Scherben bringen Glück -
Brandenburger Sankt-Pauli-Kloster wird Archäologisches Landesmuseum


Als Archäologisches Landesmuseum wird das wiederhergestellte Sankt-Pauli-Kloster in Brandenburg an der Havel genutzt.
(Foto: Caspar)

Der Wiederaufbau des im Zweiten Weltkrieg zerstörten St.-Pauli-Klosters in der Nähe der Neustädtischen Heidestraße in Brandenburg an der Havel ist beendet, der mittelalterliche Komplex in der Brandenburger Neustadt wird in ein Archäologisches Landesmuseum umgewandelt. Für die Baumaßnahmen und die Einrichtung des Museums wurden 14,1 Millionen Euro aufgewandt. Die Hälfte des Betrags kommt von der Europäischen Union, beteiligt sind ferner der Bund, das Land und die Stadt Brandenburg. Die feierliche Eröffnung der Ausstellung, in der Zeugnisse von über zehntausend Jahren menschlicher Geschichte gezeigt werden, ist für den 30. November 2007 geplant, vom Tag danach steht die neue Attraktion in der über tausend Jahre alten Domstadt dem Publikum offen.

Schaufenster in die Geschichte
Mit der Dokumentation erhält das von Markgraf Otto dem Langen im Jahr 1286 gestiftete Dominikanerkloster, das Ende des Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört wurde, danach aber als Halbruine stehen blieb, eine neue, interessante Aufgabe, wie der brandenburgische Landesarchäologe Franz Schopper erklärt. Für ihn ist das Pauli-Kloster so etwas wie ein Schaufenster in die Geschichte. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten hätten die Archäologen im Land Brandenburg im Zusammenhang mit Baumaßnahmen, der Anlage von Straßen und der Verlegung von Versorgungstrassen sehr viel erkundet und ausgegraben. Bei den Untersuchungen sei eine ungeheure Fülle von aussagestarken Bodenfunden ans Tageslicht gekommen. Die Fundstücke aus Stein, Keramik, Metall und organischen Materialien würden zwar in Wünsdorf (Landkreis Teltow-Fläming), dem Standort des Landesdenkmalamtes und seines Bereichs Bodendenkmalpflege, untersucht und deponiert. Bisher aber habe eine Ausstellung gefehlt, die der historischen und wissenschaftlichen Bedeutung dieser wertvollen und für die Geschichte des Landes Brandenburg aussagestarken Hinterlassenschaften entspricht. „Endlich können wir in den großartigen Räumen des ehemaligen Dominikanerklosters die bedeutendsten Funde von der Oder bis zur Elbe, von der Niederlausitz bis zur Uckermark präsentieren, ergänzt durch Leihgaben aus dem Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte und dem Münzkabinett der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz sowie der Stiftung Stadtmuseum Berlin“.

In der nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen gestalteten Dauerausstellung wird anhand von archäologischen Fundstücken, Videoinstallationen, Modellen, Schautafeln und anderen Mitteln die Breite und Vielfalt der kulturgeschichtlichen Entwicklung der Region von der Steinzeit bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts dokumentiert. Die Bandbreite reicht von den Steinwerkzeugen der Jäger und Sammler über Metallgegenstände aus der Bronze- und Eisenzeit bis zu Zeugnissen bürgerlicher Lebenswelten in den Städten der Mark Brandenburg. Ausgelegt sind darüber hinaus Hinterlassenschaften, die die Archäologen in den nationalsozialistischen Konzentrations-, Gefangenen- und Arbeitslagern freigelegt haben. Diese Stücke bilden den zeitlichen Schlusspunkt der Dokumentation. Sie wird durch die Schilderung des archäologischen Alltags ergänzt. Zu sehen ist, wie die Spezialisten mit Spaten, Kelle, Pinsel und anderen Handwerkszeugen menschlichen Siedlungsspuren, Gräbern und anderen Örtlichkeiten zu Leibe rücken und sie zum „Sprechen“ bringen. Außerdem wird gezeigt, wie die oft sehr fragilen Fundstücke aus den unterschiedlichsten Materialien konserviert und restauriert werden. Mit solchen Einsichten in die Werkstatt der Archäologen wirbt die Ausstellung für den sorgsamen Umgang mit historischen Werten und sie zeigt zugleich, was die Bodendenkmalpflege zur Klärung geschichtlicher Ereignisse sowie gesellschaftlicher und kultureller Phänomene und damit zur Bereicherung und Präzisierung unseres Geschichtsbildes beizutragen vermag.

