Aktion Schiebertod -
Vor 50 Jahren, am 13. Oktober 1957, wurden in der DDR und Ost-Berlin schlagartig alte gegen neue Banknoten umgetauscht



Die bei der „Aktion Blitz“ schlagartig umgetauschten Geldscheine wurden in der Nähe von Moskau gedruckt. Sie ähneln den Banknoten von 1948, tragen aber die Jahreszahl 1955. (Foto: Caspar)

Nach dem Zweiten Weltkrieg bezahlte man in den vier Besatzungszonen zunächst mit alten Reichsbanknoten, die kaum Wert hatten. Sie hatten geringe Kaufkraft und waren in reichlichem Maß vorhanden. Am 18. Juni 1948 wurde in den drei Westzonen und im Westteil Berlins das alte Reichsgeld in neue Banknoten umgetauscht, die in der US-Wertpapierdruckerei Washington hergestellt worden waren. Lange nicht gesehene Waren lagen von einem Tag zum anderen in den westdeutschen und Westberliner Schaufenstern, und wer genug von der neuen Deutschen Mark hatte, konnte sich manche Träume erfüllen. Der westlichen Währungsreform folgte fünf Tage später eine weitere in der Sowjetischen Besatzungszone und im sowjetisch besetzten Teil Berlins, den man dort offiziell den demokratischen Sektor von Groß-Berlin nannte. Nachdem der sowjetische Versuch gescheitert war, die Ostwährung auf die Viersektorenstadt Berlin auszudehnen, erklärte Stalin die Blockade der drei Westsektoren, die jedoch von den Westmächten durch die Luftbrücke unterlaufen wurde und erst in der Nacht zum 12. Mai 1949 endete.

Da man in Ostdeutschland und Ost-Berlin zunächst keine neuen Banknoten besaß, wurden die alten Reichsmarknoten durch Aufkleben briefmarkenähnlicher Kupons zu neuem Geld deklariert. Diese „Kuponmark“ wurde alsbald gegen neues, in der Sowjetunion gedrucktes Geld mit der Jahreszahl 1948 umgetauscht. In den Wechselstuben auf westlicher Seite gleich an der Sektorengrenze konnte man dieses Ostgeld in Stückelungen zwischen 50 Pfennig und 1000 Mark in Westgeld zu einem Kurs von 5 zu 1 oder höher tauschen, selbstverständlich war der Umtausch auch umgekehrt möglich. In den Nachrichten des RIAS, also des Rundfunks im Amerikanischen Sektor, wurden die täglichen Kurse gleich nach dem Wetterbericht bekannt gegeben.

Viel Bargeld im Sparstrumpf
Lange konnte und wollte die DDR-Regierung diesen Praktiken nicht tatenlos zusehen. Schon in den frühen 1950er Jahren kursierten Gerüchte, nach denen die Ost-Scheine von 1948 gegen neues Geld umgetauscht werden sollen. Verwirklicht wurde der hochgeheime Plan jedoch erst am 13. Oktober 1957 unter der Codebezeichnung „Aktion Blitz“. Offiziell sollte mit der Maßnahme Schiebern und Spekulanten in West-Berlin und Bundesrepublik Deutschland, die im Besitz größerer Mengen von DDR-Bargeld waren, ein Schlag versetzt werden. In Wirklichkeit aber wollte die DDR-Regierung Teile des privaten Bargeldvermögens in der DDR abschöpfen, denn die besorgniserregende Aufblähung des Bargeldumlaufs hielt der Produktion und dem Angebot in den ostdeutschen Läden nicht stand. Weil man für sein Geld nicht das kaufen konnte, was man haben wollte, gab es großen Unmut in der Bevölkerung. Hunderttausende Menschen kehrten der DDR den Rücken, weil die Lebensbedingungen und der politische Druck nach der Niederschlagung des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 und unter dem Eindruck der Kollektivierung der Landwirtschaft nach sowjetischem Vorbild sowie durch die Enteignungen mittelständischer Betriebe unerträglich wurden.

Ungeachtet der durchschnittlich geringen Löhne und Gehälter hatte sich in der DDR auf Konten und im Sparstrumpf viel Bargeld angesammelt. Dieser Überhang war auch ein Grund, weshalb so viel Ostgeld in den Westen abwanderte. Dort bekam man wenigstens das, was man in der DDR vermisste, auch wenn man umgerechnet dafür sehr viel Ostgeld hinblättern musste. Der Geldabschöpfung dienten übrigens die vielen HO-Läden, später die Exquisit- und die Delikat-Geschäfte sowie überhöhte Preise für alles, was nicht alltäglicher Grundbedarf, Mieten und Fahrpreise war.

