Bekannt und doch vielen unbekannt -
Ausstellungen und ein Denkmal erinnern an den vor 150 Jahre geborenen Heinrich Zille


Heinrich Zille hatte weitaus mehr zu bieten als seine berühmten Typen, hier auf einem Werbeplakat für den Zirkus Busch. (Repro: Caspar)


Seit dem 10. Januar ist der vor 150 Jahren geborene Heinrich Zille leibhaftig im Nikolaiviertel präsent. (Foto: Caspar)

An zwei Orten erinnert die Akademie der Künste an Heinrich Zille, den vor 150 Jahren geborenen Zeitkritiker und Zeichner derBerliner Proletarier und Kleinbürger. Die am 10. Januar 2008 eröffnete Jubiläumsausstellung in der Akademie der Künste am Pariser Platz sowie im Ephraimpalais im Nikolaiviertel bieten den „ganzen Zille“, wie Akademiepräsident Klaus Staeck bei der Eröffnung der Ausstellung „Heinrich Zille – Kinder der Straße“ betonte. Sie entstand in Zusammenarbeit mit der Stiftung Stadtmuseum und wird bis zum 2. März 2008 gezeigt. Zilles Werk gehöre zu den „bekanntesten Unbekannten“ der Berliner Kunst, er sei zwar in zahllosen Bildbänden präsent und werde immer wieder reproduziert, doch seien ihm selten Ausstellungen gewidmet worden, die die Einheit seines künstlerischer Werks und seinen sozialen Engagements würdigen und über das Klischee des bloßen „Milljöh“-Zeichners hinaus gehen, so Staeck. Die rund 350 Zeichnungen, Plakate, Fotografien und andere Arbeiten umfassende Werkschau böte der Akademie und dem Stadtmuseum die Gelegenheit, Zille neu zu entdecken und verbreiteten folkloristischen Betrachtungsmustern neue Sichtweisen hinzuzufügen.

Die Ausstellung in den Räumen der Akademie der Künste führt, erstmals in dieser Breite, unterschiedliche Medien zusammen, die Heinrich Zille meisterhaft beherrschte und die bis etwa 1914 entstanden. Hingegen breitet die Stiftung Stadtmuseum im Ephraim-Palais kostbare Blätter und grafische Zyklen aus Zilles Spätwerk aus. Der Titel der Doppelausstellung „Kinder der Straße“ ist Heinrich Zilles erstem Buch von 1908 entliehen, mit dem er die dunkle Seite der kaiserzeitlichen Metropole schilderte und viel Beifall, aber auch entrüstete Reaktionen erntete. Viele Bilder mit den berühmten Zille-Typen zeugen von der bemerkenswerten Beobachtungsgabe des Zeichners und Malers. Voll Humor und Mitgefühl, gelegentlich Sarkasmus, bilden sie das Elend des Proletarierlebens in den Schluchten der Hinterhöfe ebenso ab wie Saufgelage und die Nöte der werdenden Mütter, die nicht wissen, wie sie sich und ihr Neugeborenes durchbringen sollen und an Selbstmord denken. Nach dem Ersten Weltkrieg nahm sich Zille in seinen Zeichnungen des Leids der Kriegsversehrten an und stellte ihm das sorgenfreie Leben der Kriegsgewinnler gegenüber, was ihm auch nicht immer Sympathie eintrug.

Zu Zilles 150. Geburtstag wurde am 10. Januar im Nikolaiviertel im Rahmen eines abendlichen Straßenfestes ein von Thorsten Stegmann geschaffenes lebensgroßes Steindenkmal enthüllt. Es zeigt den Künstler im langen Mantel mit Schlapphut sowie dem unvermeidlichen Zigarrenstummel im Mund; dazu hält er eine Papierrolle mit der Aufschrift MILLJÖH in der Hand. Da am Köllnischen Park beim Märkischen Museum seit 1965 ein von Heinrich Drake geschaffenes Zille-Denkmal aus Bronze steht, ist dieses nun das zweite Monument, das an Berlins wohl populärsten Künstler des frühen 20. Jahrhunderts erinnert.

Für das Zille-Museum in der Propststraße 11, nicht weit von der Nikolaikirche, ist Zilles 150. Geburtstag ein willkommener Anlass, die gestalterischen und sprachlichen Fähigkeiten von „Pinselheinrich“ einem großen Publikum zu demonstrieren. Museumsmitarbeiter Norbert König sieht in den Feierlichkeiten zugleich eine Möglichkeit, auf die Schätze in dem Museum aufmerksam zu machen, das von der Zille-Gesellschaft unterhalten wird. Die Ausstellung in der Akademie der Künste ist dienstags bis sonntags von 11 bis 20 Uhr, die im Ephraimpalais dienstags, donnerstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs von 12 bis 20 Uhr geöffnet, Eintritt jeweils 5, ermäßigt 3 Euro; am Mittwoch ist im Ephraim-Palais freier Eintritt. Der Katalog zu den beiden Ausstellungen hat 192 Seiten, 78 Tafeln und kostet 29,80 Euro. Das Zille-Museum Propststraße 11 ist täglich von 11 Uhr bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt 4 Euro, ermäßigt 3 Euro.

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