Zwangsarbeit unter aller Augen -
Neue Ausstellung in der Gedenkstätte Schöneweide dokumentiert Zusammenhang von Lagerhaft und Kriegsindustrie



Nach der Wiedervereinigung leer stehend, wurde das ehemalige Zwangsarbeitslager Schöneweide unter Denkmalschutz gestellt und in eine Gedenkstätte umgewandelt. (Foto: Caspar)

Es dauerte fast 50 Jahre, bis an der Britzer Straße im Berliner Ortsteil Schöneweide das letzte noch komplett erhaltene Zwangsarbeiterlager Berlins für die Geschichtswissenschaft, den Denkmalschutz und ganz allgemein für die Öffentlichkeit entdeckt wurde. Die Steinbaracken waren während des Zweiten Weltkriegs mitten in einem Wohngebiet für mehr als 2000 ausländische Gefangene gebaut worden. Trotz mancher Veränderungen ist der ursprüngliche Charakter der Anlage noch deutlich erkennbar. Eine Gedenktafel berichtet, dass es rund tausend Zwangsarbeitslager in Berlin und einhundert allein im Bezirk Treptow gegeben hat, und unterstreicht, dass Ausbeutung und Rassismus die Würde dieser Menschen zutiefst verletzt haben. Die letzte der Berliner Zwangsarbeiter-Unterkünfte wurde 2005 und 2006 in ein Dokumentationszentrum verwandelt. Zwei Baracken dienen als Ausstellungs- beziehungsweise als Seminar- und Bürogebäude, weitere noch leer stehende Häuser sollen für diese Zwecke hergerichtet werden. Ein neuer Ausstellungsabschnitt berichtet über die Schicksale von Tschechoslowaken, die zur Zwangsarbeit gepresst wurden und wertvolle Jahre ihres Lebens verloren. Viele von den 450 000 in deutsche Zwangsarbeitslager verschleppte Tschechoslowaken haben die Befreiung nicht erlebt, ist zu erfahren. Die Ausstellung schildert zahlreiche Einzelschicksale und ruft damit ein bisher noch wenig beachtetes Kapitel aus der Geschichte der Nazidiktatur ins Gedächtnis, wie Christine Glauning, die Leiterin der Gedenkstätte erklärt. Sie legt auch dar, dass viele Überlebende nach Anerkennung ihres Status als Zwangsarbeiter Entschädigungen erhalten haben.

Wie es den aus Polen, der Sowjetunion, der Tschechoslowakei und anderen Ländern verschleppten Menschen erging, die für den Feind arbeiten mussten und ständiger Todesgefahr ausgesetzt waren, schildern im Ausstellungsraum Zitate an der Wand. Da ist von Kälte und Hunger, von Drangsalierungen und Ungewissheit, von Angst und Hoffnung auf Befreiung die Rede. Viele Männer, Frauen und Kinder waren von der Straße weg verhaftet, in Eisenbahnzüge gepfercht und ins „Altreich“ verschleppt worden, um die Kriegsindustrie am Laufen zu halten, die unter großem Arbeitskräftemangel litt. „Ich musste drei Automaten bedienen. Es ist mir schwer gefallen, weil ich zu klein war“, berichtet in der Ausstellung eine ehemalige Gefangene, und eine andere beklagt „Sie haben dagesessen und Zigarren geraucht. Damit sie unsere Hände und Zähne prüfen konnten, mussten wir uns nackt ausziehen“. Eine dritte gibt zu Protokoll: „Ich habe am Straßenrand gestanden, weil die SS-Leute mich erschießen wollten. Entweder töte ich dich, oder ich vergewaltige dich – das war die Alternative“.

Die nicht weit vom S-Bahnhof Schöneweide unter den Augen der Anwohner zusammengepferchten Zwangsarbeiter sollten ursprünglich beim Aufbau der „Welthauptstadt Germania“ nach Plänen von Hitler und seines Stararchitekten Albert Speer eingesetzt werden, mussten aber in der Kriegsindustrie und beim Straßenbau schuften oder waren als billige Arbeitskräfte in umliegenden Betrieben und beim Luftschutz eingesetzt. Das Lager Schöneweide, das eng mit dem Industriestandort Ober- und Niederschöneweide/Johannisthal in Verbindung stand, ist die erste Gedenkstätte dieser Art in Deutschland. In ihr wird anhand von Schrifttafeln und Hinterlassenschaften der Sklavenarbeiter und ihrer SS-Wächter die räumliche und inhaltliche Nähe von Zwangsarbeit und Kriegswirtschaft veranschaulicht. Unter dem Dach der Stiftung Topographie des Terrors tätig, ergänzt die Dokumentationsstätte die schon existierenden authentischen Orte nationalsozialistischer Verbrechen in Berlin. Dass die Baracken nach dem Krieg erhalten blieben, ist ihrer Nutzung unter anderem durch ein Impfstoffinstitut der DDR zu verdanken.Die Gedenkstätte ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei.

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