Von der Uckermark nach Berlin -
Das vor 400 Jahren gegründete Joachimsthalsche Gymnasium musste im Dreißigjährigen Krieg seinen Stammplatz aufgeben



Der aus Joachimsthal stammenden Schule wurde im 17. Jahrhundert ein repräsentatives Gebäude in der Berliner Burgstraße zugewiesen, das sie bis 1880 benutzte. (Repro: Caspar)

In den Jahren 1631 und 1635/36, mitten im Dreißigjährigen Krieg, wurden Joachimsthal und sein anno 1607 vom brandenburgischen Kurfürsten Joachim Friedrich gegründetes Gymnasium erst von schwedischen, dann von kursächsischen Truppen geplündert und verwüstet. Die Zerstörungen, die vor allem die Sachsen anrichteten, zwangen die Lehrer und die noch verbliebenen Schüler zur Flucht nach Berlin. Wie viele andere märkische Städte auch, war die brandenburgische Haupt- und Residenzstadt an der Spree entvölkert und bot ein Bild des Jammers. Erst in Zeiten der Erholung nach dem bis dahin schlimmsten aller Kriege war es möglich, das Joachimsthalsche Gymnasium wiederzubeleben, allerdings nicht mehr am fernen Gründungsort in der Uckermark, sondern unter den Augen des Landesherrn an der Spree.

Die Schule wurde 1650 auf Befehl des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm unter ihrem Traditionsnamen Gymnasium Ioachimicum neu eröffnet. Zunächst war sie im Schloss, alsbald aber in der benachbarten Burgstraße untergebracht, wo ihr ein großes Gebäude zugewiesen wurde. Dort gelangte das Gymnasium, von Friedrich Wilhelm und seinem Sohn, dem Kurfürsten Friedrich III., seit 1701 König Friedrich I., sowie weiteren Mitgliedern des hohenzollernschen Herrscherhauses gefördert, zu neuer Blüte. Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm, der 1685 durch das „Edikt von Potsdam“ französische Hugenotten ins Land holte und damit wesentlich zur kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung seines Herrschaftsbereichs beitrug, war übrigens auch Gründer jener anfangs im Schloss untergebrachten Bibliothek, aus der Dank der Förderung durch die Hohenzollern die heutige Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz hervorging.

Zu den besonderen Förderern des Joachimsthalschen Gymnasiums zählte im 18. Jahrhundert die preußische Prinzessin Anna Amalia (1723-1787), eine Schwester König Friedrichs II., des Großen. Sie vermachte der Schule testamentarisch ihre reich ausgestattete Bibliothek mit Werken deutscher, englischer und französischer Autoren, ferner eine Kollektion von Kupferstichen sowie eine bedeutenden Musikalien-Sammlung mit Autographen von Vertretern der Bach-Familie, von Georg Friedrich Telemann und anderen. Ein Teil der von dem Maurermeister und Musiker Carl Friedrich Zelter katalogisierten Musikalien befindet sich mit weiteren Autographen und Notendrucken seit 1914 in der der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz. Kenntlich sind die Kostbarkeiten aus dem Besitz der Prinzessin Amalia an einem Stempel, der das Joachimsthalsche Gymnasium als Empfänger nennt. Der Prinzessin lag sehr am Herzen, dass ihr Legat in der Schule gehegt und gepflegt wird. Daher bestimmte sie in ihrem Testament: „An das Joachimsthalsche Gymnasium vermache ich alle meine Bücher ohne Ausnahme nebst allen sauber gestochenen Kupfern mit vielen großen Meistern. Ferner meine seltsame Sammlung von den größten, ältesten und berühmtesten Meistern in der Tonkunst. Diese Musicalien sind theils gedruckt, theils mit vielem Fleiß nach Originalschriften in Partitur abgeschrieben. Das Schuldirectorium soll die Sorge und Aufsicht auf diese zwei kostbare Sammlungen haben, dermaßen, dass kein Buch, nicht ein Blatt aus dem Hause komme, sondern alles so wohl verwahret bleibe als wäre es ein Heiligthum. Nur allein für die Kenner der Litteratur und der schönen Wissenschaften soll es zum Ergötzen dienen“.

Während der prunkvollen Einhundertjahrfeier im Jahre 1707 wurde der Schule von Friedrich I. der Rang eines Königlichen Gymnasiums verliehen. Das Joachimsthalsche Gymnasium profitierte zu Beginn des 19. Jahrhunderts von der Reformpolitik, die nach der preußischen Katastrophe von 1806 und im Schatten der sich anschließenden französischen Besetzung eingeleitet wurde und zur politischen, geistigen und kulturellen Erneuerung der Monarchie führte. Etliche Lehrer des Joachimsthalschen Gymnasiums waren bedeutende Gelehrte und gehörten zur geistigen Elite Brandenburg-Preußens. Unter ihnen befanden sich auch Mitglieder der Berliner Akademie der Wissenschaften, die 1700 unter dem Einfluss des Universalgelehrten Georg Wilhelm Leibniz gegründet wurden war. Nach Gründung der Berliner Universität im Jahr 1810 hielten Lehrer des Joachimsthalschen Gymnasiums dort öffentliche Vorlesungen.

Im Jahr 1880 zog die Schule aus der Mitte der bereits mächtig boomenden Reichshauptstadt in das idyllische Wilmersdorf, das 1906 zur Stadt erhoben wurde und bereits 1920 an Groß-Berlin fiel. Die Verlagerung des Joachimsthalschen Gymnasiums aus dem Zentrum der preußischen Haupt- und Residenzstadt war seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Gespräch. Ein wichtiger Grund war, dass das aus dem 17. Jahrhundert stammende Schulgebäude an der Burgstraße zusehends verfiel und hohe Aufwendungen für seine Renovierung nötig gewesen wären.

Helmut Caspar

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