„Am 13. gab’s roten Pfeffer...“ -
Neues Buch über die Mauer
und die innerdeutsche Grenze



Vor dem Haus am Checkpoint Charly in der Friedrichstraße erinnert ein originaler Pfosten mit DDR-Wappen an das unmenschliche Grenzregime entlang der Berliner Mauer und an der innerdeutschen Grenze. (Foto: Caspar)

Immer wenn der 13. August naht, wird die Frage gestellt, wie es zum Bau der Berliner Mauer kam und was aus ihr geworden ist. Ein neues Buch von Wieland Führ schildert wenig bekannte Tatsachen und zeigt viele unbekannte Bilder. Dass es schon vor jenem 13. August 1961 umfangreiche Absperrmaßnahmen entlang der innerdeutschen Demarkationslinie gegeben hat und DDR-Bewohner bis zu diesem Zeitpunkt nur noch in der Viersektorenstadt Berlin einigermaßen gefahrlos fliehen konnten, ist heute nur noch wenig bekannt. Der Band schildert die verzweifelten Mühen der SED-Führung und der DDR-Regierung schon in den frühen 1950er Jahren, ihre Untertanen mit politischen und administrativen Mitteln, aber auch mit praktischen Sperrmaßnahmen und Blockaden vor der Flucht in den Westen abzuhalten und diejenigen, die den Schritt gewagt haben, als Verräter zu verteufeln.

Wieland Führ schildert in seinem faktenreichen Buch den Ausbau der anfangs noch recht einfachen und unübersichtlichen Sperranlagen zur wohl bestgesicherten High-Tech-Grenze der Welt. Er vermittelt Einsichten in das immer perfekter ausgebaute Sicherungssystem und die Schaffung eines breiten menschenleeren Streifens entlang der so genannten Staatsgrenze West. So wurden schon 1952 tausende Menschen bei der „Aktion Ungeziefer“ über Nacht umgesiedelt und verloren ihr Hab und Gut. Ins Bild der unbarmherzigen Sicherung des DDR-Systems passen sich ausgeklügelte Maßnahmen der Grenz- und Stasiorgane ein, Fluchtwillige schon im Vorfeld zu verhaften. Bereits 1957 wurde „Republikflucht“ zum Verbrechen erklärt, das heißt der Versuch, das Arbeiterparadies DDR illegal zu verlassen. Dementsprechend füllten sich die Zuchthäuser und Stasi-Gefängnisse.

Millionen Menschen haben sich vor dem Mauerbau von Drohungen nicht abschrecken lassen und gelangten auf zum Teil abenteuerlichen Wegen in den Westen. Ihre Motive für das Verlassen der Heimat waren zumeist politischer und wirtschaftlicher Natur. Eine spürbare Besserung der Verhältnisse im Inneren und eine Abkehr vom Ziel der SED, den Sozialismus aufzubauen, koste es was es wolle, hätte viele Fluchtwillige von diesem letzten Schritt abgehalten.

Der Verfasser schildert ausführlich Einzelheiten über spektakuläre Republikfluchten durch selbstgegrabene Tunnel, in gepanzerten Fahrzeugen, mittels Ballons und Kleinflugzeugen oder auf kleinen Schiffen über die Ostsee. Weitere Kapitel befassen sich mit dem vertraglich geregelten Reiseverkehr zwischen Ost und West und dem für die auf Devisen erpichte DDR sehr einträglichen Zwangsumtausch, ferner mit dem Freikauf von DDR-Häftlingen durch die Bundesregierung, der Gewährung von so genannten „Rentnerreisen“ und solchen in dringenden Familienangelegenheiten. Es gibt große Schwierigkeiten, die genaue Zahl der „Mauertoten“ zu ermitteln. Das Buch legt sich nicht fest, es nennt 170 Opfer und lässt es offen, ob weitere Forschungen höhere Zahlen ergeben. Wieland Führ endet seine Dokumentation mit der Schilderung der Bedingungen, die am 9. November 1989 zum Fall der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze führten, und zeigt, was aus dem so genannten antifaschistischen Schutzwall geworden ist, der bei seiner Errichtung vor 47 Jahren mit Sprüchen wie „Am 13. gab’s roten Pfeffer für Brandt’s Agenten und Riaskläffer“ gefeiert wurde. Ein Glossar wichtiger politischer und militärischer Begriffe hilft, das nach wie vor spannende Thema zu erschließen, und ein Verzeichnis ganz zum Schluss listet DDR-Museen und Mauergedenkstätten quer durch Deutschland auf.

Wieland Führ: Berliner Mauer und innerdeutsche Grenze. Michael Imhof Verlag Petersberg 2008, 216 S., zahlr. Abb., 9,95 Euro.

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