Bodenurkunden zum Sprechen gebracht -
Neues Jahrbuch berichtet über Ausgrabungen in Berlin und dem Land Brandenburg



Fundstücke aus dem mittelalterlichen Diepensee waren vor einiger Zeit in Schönefeld zu sehen und fanden großes Interesse. (Foto: Caspar)

Die Archäologen in Berlin und dem Land Brandenburg stehen vor großen Aufgaben, und das bei weiter schrumpfendem Personalbestand und prekärer Finanzlage. Dennoch haben sie sich für 2008 und darüber hinaus viel vorgenommen. Neue Grabungen sind geplant, laufende müssen abgeschlossen werden, und das unter starkem Termindruck. Den Ausgräbern sitzen buchstäblich Stadt- und Regionalplaner im Nacken, und während sie, grob gesprochen, vorn noch Gräber sowie Reste von Brunnen, Abfallgruben und Wohngebäuden frei legen, warten hinten schon die Baufahrzeuge und Bagger, um die Erde abzutragen.

Was 2006 unter oft schwierigen Bedingungen gefunden und aufgemessen wurde, geht aus dem jüngst im Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf vorgestellten „Jahrbuch Archäologie in Berlin und Brandenburg“ hervor. Der nunmehr zwölfte Band dieser deutschlandweit einzigartigen Reihe wurde herausgegeben von der Archäologischen Gesellschaft in Berlin und Brandenburg e. V. mit heute etwa 400 Mitgliedern in Zusammenarbeit mit dem Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseum sowie dem Landesdenkmalamt Berlin. Er erschien im Konrad Theiss Verlag Stuttgart, hat 136 Seiten mit 133, überwiegend farbigen Abbildungen und kostet 26,50 Euro. Gäbe es die Reihe nicht, würde zumindest die breitere Öffentlichkeit nichts über zum Teil sensationelle Ausgrabungen erfahren, und man müsste Jahre, wenn nicht Jahrzehnte warten, bis sich jemand ihrer erbarmt und sie publiziert. So aber werden die die wichtigsten archäologischen Resultate zeitnah und verständlich ausgebreitet.

Der Ort der Buchpräsentation war gut gewählt, denn im Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf werden Fundstücke von der wohl wichtigsten Grabungsstätte der Region ausgestellt. Sie stammen von einem Neubaugebiet in Biesdorf, wo schon vor 2000 Jahren Menschen gesiedelt und aussagestarke Bodenurkunden, wie die Archäologen sagen, hinterlassen haben.

Der Band mit 65 Beiträgen macht eingangs auf das Archäologische Landesmuseum im Paulikloster zu Brandenburg an der Havel aufmerksam, das im Mai dieses Jahres mit einer großen Ausstellung eröffnet werden soll. Darin werden nach Aussage der beiden Landesarchäologen Wilfried Menghin (Berlin) und Franz Schopper (Brandenburg) auch einige Resultate jener Ausgrabungen gezeigt, die in dem neuen Jahrbuch vorgestellt werden. Das Spektrum der Berichte reicht von steinzeitlichen Häusern und Grabstellen bis hin zu bedrückenden Funden aus einer Müllgrube des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen. Grabungen in Diepensee am Rande des künftigen Flughafens Berlin-Brandenburg International ergaben neue Erkenntnisse über frühe brandenburgische Dörfer des Mittelalters, deren Struktur, Befestigung und Bauweise und nicht zuletzt über die Bewohner, ihre Arbeit, Ernährung und Krankheiten. Bei der Durchsicht des Jahrbuches erfährt man einiges über Siedlungen, die im Zusammenhang mit dem Bau der Bundesstraße 5 zwischen Nauen und Wustermark ans Tageslicht kamen und eine Periode zwischen Stein- und Bronzezeit bis zum slawischen Mittelalter repräsentieren. Gezeigt wird auch, was alles im Erdreich unter dem Potsdamer Stadtschloss existierte. Der gleich eingangs erläuterte Fund eines Grabensystems aus der Jungsteinzeit bedeutet für die Archäologen eine große Überraschung. Die Fundstücke und Schichten kamen bei Ausgrabungen zum Vorschein, die dem Wiederaufbau des Stadtschlosses als künftiger Sitz des brandenburgischen Landtages vorangingen.

Eine archäologische Sensation waren kostbare Schwerter aus dem 12. Jahrhundert, die man in einem Grab in Wusterhausen entdeckte. Die außergewöhnlich reiche Bewaffnung und weitere Beigaben deuten auf einen vornehmen Toten und suchen weit und breit ihresgleichen. In die Zeit der napoleonischen Kriege 700 Jahre später führt ein Beitrag, der mit ersten Grabungsergebnissen auf dem Schlachtfeld von Groß Beeren südlich von Berlin im August 1813 bekannt macht. Hier wurden zahlreiche, auf einen erbitterten Abwehrkampf der Preußen deutende Kugeln und andere Metallgegenstände entdeckt. Noch längst nicht ist das Areal untersucht, die Archäologen erwarten von weiteren Grabungen interessante Aufschlüsse über die Schlacht, die die Besetzung Berlins durch die Franzosen verhinderte.

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