Männer um Wilhelm II. - Heimatzeitschrift „Die Mark Brandenburg“ über dubiose Vorgänge am Kaiserhof



Bernhard von Bülow als williger Vollstrecker kaiserlicher Politik. Englische Karikatur aus dem Jahr 1907. (Repro: Caspar)

Kaiser Wilhelm II. gehört zu den besonders umstrittenen Persönlichkeiten der neueren deutschen Geschichte. Als er 1888 den Thron bestieg, legte er sich mit Reichskanzler Otto von Bismarck an, entließ den „Schmied des Reiches“ 1890 unter wenig ehrenvollen Umständen und versammelte eine Schar zum Teil zwielichtiger Höflinge und Schmeichler um sich. „Wilhelm der Plötzliche“ richtete ein persönliches Regiment ein, verspottete den Reichstag als Reichsaffenhaus, rasselte mit dem Säbel, hielt brandgefährliche Reden. In der neuen Ausgabe der Heimatzeitschrift „Die Mark Brandenburg“ finden sich dazu lesenswerte Informationen, wie immer ergänzt durch Porträts und zeittypische Karikaturen.

Wilhelm II. hatte nicht viele Freunde, einer war Graf (ab 1900 Fürst) Philipp zu Eulenburg. In dessen Schloss Liebenberg (Landkreis Oberhavel) wurde im Beisein des Kaisers ausgiebig getafelt und gefeiert; hier fielen wichtige politische Entscheidungen. Philipp zu Eulenburg hatte das Zeug zu einem Dichter, seine Dramen und Gedichte waren vor 1900 bekannt und beliebt. Doch noch mehr zog es den vielseitig talentierten Märker in die Politik. Von dem zwölf Jahre jüngeren Kaiser bewundert und gefördert, kletterte „Phili“ auf der Karriereleiter ganz nach oben. Zwanzig Jahre lieh Wilhelm II. vielseitig begabten Freund sein Ohr, vertraute seinem Rat und befolgte seine Vorschläge bei der Besetzung wichtiger Posten. Bei allen, was man über die Günstlingswirtschaft und den Byzantinismus am Hof sagen mag, Eulenburg wirkte mäßigend auf den Kaiser, lenkte ihn in Richtung Ausgleich mit konkurrierenden Großmächten. Doch der Zeitgeist und die Ambitionen des Reichsoberhaupts und seiner mit großem Getöse zum „Platz an der Sonne“ drängenden Kamarilla stand diesen Anstrengungen entgegen, und so wurde Eulenburg, den man um seine Nähe zum Kaiser beneidete, angreifbar.

Da man Wilhelm II. nichts am Zeug flicken konnte, griff die oppositionelle Presse dessen Entourage an. Um 1906 verdichteten sich Gerüchte über homosexuelle Ausschweifungen am Hof und in Potsdamer Militärkreisen; von dem Journalisten Maximilian Harden verfasste Artikel lieferten die Munition für eine unappetitliche Schlammschlacht. Zwar bestritt Eulenburg alle Vorwürfe in Richtung auf den Paragraphen 175 und schwor, dass ihn nur „edle Freundschaft“ mit Bernhard von Bülow verbinde. Obwohl ein Prozess wegen Meineides niemals stattfand, war der gesundheitlich angeschlagene Eulenburg, ein Vater von acht Kindern, gesellschaftlich erledigt. Der Kaiser ließ in Sorge, selber in die Affäre verwickelt zu werden, seinen früheren Freund fallen wie eine heiße Kartoffel. Die linke Presse registrierte genussvoll, dass „Vielliebchen von Liebenberg“ mit einem Fußtritt an die frische Luft befördert wurde. Eulenburg starb 1921 vereinsamt und verbittert auf Schloss Liebenberg.

Dass der Karrierediplomat und Staatssekretär Bernhard von Bülow im Jahr 1900 zum Reichskanzler ernannt wurde, war wohl auch dem Betreiben von Philipp zu Eulenburg zu verdanken, der sich damals noch der kaiserlichen Gunst erfreute. Mit „Bernhard dem Aal“, in dem Wilhelm II. einen zweiten Bismarck sah, befasst sich ein weiterer Beitrag im vorliegenden Journal. Doch waren die Stiefel des bis 1888 agierenden Kanzlers zu groß, in die Bülow nun steigen musste. In seiner Amtszeit als Kanzler von 1900 bis 1909 wurden Weichen für die Katastrophe des Ersten Weltkriegs gestellt, an dessen Ende der selbstherrliche Kaiser Krone und Land verlor und Deutschland Republik wurde. Bülow und der Ex-Kaiser stellten einander wenig schmeichelhafte Zeugnisse aus, wie das nach dem Bruch solcher Freundschaften üblich ist.

Weitere Artikel befassen sich mit der vom Kaiser mit großem Nachdruck betriebenen Flottenpolitik und dem Wirken des Großadmirals Alfred von Tirpitz als „Vater der deutschen Flotte“ und mit Kapitän Carl Velten, dem Leiter der Matrosenstation Kongsnaers am Ufer des Potsdamer Jungfernsees und Stichwortgeber für die kaiserliche Flottenpolitik. Außerdem wird der am Hof hoch angesehene, aber auch vielfach beneidete Theologe, Bibliothekar und Universalgelehrte Adolf von Harnack gewürdigt. Der ihm gewidmete Beitrag verdeutlicht, dass Wilhelm II. entgegen langläufiger Ansicht durchaus andere Meinungen ertragen konnte, wenn man sie ihm plausibel machen konnte. Dass sich der Kaiser nachhaltig für die Förderung von Wissenschaft und Kunst einsetzte, sofern sie ihm in den Kram passte, und dabei auch den Rat des in Theologenkreisen kritisch beäugten Adolf von Harnack suchte, geht bei der üblichen Kritik an Wilhelm II. zumeist unter. „Die Mark Brandenburg“ liefert zu diesem wenig bekannten Komplex interessante Informationen und hilft, das Bild, das „Wilhelm der Letzte“ seit hundert Jahren abgibt, um wichtige Nuancen zu bereichern.

Die Mark Brandenburg Heft 73, Marika Großer Verlag Berlin 2009, 40 Seiten, 4 Euro

Zurück zur Themenübersicht "Berlin und das Land Brandenburg"