Ahnherr der modernen Denkmalpflege -
Tagungsband würdigt den preußischen Staatskonservator Ferdinand von Quast


Alljährlich wird die Berliner Ferdinand-von-Quast-Medaille für hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der Denkmalpflege verliehen.


Ferdinand von Quasts Vorschläge zur Erneuerung der Wartburg fanden beim Großherzog von Sachsen-Weimar wenig Gefallen; realisiert wurden Entwürfe des Wartburgarchitekten Hugo von Ritgen. (Fotos aus dem besprochenen Band)

Würde sich Ferdinand von Quast, der 1843 von König Friedrich Wilhelm IV. zum preußischen Staatskonservator und damit zum Chef einer damals noch kleinen Denkmalpflege-Behörde ernannt wurde, heute für den Wiederaufbau des Potsdamer und des Berliner Stadtschlosses einsetzen? Nach allem, was man über den kunstgeschichtlich ambitionierten Architekten und Baubeamten weiß, bestimmt nicht. Denn von beiden in der Ulbricht-Ära abgerissenen Bauwerken ist bis auf alte Pläne und Bilder sowie einige originale Skulpturen nichts erhalten, und diese Grundlage wäre für Quast zu wenig gewesen, um eine solche Rekonstruktionen zu wagen.

Die komplette Neuschaffung verloren gegangener Bauwerke stand zu Quasts Lebzeiten ohnehin nicht auf der Tagesordnung, eher schon ihr historisierender Um- und Weiterbau. Was auf diesem Gebiet unter der Leitung des Schinkel-Schülers und Namensgebers eines bedeutenden Berliner Denkmalpflege-Preises Ferdinand von Quast (1807-1877) erreicht wurde, war vor zwei Jahren Gegenstand einer Tagung im Berliner Rathaus. Vom Landesdenkmalamt sowie dem Schinkel-Zentrum und dem Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin zu Quasts 200. Geburtstag ausgerichtet, bot sie interessante Neuigkeiten über das Leben und Schaffen des zwischen Trier und Königsberg agierenden Staatskonservators. Dem aus Radensleben bei Neuruppin stammenden Architekten ist unter anderem zu verdanken, dass in der Hohenzollernmonarchie begonnen wurde, den Bestand an historischen Bau-, Kunst- und Geschichtsdenkmalen zu erfassen. Eine von Quast entwickelte und an örtliche Obrigkeiten sowie Pfarrer und Lehrer gerichtete Fragebogenaktion erbrachte eine Fülle von Informationen über den Denkmalbestand in Preußen.

Die bis in archivalische, historische und bauliche Details gehende Befragung zu beantworten, war für Laien nicht einfach, wurde aber mutig angegangen und bildete die Grundlage für eine Reihe von Denkmalinventaren. Ein wichtiges Ergebnis der Befragungen durch die Berliner Behörde war, dass man sich vor Ort mit historischen Hinterlassenschaften befasste, ja manchmal ein Interesse entwickelte, sie zu erhalten und zu restaurieren. Ungeachtet mancher fachlicher Unzulänglichkeiten, die eine solche von Nichtfachleuten angefertigte Bestandsaufnahme naturgemäß mit sich bringt, wurde auf diesem Gebiet Pionierarbeit geleistet. Sie machte Ferdinand von Quast zum Ahnherren der modernen Denkmalpflege, und sie schärfte vor 150 Jahren das Bewusstsein für Schätze vor der Haustür.

Neben der Erfassung von Zeugnissen der Baugeschichte hat Ferdinand von Quast auch als praktischer Denkmalpfleger Einzigartiges geleistet. Der mit vielen bisher nur Fachleuten bekannten Zeichnungen von seiner Hand, Auszügen aus Tagebüchern und historischen Fotos ausgestattete Band macht unter anderem mit seinen Mühen um die – heute nur noch als Kriegsruine erhaltene – Franziskaner-Klosterkirche in Berlin-Mitte und die Dorfkirche in Pankow, um die Stiftskirche zu Gernrode, die Marienburg bei Thorn im heutigen Polen sowie die Basilika in Trier und die Wartburg bekannt. Für die seinerzeit nur noch als Halbruine erhaltene Burg bei Eisenach zeichnete Quast märchenhaft anmutende Rekonstruktionspläne. Sie gingen dem Großherzog von Sachsen-Weimar offenbar zu weit, so dass ein anderer Architekt mit dem Wiederaufbau und der Restaurierung beauftragt wurde. Bei anderen Bauwerken hielt sich Quast spürbarer zurück und orientierte sich streng an dem, was er vorfand, um es behutsam freizulegen und zu ergänzen.

Aus der Diskussion über Quasts Pionierleistungen nahmen die Tagungsteilnehmer die Erkenntnis mit, dass es sich kein Kulturland leisten kann, auf den „schönsten Schmuck des Vaterlandes“, wie Schinkel einmal beschrieb, zu verzichten und den Staat von seiner Sorgepflicht zu entbinden. So fordern denn auch verschiedene Autoren dieses Sammelbandes mit Blick auf Ferdinand von Quast und sein Erbe die Stärkung und den Ausbau der staatlichen Denkmalpflege bei gleichzeitiger Förderung privaten Engagements. Und sie verlangen, dass Denkmalpfleger nicht länger als Störer und Blockierer abgewatscht, sondern als wichtige, sowohl nach rückwärts als auch nach vorwärts weisende Kulturinsititution wahrgenommen und unterstützt werden. Insofern stellt der Sammelband ein gutes Lesebuch auch für Hauseigentümer und Politiker dar, die über denkmalpflegerische Maßnahmen und daraus resultuierende Investitionen entscheiden müssen. In Zeiten knapper Kassen braucht das kulturelle und bauliche Erbe Hilfe und Zuwendung, das gilt heute ebenso wie zu Quasts Zeiten.

Auch die Denkmalpfleger hat Geschichte. Ferdinand von Quast (1807-1877). Hrsg. vom Landesdenkmalamt Berlin, Michael Imhof Verlag Petersberg 2008, 124 S., zahlr. Abb., 19,80 Euro.

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