Den Emigranten Schutz und Wohlfahrt „Die Mark Brandenburg“ über Böhmen, Flamen, Salzburger, Schweizer und andere Einwanderer




Auf dem Sockel des Rixdorfer Königsdenkmals wird gezeigt, wie böhmische Familien nach Brandenburg-Preußen auswandern.



Ein Denkmal auf dem Marktplatz in Friedrichshagen erinnert an Friedrich den Großen, der das Kolonistendorf 1753 gegründet hat. (Fotos: Caspar)

Mit Schubkarren und Kleiderbündeln auf den Schultern kamen im Winter 1732/33 nach beschwerlicher Wanderschaft böhmische Glaubensflüchtlinge in Berlin an und bauten sich eine neue, wenn auch bescheidene Existenz auf. Preußens Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. wies den evangelischen Christen, denen im Reich der katholischen Habsburger das Leben unmöglich gemacht worden war, Wohnraum und Arbeit in der Berliner Friedrichstadt zu und erlaubte den Bau einer kleinen Kirche. Auf dem Standort der 1943 zerbombten Bethlehemkirche im Bezirk Mitte erinnert heute ein riesiger, aus Kunststoff gebildeter Kleiderballen an die Emigranten, denen der Monarch Schutz und Wohlfahrt angedeihen ließ. Alsbald richteten sich die mit einigen Privilegien „begnadeten“ Zuwanderer in Böhmisch-Rixdorf, einem Ortsteil des heutigen Neukölln ein. Spätere Generationen widmeten ihrem königlichen Gönner ein schönes Bronzedenkmal, auf dessen Sockel der mit vielen Hoffnungen verbundene Zug aus Böhmen ins ferne Brandenburg-Preußen geschildert wird.

Wo überall im Reich der Hohenzollern aus Glaubensgründen oder anderen Motiven ausgewanderte Böhmen, Flamen, Franzosen, Pfälzer, Salzburger, Schlesier, Schweizer und andere Leute ein neues Zuhause bekamen, und was die Berliner und die Märker ihnen verdanken, ist Thema einer neuen Ausgabe der Heimatzeitschrift „Die Mark Brandenburg“. Das in Friedrichshagen erscheinende Vierteljahres-Journal schaut in seiner 75. Folge tief in die Vergangenheit zurück. Darin lädt Marcel Piethe zum Rundgang durch die Geschichte des 1753 gegründeten Kolonistendorfs Friedrichshagen ein. Noch zeigen sich Häuser in der Bölschestraße fast wie im Urzustand, und wie in Rixdorf steht auf dem Marktplatz ein bronzenes Königsdenkmal. Das Original wurde nach 1945 eingeschmolzen, eine Nachbildung haben geschichtsbewusste Friedrichshagener 2003 aufgestellt. Das Standbild erinnert an Friedrich den Großen, der den Zuwanderern in dem nach ihm benannten Dorf neue Perspektiven eröffnet hatte. Dass die Leute in Friedrichshagen von der Hand in den Mund lebten und die Zucht von Seidenraupen und Herstellung von Seidenfäden nicht viel abwarfen, ist aus dem Beitrag ebenso zu erfahren wie der Hinweis darauf, dass sich das Spinner- und Dichterdorf Friedrichshagen vor hundert Jahren zu einem „Anziehungspunkt für ein exklusives Publikum“ entwickelte und bis heute ist.

Man kann der Verlegerin Marika Großer für ihr Durchhaltevermögen nur danken. Wie sie 75 Folgen der „Mark Brandenburg“ oft unter schwierigen ökonomischen Bedingungen geschafft hat, ist erstaunlich! Die, wenn man so sagen möchte, Jubiläumsausgabe beginnt mit jenen Leuten, die vor 800 Jahren in den Niederlanden aufbrachen, um in der fernen Mark Brandenburg ihr Glück zu versuchen. Was die Namen des Fläming und der kleinen Stadt Brück mit den Flamen beziehungsweise den aus Brügge weggezogenen Menschen zu tun haben und welche Beziehungen es dort zum Ursprungsland der Fläming-Bewohner gab und gibt, schildert Heinrich Groß. Er geht auf die Leistungen der Einwanderer etwa beim Brunnen-, Kanalbau und Mühlenbau, bei der Anlage von Fischteichen und der Einführung unbekannter Gemüsesorten ein und erwähnt, dass sich im regionalen Dialekt manche Wörter und Wendungen noch aus der Siedlungszeit erhalten haben, vergleichbar mit französisierenden Begriffen, die wir heute verwenden, ohne immer den Ursprung zu kennen.

In weiteren Beiträgen befasst sich Jürgen Walther mit den aus Glaubensgründen aus der Pfalz geflüchteten Menschen, die von Friedrich dem Großen in Müggelheim und an anderen Orten angesiedelt wurden, und Peter Schmidt gibt einen Überblick über so genannte Schweizerkirchen im Ruppiner Land, mit denen jene Gotteshäuser gemeint sind, die Ende des 17. Jahrhunderts von deutsch-reformierten Schweizern errichtet wurden.
Die Mark Brandenburg Heft 75. Marika Großer Verlag, Bruno-Wille-Straße 4 c, Berlin 12587 Berlin, 40 Seiten, 4 Euro.

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