Muse der Astronomie als Schutzpatronin -
Seit 120 Jahren bringt die Urania wissenschaftliche Erkenntnisse unters Volk / Festveranstaltung am 3. März



Bildung für alle – das war die Devise der vor 120 Jahren gegründeten Urania. Ihre Sternwarte an der Invalidenstraße 57-62 in Moabit – hier die Gartenfront – und weitere Gebäudeteile wurden Opfer des Zweiten Weltkriegs. Wiederaufgebaute Gebäudeteile werden heute von der Polizei genutzt. (Repro: Caspar)

Wissenschaftliche Kenntnisse unters Volk zu bringen und das allgemeine Niveau auch bildungsferner Schichten zu heben, war Ziel einer Vereinigung, die vor 120 Jahren, am 3. März 1888, im Berliner Ortsteil Moabit aus der Taufe gehoben wurde. Ihr Name Urania erinnert an eine der neun Musen der antiken Mythologie. Dass sich die von Gelehrten, Industriellen, Kaufleuten und anderen Spitzen der Berliner Gesellschaft getragene Vereinigung den Namen der Schutzherrin der Astronomie zulegte, mag von einem im 19. Jahrhundert populären Lehrgedicht „URANIA. Über Gott, Unsterblichkeit und Freiheit“ des Berliner Schriftsteller Christoph August Tiedge stammen. Mit wachsendem Erfolg vermittelte der Verein einer großen Zahl von Interessenten nicht nur aus dem Bildungsbürgertum neue Erkenntnisse über Sterne und das, was die Welt im Inneren zusammenhält, sowie über viele andere, im Zeitalter der Industrialisierung benötigte Kenntnisse.

Die von der Urania ab 1888 betriebene Unterrichtung der Öffentlichkeit über viele Wissenschafts- und Technikgebiete hatte Vorläufer in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Vor allem der Weltreisende und Naturwissenschaftler Alexander von Humboldt hatte sich diese Aufgabe auf die Fahnen geschrieben. Bei seinen berühmten „Kosmos“-Vorlesungen breitete er in der Berliner Singakademie seine bei Expeditionen in allen Weltgegenden gewonnenen Erkenntnisse vor einem begeisterten Publikum aus. Dass sich die Königliche Sternwarte unweit des Halleschen Tors regelmäßig dem an Astronomie interessierten Publikum öffnete, ist ihm und Kollegen zu verdanken. Richtiger Schwung kam in die Entwicklung durch die Gründung einer Volkssternwarte, für die sich der Astronom Wilhelm Foerster stark machte. Der Geheime Regierungsrat nahm Alexander von Humboldts beim Wort, die Naturwissenschaften aus ihrer selber verantworteten Isolation in gelehrten Elfenbeintürmen und Experimentallabors zu holen, ihr Ansehen in der Öffentlichkeit zu stärken und sie aus der Randlage in Gymnasien und Universitäten zu lösen.

Das fiel in der an der Wissenschaftsförderung und technischen Bildung interessierten Kaiserzeit und bei Wilhelm II. persönlich auf fruchtbaren Boden. Dessen Regierung zeigte sich dem Anliegen nicht abgeneigt, mehr Bildung unters Volk zu bringen. Dergleichen konnte für den Industrie- und Wissenschaftsstandort Deutschland nur gut sein. Der preußische Kulturminister Gustav von Goßler stellte 1888 Wilhelm Foerster an der Invalidenstraße auf einem Ausstellungsgelände zwischen Zeustempel und einem Restaurant kostenlos ein ansehnliches Grundstück zum Bau einer Bildungseinrichtung mit Sternwarte, Hör- und Lesesälen sowie Ausstellungsräumen zur Verfügung. Das Geld dafür bekam Foerster nicht vom Staat, sondern von Privatleuten. Am 1. Juni 1891 wurde das Haus eröffnet, und die Begeisterung war groß. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dessen Verlauf das Urania-Gebäude samt Sternwarte von Bomben getroffen worden war, wurde das Gelände enttrümmert, und was sich rekonstruieren ließ, kam in die Nutzung der Polizeiinspektion Tiergarten.

Die in der Nazizeit aus politischen Gründen verbotene Vereinigung erlebte nach 1945 auf unterschiedliche Weise ihre Wiedergeburt. In der DDR war sie, angeleitet von der SED, zuständig für die breite Vermittlung marxistisch-leninistischer Lehren, aber auch ohne ideologische Überfrachtung von neuesten natur- und geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen. Im Westteil Berlins erhielt die Urania ein Gebäude, in dem die vom Nazipropagandaminister Goebbels beherrschte Reichsfilmkammer residiert hatte. Im Haus An der Urania 17, 10787 Berlin, vermittelt der Verein mit heute 2000 Mitgliedern in hunderten Vorträgen und Filmvorführungen aktuelles Wissen jährlich an Zuhörer aus allen Altersstufen. Am 3. März findet bei freiem Eintritt ab 20 Uhr im URANIA-Gebäude eine Festveranstaltung statt, in der der Regierende Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit nicht nur an die Geschichte der 120 Jahre alten Bildungsvereinigung erinnern, sondern auch der frühere Bundesumweltminister und Exekutiv-Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen Klaus Töpfer über „Nachhaltige Entwicklung – Die Friedenspolitik unserer Zeit“ sprechen wird.

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