinterließ. Unter seiner Regentschaft wurde das Berliner Schloss in einen prächtigen Renaissance-Palast umgebaut.

In fragwürdiger Erinnerung
Die auf Joachim II. Hektor folgenden Herrscher Johann Georg, Joachim Friedrich, Johann Sigismund und Georg Wilhelm regierten nicht lange und glänzten durch Taten (oder auch Untaten) nicht so, als dass man sie durch Beilegung von antiken Heldennamen besonders in Erinnerung behalten hätte. Erst Kurfürst Friedrich Wilhelm, der nach dem Dreißigjährigen Krieg Kurbrandenburg zu einer bedeutenden Militärmacht entwickelte und viel zur Überwindung der schrecklichen Kriegsfolgen beigetragen hat, wird als Großer Kurfürst geehrt. Sein Sohn Kurfürst Friedrich III. beziehungsweise ab 1701 König Friedrich I. hätte durchaus den Beinamen „der Prächtige“ verdient, bekam ihn aber nicht, weil ihn die borussische Geschichtsschreibung wegen seiner Prunk- und Verschwendungssucht mit Verachtung strafte, obwohl er dem Haus Hohenzollern zu königlichen Ehren verhalf.

Der Sohn dieses Friedrich I., der in die „Langen Kerls“ und die Armee vernarrte Enkel Friedrich Wilhelm I., ist als Soldatenkönig bekannt, und dessen Sohn erhielt schon zu Lebzeiten den Beinamen „der Große“. Den fragwürdigen Titel „der Vielgeliebte“ bekam der Neffe und Nachfolger des auch Alter Fritz genannten Friedrich des Großen, König Friedrich Wilhelm II. wegen seiner skandalösen Affären mit Damen von Adel und aus dem Bürgertum. Trotz seiner langen Regierungszeit brachte es sein Sohn Friedrich Wilhelm III. nicht zu einem der Erinnerungspflege dienlichen Beinamen. Hingegen firmiert der wegen seiner Bauleidenschaft und als Mäzen berühmt gewordene Friedrich Wilhelm IV. auch als Romantiker auf dem Thron. Der Beiname tröstet nicht darüber hinweg, dass dieser Herrscher in Machtfragen knallhart war und sich während der Revolution von 1848/49 mit Blut besudelte.

Helmut Caspar

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