Das stille Heldentum des Otto Weidt -
Blindenwerkstatt in der Rosenthaler Straße war für viele Juden die letzte Rettung


In den Boden eingelassene Messingtafel weist auf das Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt in der Rosenthaler Straße 39 hin.


Bilder und Dokumente erzählen in der Ausstellung vom Leben in der Illegalität unter dem Schutz des Bürstenfabrikanten Otto Weidt. (Fotos: Caspar)

Das Jüdische Museum Berlin dokumentiert in seiner Dependance „Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt“ in der Rosenthaler Straße 39 unweit des Hackeschen Markts in Berlin-Mitte die Lebenssituation Berliner Juden in den letzten Jahren der Naziherrschaft. Der stark sehbehinderte Fabrikant von Besen und Bürsten war ein entschiedener Nazigegner, er half Juden wo es nur ging, versorgte sie mit Lebensmitteln, Arbeitserlaubnissen und falschen Papieren, ermunterte Vertraute, sich untergetauchter Juden anzunehmen. Indem er Polizisten und Beamte bestach, gelang es ihm, das Leben zahlreicher Jüdinnen und Juden zu retten. Weidt versteckte in seiner weitläufigen Werkstatt in der ersten Etage eines Seitenflügels mehrere von Verhaftung und Deportation bedrohte Menschen. Am Ende der Ausstellung kann man in einen fensterlosen Raum sehen, in dem eine untergetauchte Familie schlief oder sich bei Gefahr versteckte, von einem großen Schrank vor der Tür geschützt.

Anhand von Biographien, Briefen, Gedichten, Fotografien sowie Aussagen von Zeitzeugen und anderen Dokumenten zeichnet die Ausstellung „Blindes Vertrauen“ in der ehemaligen Bürstenfabrik ein erschütterndes Bild der ständig von Entdeckung, Deportation und Tod bedrohten Lage, in der sich Weidts Schützlinge, aber auch er selber und seine Familie befanden. Die Ausstellung würdigt Otto Weidt als einen jener stillen, unbesungenen Helden, die dem totalitären Anspruch des Naziregimes Humanität und Mitleiden entgegensetzten, und sie zeigt an vielen Beispielen, dass es in der Nazizeit couragierte Menschen gab, die ihr Leben aufs Spiel setzten, um anderes Leben zu retten.

Dass es in einem totalen Überwachungsstaat mitten in Berlin möglich war, Juden quasi unter den Augen der Gestapo „verschwinden“ zu lassen, verwundert, lässt sich aber wohl nur dadurch erklären, dass es Lücken im Geflecht gab und sich Menschen listenreich dem Regime entgegen stellten. Otto Weidt wird zu Recht mit Oskar Schindler, dem Helden des Films von Steven Spielberg „Schindlers Liste“ verglichen, der auf ähnlich riskante Weise gefährdeten Menschen half, wobei er die Habgier von Sicherheitsleuten und Beamten auszunutzen verstand. Ohne dass ihm nach der Befreiung eine öffentliche Ehrung zuteil wurde, starb Otto Weidt 1947. Mitarbeiter seiner Bürstenfabrik bestätigen mit eidesstattlichen Erklärungen und warmherzigen Briefen, die in der Ausstellung gezeigt werden, ihr Leben ihm zu verdanken. Der israelische Staat ernannte Otto Weidt 1971 auf Initiative der Schriftstellerin Inge Deutschkron, die in der Weidt’schen Fabrik unter falschem Namen als Hilfsarbeiterin und Sekretärin tätig war und so überlebte, posthum zum „Gerechten der Völker“. Im Hauseingang an der Rosenthaler Straße 39, nicht weit vom S-Bahnhof Hackescher Markt, liegt eine von den vielen darüber laufenden Schuhen ganz blank geputzte Tafel, die an Otto Weidt, den Lebensretter, erinnert. Die Ausstellung ist Montag bis Sonntag von 10 bis 20 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei. Informationen im Internet unter www.blindes-vertrauen.de/, Anmeldungen für Führungen unter 030/285 99 407.

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