Bahnhöfe wurden wie Paläste gestaltet -
Neues Buch über die Schönheiten der Berliner Hoch- und Untergrundbahn


Elemente des Jugendstils haben sich besonders schön am U-Bahnhof Bülowstraße im Bezirk Tiergarten erhalten.


Biagia Bongiorno und Landeskonservator Jörg Haspel haben bei der Schaffung des neuen U-Bahn-Buches eng zusammengearbeitet. (Fotos: Caspar)

Rund 2,5 Millionen Fahrgäste werden täglich von der Berliner U-Bahn befördert. Vor über einhundert Jahren geschaffen, ist sie das älteste Verkehrsmittel dieser Art in Deutschlands und eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges dazu. Rund 80 zum Teil noch aus der Kaiserzeit und den Jahren zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg errichtete Bahnhöfe stehen wegen ihrer besonderen Gestaltung und ihres verkehrsgeschichtlichen Wertes unter Denkmalschutz; das ist etwa die Hälfte des Berliner Bestandes. Die schönsten und baugeschichtlich bedeutendsten Anlagen erfasst der neue Bild-Text-Band „Verkehrsbauten in Berlin – Die Bahnhöfe der Berliner Hoch- und Untergrundbahn“, den das Landesdenkmalamt Berlin unlängst herausgegeben hat. Verfasserin ist die am Lehrstuhl Stadt- und Regionalplanung der TU Berlin tätige Kunsthistorikerin Biagia Bongiorno. Die begeisterte U-Bahn-Fahrerin hat in dem Denkmalinventar alle wichtigen Daten und Fakten zur Berliner U-Bahn-Geschichte zusammengetragen und bietet, quasi von Station zu Station fahrend, Porträts der denkmalgeschützten Bauten an.

Beim Lesen erfährt man, dass um 1900 die Anfänge der, wie man damals sagte, Hoch- und Unterpflasterbahn alles andere als einfach waren, ja dass es erhebliche Widerstände gab, weil Politiker und Hausbesitzer eine Verschandelung der kaiserlichen Reichshauptstadt und eine Entwertung der Baugrundstücke durch die Verkehrstrassen und die darauf fahrenden Züge befürchteten. Außerdem nahm man an, dass U-Bahn-Tunnel das unterirdische Kanal- und Leitungssystem in Mitleidenschaft ziehen könnten. Die Bedenken waren schnell vergessen. Das bequeme und ungewöhnlich schnelle Verkehrsmittel eroberte sich rasch die Herzen der Berliner und ihrer Gäste. Es gewann zusätzliche Bedeutung, weil es Vororte und damals noch selbstständige Städte, etwa Charlottenburg, Spandau oder Wilmersdorf, mit der Innenstadt verband und so den Weg zur Bildung der Vier-Millionen-Metropole Groß-Berlin im Jahr 1920 bereitete.

Die mit vielen historischen und aktuellen Fotos sowie Zeichnungen und Plänen ausgestattete Publikation zeigt, dass U-Bahnhöfe mehr als bloße Haltepunkte waren und sind. Sie demonstriert zugleich deren hohe künstlerische Qualität, denn man legte in der Kaiserzeit und danach großen Wert auf repräsentative Gestaltung der Bauten übertage und der Bahnsteige untertage. Mit Absicht seien die Eingänge wie Paläste gestaltet worden, und man habe nicht mit Säulen, Mosaiken, Wandgemälden und Skulpturen gespart, erläutert Biagia Bongiorno. „Der gestalterische Aufwand verhalf dem zunächst ungewohnten Verkehrsmittel zu mehr Akzeptanz bei der Bevölkerung, vor allem dort, wo die Untergrund- und Hochbahn ihren Weg durch so genannte gutbürgerliche Viertel nahm.“ Viele Ausstattungsstücke im Jugendstil und den Formen der Neuen Sachlichkeit seien durch Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg und unsensible Modernisierungsmaßnahmen danach verloren, manches aber sei erhalten geblieben und restauriert worden.

Biagia Bongiornos Buch lädt ein, die alten und die neuen Bauten zu besichtigen und sich auch in gestalterische Details zu vertiefen. Es richtet sich nicht nur an U-Bahn-Fans und solche, die sich beruflich mit Bahnhöfen, Verkehrsbauten und ganz allgemein mit der Eisenbahn befassen. Der repräsentative Band ist zugleich ein informatives Nachschlagewerk für Touristen, von denen man weiß, dass sie oft und gern die S- und die U-Bahn benutzen und ihren Bauten Bewunderung zollen.

Wie Andreas Sturmowski, der Vorsitzende des Vorstands der BVG, bei der Buchvorstellung erklärte, arbeitet das Unternehmen eng mit dem Landesdenkmalamt bei der Sanierung und Restaurierung der Bahnhöfe zusammen. Man sei zuversichtlich, die Arbeiten im Jahr 2020 abschließen zu können. Der Band über die Bahnhöfe der Berliner Hoch- und Untergrundbahn erschien im Michael Imhof Verlag Petersberg. Er hat 198 Seiten sowie zahlreiche Fotos und kostet 24,95 Euro (ISBN 978-3-86568-292-5).

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