„Horch und Guck“ war überall -
Mitarbeiter des Lichtenberger Stasi-Museums wollen Geschichtsstunden in Schulen unterstützen


Museumsleiter Jörg Drieselmann geriet vor über 30 Jahren in die Fänge der Stasi.


Erich Mielkes Räume im Haus 1 sind fast unverändert erhalten. (Fotos: Caspar)

Untersuchungen in Berliner Schulen – und nicht nur dort – haben unter vielen Heranwachsenden erhebliche Wissensdefizite bei der DDR-Geschichte ergeben. Die Kenntnislücken betreffen auch den Geheimdienst des zweiten deutschen Staates. Ab Januar 2008 wollen Mitarbeiter des Stasi-Museums an der Ruschestraße im Bezirk Lichtenberg beim Geschichtsunterricht helfen. Das Interesse an Informationen über die „Krake Stasi“ sei groß, 2007 habe man über 70 000 Besucher gezählt. Das sei für die Gedenkstätte im Haus 1 des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit eine erstaunliche Zahl, sagt Museumsleiter Jörg Drieselmann beim Rundgang durch die Ausstellung. Einen regelrechten Schub habe der mit dem Oscar ausgezeichnete Film „Das Leben der Anderen“ ausgelöst. Viele Besucher, aber auch Anrufer und e-Mail-Schreiber wollten Genaueres über den Sicherheitsapparat wissen. „Dieses Interesse macht uns Mut, jetzt verstärkt in die Schulen zu gehen und aus eigenem Erleben sowie anhand von Bildern, Dokumenten und Sachzeugen zu berichten, mit welchen brachialen Mitteln die Stasi ihren Auftrag, Schild und Schwert der Partei zu sein, erfüllte. Natürlich würden wir es gern sehen, wenn möglichst viele Schülerinnen und Schülern den Weg hierher in die Gedenkstätte finden, aber man kann das nicht von allen erwarten. Deshalb suchen wir sie in ihren Schulen auf und ergänzen den Geschichtsunterricht“, sagt Drieselmann, der wie andere Mitarbeiter des Stasi-Museums leidvolle Erfahrungen mit dem DDR-Geheimdienst sammeln musste.

Mit der Aktion, aber auch mit dem weiteren Ausbau der Ausstellung sowie mit Publikationen und Vorträgen im ehemaligen Amtssitz von Stasi-Minister Mielke möchten die Museumsmitarbeiter der um sich greifenden DDR-Nostalgie sowie Rechtfertigungsversuchen von ehemaligen Stasi-Funktionären entgegen treten. Leider sei das Museum entgegen von Bekundungen aus Politikermund, man wolle alles tun, dass die Erinnerung an die Verbrechen der Stasi nicht verblassen, von Mittelkürzungen betroffen. „Wir würden mehr zeigen wollen und publizieren, doch reicht der Etat nicht aus. Deshalb sind wir mehr denn je auf Eintrittsgelder und Spenden angewiesen. Jeder Euro zählt und hilft weiter; das betrifft auch Dokumente, Bilder und Sachzeugen für unsere Ausstellung, die wir gern aus der Bevölkerung entgegen nehmen“, sagt der Museumschef.

Die ständig mit neuen Exponaten aktualisierte Ausstellung verbindet erschreckende Zeugnisse für die Terrorisierung und Überwachung der Bevölkerung mit Banalem und Alltäglichem. Eine ganze Industrie muss damit beschäftigt gewesen sein, um die technischen Hilfsmittel zur Observierung „feindlich-negativer Elemente“, wie es im Dienst-Jargon hieß, herzustellen. Ab und zu gelingen dem Museum, das zugleich Gedenkstätte ist, interessante Neuerwerbungen. So soll demnächst in der Ausstellung ein seinerzeit von „Horch und Guck“ zur so genannten Inlandsbeobachtung benutzter digitaler Fernsehsender aufgebaut werden. Das Gerät fügt sich ein in eine Sammlung von Kameras, die in Baumstümpfen, Gießkannen, Koffern, in Kleidungsstücken oder Beuteln versteckt waren. Die zum Teil winzigen Relikte sind im Stasi-Museum ebenso zu sehen wie Reste eines Traditionskabinetts, in dem sich Stasi-Leute unverblümt als Speerspitze der SED, ja Elite der DDR beweihräucherten.

Wer von den Wandzeitungsbildern, Parteitagssprüchen und Ergebenheitsadressen sowie von all dem Stasi-Kitsch genug hat, findet so etwas wie Erholung in den ehemaligen Amtsräumen des Ministers. Sie sind im Original erhalten und sehen fast so aus, als sei Erich Mielke gerade von seinem blau bezogenen Sessel aufgestanden, um in einem benachbarten Raum ein Mittagsschläfchen zu halten. Jörg Drieselmann zufolge gebe es keinen Anlass, einen „milden Mantel der Geschichte“ über Mielke und seine Helfer auszubreiten. Deshalb würden sich auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Museums auf neugierige Fragen in Berliner Schulen freuen. Die Forschungs- und Gedenkstätte Normannenstraße im Haus 1 des ehemaligen Stasikomplexes, Ruschestraße 103, 10365 Berlin-Lichtenberg, ist Montag bis Freitag von 11 bis 18 Uhr, am Wochenende von 14 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt 4, ermäßigt 3 Euro, Telefon 030-553 6854, Internet www.stasimuseum.de.

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