Zufluchtsort und Erste Hilfe -
Zwei Erinnerungsstätten erwarten unter dem Dach einer Stiftung bessere Arbeitsmöglichkeiten


Vor dem Notaufnahmelager steht ein unscheinbares Bronzedenkmal in Form eines Koffers. Es versinnbildlicht die Hoffnung unzähliger Flüchtlinge auf einen Neuanfang in Freiheit.


Die Ausstellung schildert, die Flüchtlinge auf engstem Raum zusammenleben mussten. (Fotos: Caspar)

Das Berliner Abgeordnetenhaus wird demnächst über die Gründung der Stiftung Berliner Mauer befinden, in der die Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde und die Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße bessere Arbeitsmöglichkeiten bekommen sollen. Beide Einrichtungen versprechen sich von dem Zusammenschluss eine Verstärkung ihrer Außenwirkung, einen Anstieg der Besucherzahlen sowie mehr wirtschaftliche Sicherheiten. Die Gedenkstätte im ehemaligen Notaufnahmelager an der Marienfelder Allee 66-80 im Bezirk Tempelhof will nach Worten ihres Leiters Helge Heidemeyer das gesamtdeutsche Element betonen und die Kooperation mit der Gedenkstätte Berliner Mauer, dem Stasi-Museum in der Ruschestraße in Lichtenberg, dem Untersuchungsgefängnis des MfS in Hohenschönhausen sowie weiteren Erinnerungsstätten außerhalb Berlins ausbauen. Um die Themen Flucht aus der DDR und Tod an der Mauer besser bekanntzumachen und auch junge Leute für dieses dunkle Kapitel deutsch-deutscher Geschichte zu interessieren, plant die neue Stiftung, auf S- und U-Bahnhöfen Ausstellungen und Plakataktionen sowie Aufklärungskampagnen mit gesprochenen und gespielten Szenen.

Eine Gedenkstätte auf dem Lagergelände, in dem heute Aussiedler aus Osteuropa leben, hält die Erinnerung an die Flucht von insgesamt vier Millionen Menschen wach, die zwischen 1949 und 1990 aus der DDR in den Westen gelangten, wobei allein 1,35 Millionen Flüchtlinge das Notaufnahmelager in Marienfeld passierten. Beim Rundgang durch die Ausstellung ist die Anspannung unter den Flüchtlingen, ihre Furcht vor einer ungewissen Zukunft, aber auch ihre Erleichterung, im Westen sicher angekommen zu sein, zum Greifen nahe. 2005 wurde eine schon recht angegraute Ausstellung von 1993 in einem der Flüchtlingshäuser durch eine neue Dokumentation im ehemaligen Verwaltungsgebäude vorn an der Straße ersetzt. Im Mittelpunkt stehen Schicksale von Flüchtlinge; dazu werden amtliche Schriften und Vernehmungsprotokolle, Fotografien, Briefe, Tagebuchaufzeichnungen und andere persönliche Erinnerungsstücke aus dem Besitz von Zeitzeugen gezeigt.

Laut Helge Heidemeyer werden weiterhin Objekte als Leihgaben oder Geschenke gesucht, die für die Flüchtlinge so wichtig waren, dass sie sie auf ihren oft abenteuerlichen Wegen in den Westen mitnahmen – Spielzeug, Kleidungsstücke, Fotoalben, Uhren, aber auch Gegenstände, die mit dem ersten „Westgeld“ gekauft und als Andenken aufbewahrt wurden. „Viele Besucher werden heute nicht mehr wissen, dass vor der Anerkennung als politische Flüchtlinge hohe Hürden lagen. Manchen Neuankömmlingen wurde der begehrte Status verweigert, weil die dazu vorgetragenen Gründe den Behörden nicht ausreichten“, erklärt Heidemeyer. Die meisten Neuankömmlinge hätten aber bald Arbeit und eine ordentliche Unterkunft bekommen und seien in starkem Maße am westdeutschen Wirtschaftswunder beteiligt gewesen.

Dass man nicht einmal in Marienfelde vor der Staatssicherheit sicher war, schildert die Ausstellung ebenso wie Versuche der DDR-Behörden, Flüchtlinge mit Versprechungen oder mit Gewalt zurückzuholen. Daher standen überall im Notaufnahmelager Schilder, die vor Spitzeln und Provokateuren warnten und die Gefahren schilderten, der sich Flüchtlinge aussetzen, sollten sie unvorsichtigerweise mit der S- oder U-Bahn in den Osten fahren.

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