Nach den Worten des brandenburgischen Landesdenkmalpflegers Detlef Karg trägt die Innengestaltung des neuen Museum der bewegten Geschichte der ehemaligen Klosteranlage Rechnung. Sie verbinde den Blick auf archäologische Fundstücke mit Einsichten in klösterliche Lebenswelten. Durch Verzicht auf nicht zwingend erforderliche Zwischenwände und bevorzugte Verwendung transparenter Materialien soll der historische Baubestand weitgehend sichtbar bleiben.

Spuren der Vergangenheit
Die neue Dauerausstellung wird zur Zeit in dem zum Kloster gehörenden Konventsgebäude eingerichtet, hingegen sind für die eindrucksvolle Klosterkirche Sonderausstellungen sowie Konzerte und andere Veranstaltungen vorgesehen. Damit erhält Brandenburg an der Havel eine Perle der Backsteingotik zurück. Von der aus dem 14. Jahrhundert stammenden Klosterkirche standen jahrzehntelang nur die Umfassungsmauern. Anfang 2004 begann ihr Wiederaufbau mit der Beseitigung des üppig wuchernden Pflanzenwuchses in dem nach oben offenen Gottesdienstraum. Nach den strengen Vorgaben des Denkmalschutzes wurden Pfeiler und Gewölbe restauriert, die Klosterkirche bekam ihr Dach und den in der Renaissance-Zeit neu gestalteten Turm zurück. Ein besonderes Erlebnis wird der Kreuzgang sein, der den Hof umschließt. In seiner vollständigen Erhaltung sucht er im Land Brandenburg seinesgleichen. An den Wänden aufgestellte Epitaphien belegen, dass die Klosterkirche die Grablege wohlhabender Bürger der alten Domstadt war. Beim Wiederaufbau des St.Pauli-Klosters hat die Denkmalpflege streng darauf geachtet, dass die Spuren wechselvoller Vergangenheit und speziell die Wunden des Zweiten Weltkriegs sichtbar bleiben.

Die archäologische Schausammlung wird, über drei Stockwerke verteilt, in dem zum Klosterkomplex gehörenden Konventgebäude auf rund 2000 Quadratmetern Ausstellungsfläche präsentiert und ist chronologisch in elf Abschnitte gegliedert. Einer wird sich mit den reichen Funden befassen, die bei Bauarbeiten in Altstädten wie Brandenburg an der Havel, Cottbus, Frankfurt an der Oder, Lübben und Potsdam ans Tageslicht kamen. In einem anderen Ausstellungsteil erfährt man etwas über die Lebensweise und die Unterkünfte der Slawen vor der Christianisierung der Region, ein dritter Abschnitt stellt, nur um ein Beispiel herauszugreifen, kostbare Münzschätze vor, die in den vergangenen Jahren gehoben wurden.

Die zeitliche Einteilung der Exponate soll den Besuchern die Zeitorientierung und eigene Positionsbestimmung erleichtern. Die Kulturgeschichte Berlin-Brandenburgs, aber auch die Arbeit des Landesdenkmalamtes werde so dem Besucher umfassend, verständlich und spannend nahe gebracht, erläutert der Archäologe Dieter Nitsche vom Landesdenkmalamt das Konzept. Ein multimedialer Bereich werde es gerade auch jungen Besuchern ermöglichen, sich anschaulich, ja spielerisch der Geschichte und der Lebensweise unserer Vorfahren zu nähern.

Wunde geschlossen
Mit dem Wiederaufbau und der Sanierung des jahrzehntelang als Ruine dahinsiechenden Klosters wird in Brandenburg an der Havel eine empfindliche städtebauliche Wunde geschlossen. Die Scherben bringen der Stadt Glück, meint Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann, die selber aus dem Baugewerbe kommt und das Projekt mit allen Kräften unterstützt. Sie setzt sich dafür ein, dass wertvolle mittelalterliche Glasmalereien, die lange Zeit Asyl erst in der Brandenburger Gotthardkirche und ab 1975 in der Katharinenkirche gefunden hatten, wieder in das mittlere der drei Chorfenster eingebaut werden. Für die Restaurierung der aus der Zeit um 1330 geschaffenen und im 19. Jahrhundert ergänzten „Bibel für Arme und des Lesens unkundige Menschen“ werden noch Spenden erbeten. „Jeder Euro zählt“, betont die Oberbürgermeisterin. Neben der Dominsel und der Altstadt erhalte die Havelstadt in Gestalt des neuen Landesmuseums eine weitere Attraktion von überregionaler Bedeutung. Der neue Kulturstandort sei eine große Chance für Brandenburg an der Havel und werde sich als wichtiger Anziehungspunkt positiv sowohl auf die Kommune als auch auf die Region auswirken.

Helmut Caspar

Mit "Zurück" zur Themenübersicht "Museen, Denkmalpflege"