Die „Aktion Blitz“, im Volksmund auch „Aktion Schiebertod“ genannt, lief nach einem geheimen Fahrplan ab, der den Beteiligten ganz kurzfristig bekannt gegeben wurde. Im Radio teilte Ministerpräsident Otto Grotewohl am Morgen jenes 13. Oktober 1956 mit: „Der Ministerrat hat in dieser Nacht einstimmig eine Verordnung beschlossen über die Ausgabe neuer Banknoten und die Außerkraftsetzung bisher gültiger Banknoten“. Begründet wurde die Maßnahme offiziell damit, „weil uns seit langem bekannt ist, dass Monopolisten und Militaristen in Westdeutschland gewisse Mengen unserer Banknoten in ihren Besitz gebracht haben...Es liegt also im Interesse der Bürger der Deutschen Demokratischen Republik und des demokratischen Sektors von Groß-Berlin, unsere Banknoten, die sich im Besitz westdeutscher und Westberliner kapitalistischer Kreise und Agentenorganisationen befinden, wertlos zu machen. Natürlich muss die Umtauschaktion schnell und in kürzester Frist erfolgen“.

Die plombierten Pakete mit den in der Nähe von Moskau gedruckten Geldscheinen zu 5, 10, 20, 50 und 100 Deutsche Mark wurden im Laufe jenes Sonntagvormittags unter polizeilicher Bewachung an alle Städte und Gemeinden in der DDR und in deren Hauptstadt Berlin geschafft. Von 12 bis 22 Uhr hat man in Banken, Sparkassen, Schulen, Rathäusern und ähnlichen Gebäuden die neuen gegen alte Scheine umgewechselt. Das neue Papiergeld ähnelte ungefähr jenem von 1948, nur waren darauf der Ausgabeort Berlin und die Jahreszahl 1955 vermerkt. Warum 1955 auf den Scheinen steht und nicht 1957, ist nicht geklärt. Möglicherweise war die „Aktion Blitz“ schon für 1955 geplant. Nicht in der neuen Serie enthalten waren die untersten Werte zu 50 Pfennig sowie 1 und 2 Mark, weil diese Scheine von 1948 weiterhin ihre Gültigkeit behielten.

Umgetauscht wurde bis zu einem Bargeldbetrag von 300 Mark im Verhältnis 1 zu 1. Höhere Beträge wurden eingezogen und auf ein Sperrkonto eingezahlt, über das man ab dem 19. Oktober 1957 verfügen konnte. Dies allerdings nur, wenn die „Rechtmäßigkeit“ des Besitzes überprüft war. Ansonsten wurden Spareinlagen und andere Konten automatisch umgestellt.

Reduzierter Bargeldbestand
Sicher hat es DDR-Bewohner gegeben, die einen Teil ihres Bargeldes vorsichtshalber nicht zur Umtauschstelle brachten, um nicht in den Verdacht zu geraten, zu den so genannten Schiebern und Spekulanten zu gehören oder Schwarzgeld zu besitzen. In einen solchen Verdacht zu kommen, konnte schwerwiegende Folgen haben, und es hat damals etliche Prozesse gegeben, die mit hohen Zuchthausstrafen endeten. Durch die Aktion „Schiebertod“ wurde die Kapitalbildung vor allem im Mittelstand reduziert, eine Absicht, über offiziell nicht gesprochen wurde.

Selbstverständlich wurden im Westen Besitzer von DDR-Geld und Inhaber von Wechselstuben getroffen, denn sie konnten ihre DDR-Scheine an jenem Sonntag im Oktober 1957 nicht den ostdeutschen Umtauschstellen anbieten und hielten nun wertloses Papier in Händen. Ökonomen gehen davon aus, dass durch den „Währungsschnitt“ der Bargeldbestand von 5,5 Milliarden DDR-Mark im September 1957 auf 3,4 Milliarden im Dezember 1957 gedrückt wurde. Genutzt hat die als Geheime Regierungssache vorbereitete und dann schlagartig durchgeführte Maßnahme letztlich nicht viel, denn der Umtausch des neuen DDR-Geldes in Wechselstuben florierte weiter und entsprach, wie Stasischnüffler bei Stichproben im Westteil Berlins und entlang der Interzonengrenze feststellten, alsbald dem vor dem 13. September 1957. Die „Aktion Blitz“ erwies sich als Schlag ins Wasser, weil sich an den Versorgungsschwierigkeiten in der DDR grundsätzlich nichts änderte. Nur waren weniger Geldscheine im Umlauf.

Helmut Caspar

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