Letzte Ruhe auf dem Friedrichswerder
Archäologen legten Friedhof aus der Barockzeit frei



Die Funde auf dem ehemaligen Friedhof neben der Schinkel-Kirche vermitteln Einsichten in die Geschichte Berlins vor 300 Jahren.
(Foto: Caspar)

Archäologen haben Reste eines Friedhofs aus der Barockzeit links neben der Friedrichswerderschen Kirche entdeckt. Die Ausgrabungen auf einer bisher als Parkplatz genutzten Fläche erfolgen durch Mitarbeiter der Firma Archäo Kontrakt im Auftrag des Landesdenkmalamtes Berlin. Sie sind nötig, weil das Gelände neu bebaut wird. Ab 2008/9 entstehen hier Wohn- und Geschäftshäuser, und außerdem wird wie vor 300 Jahren eine kleine Gasse an der Kirche vorbei führen.

Bevor die Bauleute anrücken, müssen Versorgungsleitungen, vor allem Wasserrohre, in den Boden gelegt werden, eine Arbeit, die die Archäologen auf den Plan bringt. Wie Grabungsleiter Uwe Müller erklärt, sei aus Urkunden und Chroniken bekannt, dass die auf dem Friedrichswerder, einer Gründung des Großen Kurfürsten nach dem Dreißigjährigen Krieg, angesiedelte französische Gemeinde einen eigenen Friedhof besaß. „Der Gottesacker entlang der Falkoniergasse kann nicht groß gewesen sein, seine exakten Maße müssen noch ermittelt werden. Erfreulich ist, dass nicht nur der aus alten Berichten bekannte Friedhof, sondern auch das Reithaus materiell nachgewiesen werden können, das den Hugenotten und den Einheimischen ab 1700 als Kirche diente“, sagt der Archäologe. Neben den zum Teil durch spätere Bau- und Schachtarbeiten gestörten Gräbern und Knochengruben seien zu dem kurfürstlichen Reit- und Stallgebäude gehörende Fundamente und Mauerreste aus Kalkstein und Backstein aufgedeckt worden.

Beim Aushub des Erdreichs haben die Archäologen bisher etwa 25 Gräber entdeckt. Außer den Gebeinen wurden zahlreiche Metallgegenstände, etwa Sarggriffe und Nägel, aber auch Reste von Totenkronen sowie Silbermünzen sichergestellt. „Der kleine Gottesacker war von einer Mauer umschlossen, die 1702/3 auf Kosten der Anwohner gebaut wurde. Wer es sich leisten konnte, ließ sich in der Doppelkirche möglichst nahe dem Altar bestatten, weniger begüterte Gemeindemitglieder wurden außerhalb begraben.“ Wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind, sollen die jetzt geborgenen Gebeine auf Wunsch der Französischen Gemeinde auf einem richtigen Friedhof neu bestattet werden.

Für Uwe Müller und das Landesdenkmalamt helfen die Grabungen, die Vorstellungen vom Zusammenleben der Berliner vor 300 Jahren und von der baulichen Struktur der Stadt weiter zu konkretisieren. Und sie sind ein Baustein zur Geschichte der aus Frankreich wegen ihres Glaubens vertriebenen Hugenotten. Sie teilten sich das zur Kirche umfunktionierte Reithaus mit den alteingesessenen Berlinern, trennten aber den Innenraum durch eine Quermauer ab.

Die Freude an der Doppelkirche dauerte nicht lange, denn schon bald zeigten sich Baumängel. Der Versuch, in der Mitte einen Turm aufzusetzen, führte zu weiteren Schäden, so dass Schinkel ab 1824 das baufällige Haus durch einen Neubau ersetzte. Im Zweiten Weltkrieg beschädigt, wurde das neogotische Gebäude vor über 20 Jahren restauriert. Seither zeigen die Staatlichen Museen zu Berlin in der Friedrichswerderschen Kirche kostbare Zeugnisse der Berliner Bildhauerkunst aus der Schinkelzeit.

Helmut Caspar

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