Bilder und Botschaften - Heimatzeitschrift „Die Mark Brandenburg“ schildert Stationen der Filmgeschichte



Mit dem DEFA-Streifen von 1946 „Die Mörder sind unter uns“ schrieben Regisseur Wolfgang Staudte und die junge Schauspielerin Hildegard Knef Filmgeschichte. (Repro: Caspar)

Als vor über 110 Jahren die ersten Filmaufnahmen gemacht wurden, ahnte niemand, welchen Siegeszug die „laufenden Bilder“ binnen weniger Jahre antreten würden. Es war auch nicht abzusehen, dass die idyllisch zwischen Hügeln und Seen gelegene Gemeinde Woltersdorf bei Berlin im heutigen Landkreis Oder-Spree zur „Filmstadt“ avancieren und sich für ein paar Jahre zu einem erstklassigen Kinostandort und Touristenmagneten entwickeln würde. Wie das geschah, ist eines der Themen in einer neuen Folge der vierteljährlich erscheinenden Heimatzeitschrift „Die Mark Brandenburg“ (Heft 74). In Woltersdorf und Umgebung findet man im Erdreich noch heute Reste jener monumentalen Filmkulissen, die der Produzent und Schauspieler Joe May nach dem Ersten Weltkrieg (1914 bis 1918) in den Sand setzen ließ. Mit hochkarätigen Mimen und einem Heer von Komparsen inszenierte May an den Wassern des Kalksees und in den Rüdersdorfer Steinbrüchen kinematographische Welterfolge wie das in exotischen Breiten fernab des kriegs- und krisengeschüttelten Europa spielende Epos „Die Herrin der Welt“ sowie „Das Indische Grabmal“ und „Der Tiger von Eschnapur“. Da der aus Wien stammende May, mit bürgerlichem Namen Julius Otto Mandl, Jude war, unterdrückten die Nazis nach 1933 die Erinnerung an ihn. In DDR-Zeiten hat man den, wie man sagte, Grandseigneur der Filmkunst aus ideologischen Gründen aus dem Gedächtnis getilgt. Es wird Zeit, dass man in Woltersdorf wenigstens eine Straße nach ihm benennt, denn immerhin hat er dem märkischen Kurort kurzzeitig zu Weltruhm verholfen.

Sehr schnell hatte sich vor über hundert Jahren „der“ Kino vom Image eines billigen Vorstadtvergnügens befreit und sich zu einem auch von der geistigen und kulturellen Elite anerkannten Medium entwickelt, für das teure Stars arbeiteten und kostbar ausgestattete Filmtheater errichtet wurden. Wie es zu dieser rasanten Entwicklung kam und welche noch heute bewunderten Streifen anfangs stumm, ab Ende der zwanziger Jahre auch vertont in Brandenburg und Berlin produziert wurden, wird ebenfalls in der Heimatzeitschrift geschildert. Gleich eingangs erfährt man, wie den Bildern das Laufen beigebracht wurde. Der Berliner Filmpionier Max Skladanowsky machte 1895 mit tanzenden Varietékünstlern und einem boxenden Känguruh Furore, Kaiser Wilhelm II. entdeckte und förderte den Film als Mittel zur Selbstverherrlichung und patriotischen Aufrüstung. Überall im Reich wurden Kinos gebaut und erzielten erstaunliche Zuschauerzahlen. Bedeutende Regisseure und Schauspieler ergriffen die Chance, nie gesehene Bilder und Heilsbotschaften an das Publikum zu bringen. Film- und Vertriebsfirmen wurden gegründet und gingen wieder ein, und was die Kinostars taten, war Gegenstand öffentlicher Aufmerksamkeit und Kritik.

Als 1917, im vorletzten Jahr des Ersten Weltkriegs, die Ufa als mächtigster Filmkonzern im Deutschen Reich gegründet wurde, konnten deren Trivialfilme und patriotischen Durchhalteepen gegen die zunehmende Kriegsmüdigkeit nicht mehr viel ausrichten. Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs machte die Ufa mit einigen ambitionierten Monumentalfilmen, die heute noch in Spezialkinos und Museen, etwa dem Potsdamer Filmmuseum, gezeigt werden, auf sich aufmerksam. Was da in Babelsberg, dem märkischen Hollywood, produziert wurde, ist Gegenstand weiterer Artikel dieses Heftes, mit dem Verlegerin Marika Großer gewissermaßen Neuland betritt, denn bisher wurden kaum Themen aus dem 20. Jahrhundert und schon garnicht solche aus der Gegenwart behandelt.

Wie der Film von den Nazis in den Dienst von so genannter Volksaufklärung und Propaganda gestellt wurde, wird ebenso dokumentiert wie Versuche von mutigen Künstlern, der von Propagandaminister befohlenen Zielvorgabe zu widerstehen. Die lesenswerte Heimatzeitschrift endet mit einem Abriss der Geschichte der DEFA und ihrer Drehorte in Babelsberg und an anderen Stellen in der Mark Brandenburg, zum Beispiel Belzig, Wittstock und Bad Saarow. Unterstrichen wird, dass die DEFA mehr war als ein Instrument staatlicher Gewalt und „parteilicher“ Einflussnahme. Zahlreiche von der SED verbotene Filme unterstreichen, dass es Filmleute gab, die sich nicht unterbuttern ließen. Als man die Streifen nach der so genannten Wende vor 20 Jahren aus der Versenkung holte, war die Begeisterung groß, und wenn heute in Babelsberg gedreht wird, finden Regisseure und Schauspieler, wie im letzten Beitrag geschildert wird, ideale Arbeitsbedingungen vor.

Die Mark Brandenburg Heft 74, Marika Großer Verlag Berlin 2009, 40 S., 4 Euro

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