Schönheit, Anmut und Würde
Neues Buch über Schadows berühmte Prinzessinnengruppe



Schadows Prinzessinnengruppe auf einer vom Meister angefertigten Zeichnung im Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin. (Repro: Caspar)

Zu Weihnachten 1793 gab es in Preußen eine königliche Doppelhochzeit. Kronprinz Friedrich Wilhelm und sein jüngerer Bruder Ludwig heirateten die aus Mecklenburg-Strelitz stammenden Prinzessinnen Luise, die spätere Königin von Preußen, und ihre Schwester Friederike. Ganz Berlin war auf den Beinen, man überschlug sich in Lobpreisungen für die beiden Schwestern, die durch ihre Schönheit, Anmut und Würde auch den regierenden König Friedrich Wilhelm II., einen erklärten Frauen- und Musenfreund, bezauberten. Bald schon erhielt der Hofbildhauer Johann Gottfried Schadow den ehrenvollen Auftrag, eine Doppelstatue des engelhaften Schwesterpaars als Vorlage für Statuetten zu schaffen, die in der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin angefertigt werden sollten. Schadow nahm den Auftrag freudig an und machte sich ans Werk.

Wie das geschah und welche künstlerischen und administrativen Hürden genommen werden mussten, bis mit dem in Marmor ausgeführten Doppelstandbild der beiden Prinzessinnen Luise und Friederike eine Ikone klassizistischer Bildhauerkunst entstanden war, schildert der Kunsthistoriker und Sprachwissenschaftler Reimar F. Lacher in dem jüngst erschienenen Buch „Schadows Prinzessinnengruppe – Die schöne Natur“ aus dem Berliner Verlag Berlin Story. Der Autor fasst alles Bekannte über das berühmte Doppelstandbild zusammen, das die Besucher der Alten Nationalgalerie auf der Berliner Museumsinsel begrüßt – und bietet aufgrund von Aktenstudien und Auswertung zeitgenössischer Berichte viel neues Wissen dar. Das macht das Buch zu einem wichtigen Nachschlagewerk für alle diejenigen, die das Werk des großen Bildhauers und Akademiedirektors Schadow lieben und ein Faible für die Königin Luise und ihre vom Schicksal nicht gerade freundlich behandelte Schwester Friederike haben. Da 2010 Luises zweihundertster Todestag gefeiert wird, stellt Lachers Buch gewissermaßen einen Vorgriff auf die Gedenkveranstaltungen dar, bei denen auch das politische und soziale Engagement der Frühverstorbenen zur Sprache gebracht wird.

Schon bald nach der Auftragsvergabe an Schadow starb Prinz Ludwig, der Gatte von Friederike. Die junge Witwe trauerte nicht lange und tröstete sich mit jungen Herren der preußischen Hofgesellschaft, heiratete 1798, aus Berlin verbannt, ein zweites und 1815 ein drittes Mal und wurde sogar 1837 Königin von Hannover. Schadows Prinzessinnen, die sich liebevoll und überhaupt nicht majestätisch aneinander schmiegen, kamen beim Publikum gut an. Der Meister fertigte eine überlebensgroße Version, eben jene in der Nationalgalerie ausgestellte Gruppe, deren originales Gipsmodell in der Friedrichswerderschen Kirche steht. Doch während alle Welt dem Meister Beifall spendete, war Luises Gatte, der 1797 als Friedrich Wilhelm III. den Thron bestieg, alles andere als amüsiert. Er empfand das Bildwerk als „fatal“ und wies ihm einen entlegenen Winkel im Berliner Schloss zu. Die Ablehnung mag mit der wenig majestätischen Darstellung der Prinzessinnen zu tun gehabt haben, hing aber auch mit der Rolle zusammen, die die lebenslustige Friederike als „Dame mit Vergangenheit“ in den Augen des sittenstrengen Königs spielte. Erst in der Kaiserzeit holte man die Prinzessinnengruppe aus ihrem Versteck, und jetzt erkannte man endlich ihre Bedeutung als Meilenstein der Kunstgeschichte an. In zahllosen großen und kleinen Nachbildungen verbreitet, ist Schadows Meisterwerk volkstümlich im wahrsten Sinne des Wortes. Das Buch liefert dazu viel Lesestoff und manche Einsichten in den preußischen Kunstbetrieb vor 200 Jahren. Es hat 172 Seiten und zahlreiche Abbildungen und kostet 14,95 Euro (ISBN 13 978-3-929829-67-9).

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