Sieben Weltwunder - und was geblieben ist -
Die in der Antike aufgestellte Liste wurde immer mal wieder erweitert



Vom Figurenfries des Pergamonaltars blieben stattliche Reste übrig. Ihre Restaurierung wurde vor einiger Zeit abgeschlossen. (Foto: Caspar)

Alles fließt und nichts ist sicher, nicht einmal die Liste der Weltwunder. Unlängst wurde sie weltweit per Internet-Abstimmung um sieben neue Objekte erweitert. Über den Kopf der UNESCO, der Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kunst der Vereinten Nationen, hinweg und gegen ihren Protest haben Millionen per Mausklick Berühmtheiten wie das indische Grabmal Taj Mahal, die Chinesische Mauer und die 38 Meter hohe Christusstatue auf dem Berg Corcovado in Rio de Janeiro zu Weltwundern gekürt. Europa ist mit dem Kolosseum in Rom dabei, das schon in der Antike zu den Weltwundern gerechnet wurde, und der Orient mit den Grabtempeln von Petra. Der amerikanische Kontinent besitzt mit der Inkastadt Machu Picchu und den Mayatempeln von Chichén Itzá gleich zwei „neue“ Weltwunder. Die Kandidatenliste war lang, doch die meisten Vorschläge fielen in der Gunst der Internet-Wähler durch, sogar das königlich-bayerische Schloss Neuschwanstein, zu dem Touristen aus aller Welt pilgern.

In den Rang von „Miraculi Mundi“, also von Weltwundern, wurden in der Antike nur sieben herausragende, durch ihre majestätische Größe, ihre Schönheit oder das verwendete kostbare Material ausgezeichnete Schöpfungen gehoben. Das schloss nicht aus, dass man später weitere sehens- und Merkwürdigkeiten hinzu zählte. Die von einem gewissen Antipatros von Sidon im zweiten vorchristlichen Jahrhundert vermerkten „originalen“ Weltwunder waren die Mauern von Babylon sowie die zu Unrecht der Semiramis zugeschriebenen hängenden Garten in Babylon, die aus Bronze, Elfenbein und Gold gefertigte Zeusstatue des Phidias in Olympia, der Artemis-Tempel in Ephesos, die Pyramiden in Memphis, das ganz aus Marmor bestehende Mausoleum des Königs Mausolos zu Halikarnassos und schließlich der riesige Helios-Koloss zu Rhodos. Bis auf die altägyptischen Pyramiden sind die antiken Weltwunder zerstört oder nur in Resten erhalten. Gründe dafür waren Erdbeben, Kriege und andere Katastrophen, aber auch Bilderstürmerei und Verfall wegen mangelnder Bauunterhaltung. Der Name Weltwunder ist eigentlich nicht ganz korrekt. Gemeint waren ursprünglich im Griechischen „sieben Schaustücke der bewohnten Welt“. Daraus machte die lateinische Übersetzung „sieben Wunder der Welt“, womit der Begriff Weltwunder geboren war.

Im Laufe der Jahrhunderte kamen weitere Berühmtheiten auf die Liste, so der Altar von Pergamon und der riesige Leuchtturm auf der Insel Pharos vor Alexandria, das wohl höchste Bauwerk der Antike, dessen Trümmer im Meer vor der ägyptischen Metropole vermutet werden, ferner das aus Irrgärten bestehende Labyrinth in Knossos auf Kreta, die Asklepiosstatue in Epidauros, das von Phidias geschaffene Standbild der Athena auf der Akropolis in Athen, das Kapitol sowie das für Gladiatorenspiele genutzte Kolosseum in Rom, und die Kirche Hagia Sophia in Konstantinopel, dem heutigen Istanbul. Damit aber nicht genug, denn in christlicher Zeit hat man die sagenhafte Arche Noah und den Tempel des Salomon in Jerusalem auf die Weltwunder-Liste gesetzt. In der Neuzeit kamen weitere Zuschreibungen dieser Art hinzu, so dass die Liste geradezu inflationär aufgebläht ist.

Natürlich macht es sich heute in der Werbung immer gut und dient dem Tourismus, wenn man ein berühmtes Bau- oder Kunstwerk als Weltwunder apostrophiert, doch wo beginnt man und wo soll die Liste enden? Wird sie nicht durch Aufnahme immer neuer Objekte verwässert, so wie auch die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes inzwischen unüberschaubar lang geworden ist? Sogar das legendäre Bernsteinzimmer im Katharinenpalast zu Sankt Petersburg ist schon als Weltwunder verherrlicht worden. Das vom preußischen Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. seinem russischen Bündnisgenossen Zar Peter I. vor fast 300 Jahren geschenkte Bernsteinzimmer ist seit Ende des Zweiten Weltkriegs verschwunden, existiert aber in einer vor wenigen Jahren angefertigten originalgetreuen Kopie.

Dass man in der Antike nur sieben Weltwunder auswählte und nicht zehn oder zwölf, hat mit der Magie der Zahl sieben zu tun. Sie galt bei vielen antiken Völkern als heilig. So verehrten die Griechen und Römer Sieben Weise, Rom wurde auf sieben Hügeln erbaut, in der christlichen Religion spielen die sieben Todsünden, nämlich Stolz, Geiz, Unkeuschheit, Neid, Unmäßigkeit, Zorn und Trägheit, eine Rolle. Zu nennen sind auch das „Buch mit sieben Siegeln“, die sieben Sakramente, der Siebenschläfer und andere so genannte Siebenheiten wie eben die sieben antiken Weltwunder, die ihre Exklusivität durch Nominierung weiterer und zum Teil jüngerer Bau- und Kunstwerke verloren haben.

Der von deutschen Archäologen im heute türkischen Bergama ausgegrabene Pergamonaltar ist ein solches Weltwunder und zugleich „das“ Highlight auf der Berliner Museumsinsel. Bereits in der Antike wurde das von König Eumenes II. von Pergamon im zweiten vorchristlichen Jahrhundert aufgestellte Siegesmonument zu den Weltwundern gerechnet. Sein prächtiger Fries mit kämpfenden Göttern und Giganten wurde vor einigen Jahren gereinigt und restauriert. Ungeachtet des Weltwunder-Adels gingen rohe Völkerschaften mit dem Kunstwerk rabiat um. Nach dem Abzug der Römer, die ab dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert herrschten, haben die neuen Bewohner mit den Kultstätten auf dem Burgberg von Pergamon nicht viel anfangen können. Sie nutzten die Säulen, Treppen und anderen Architekturteile, aber auch die marmornen Figuren und Reliefs als Rohstoff für die Kalkherstellung. Glücklicherweise wanderte nicht alles in den Brennofen, und so fanden der Deutsche Carl Humann und andere Archäologen bei ihren Ausgrabungen im späten 19. Jahrhundert noch erhebliche Reste jener figürlichen Pracht. Auf Grund von Abmachungen zwischen der miteinander befreundeten türkischen und deutschen Regierung kamen Figuren und Reliefteile aus Pergamon in das kaiserliche Berlin. Auf der Museumsinsel wurde für sie ein eigenes Museum errichtete, erst ein provisorischer Bau, dann zwischen 1907 bis 1930 mit langen Unterbrechungen das jetzige Pergamonmuseum. In den kommenden Jahren wird es Bau bei laufendem Besucherverkehr saniert und restauriert. Niemand muss in dieser Zeit auf den Pergamonaltar, ein Wunderwerk antiker Bildhauerkunst, verzichten. Die Staatlichen Museen achten streng darauf, dass die Reliefs unter den Ausdünstungen der Besuchermassen nicht leiden müssen. Ob die Touristenströme den neu ernannten Weltwundern gut tun, ist sehr zu bezweifeln. Die Chinesische Mauer, so hört man, sieht nur wenige Kilometer von Peking entfernt gut und authentisch aus, was dann kommt und die Touristen nicht mehr erreicht, ist dem Verfall preis gegeben. Der Weltwunderstatus ist eben nicht alles.

Helmut Caspar

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