Parteibeschlüsse erhielten demokratisches Mäntelchen umgehängt
Um ihre Pläne zu realisieren und Wahlen vorzubereiten, organisierte die SED so genannte Volksaussprachen



Die Wahlfälschungen vom 7. Mai 1989 brachten zahlreiche DDR-Bewohner auf die Palme und waren auch bei den Umzügen im so genannten Wendeherbst 1989 ein Thema. (Repro: Caspar)

"Volksaussprachen" waren ein beliebtes Mittel der SED-Führung, um ihre Initiativen bekannt zu machen, ihren Beschlüssen ein demokratisches Mäntelchen umzuhängen und Wahlen, die keine waren, vorzubereiten. Die Blockparteien und Massenorganisationen, die in die Aktivitäten einbezogen waren, fungierten bei dem Versuch, das Volk ins „Boot“ zu nehmen, nur als Staffage und Befehlsempfänger der Staatspartei SED. Den so genannten Volksaussprachen folgten regelmäßig Forderungen, die Pläne „noch besser“ zu erfüllen und „noch mehr“ Initiativgeist zu entwickeln. Diesbezügliche Befehle von oben wurden in einer Funktionärssprache abgefasst, die nur schwer erträglich ist. Eine über 20 Jahre alte Mitteilung legt fest, „in Vorbereitung“ auf die Kommunalwahl am 7. Mai 1989 werde eine große Volksaussprache stattfinden, „die im Zeichen unserer bewährten Politik steht: Arbeite mit, plane mit, regiere mit! Es ist die Zeit der Rechenschaftslegung und der Vorstellung der von den Arbeitskollektiven und in den Wohngebieten gründlich geprüften Kandidaten der Nationalen Front. Auf den Wahlvorschlag gehören Bürger, die das Vertrauen aller Wähler haben“.

In einem Bericht vom 26. April 1989 listete das Ministerium für Staatsicherheit die Stimmung in der Bevölkerung im Zusammenhang mit der Abstimmung auf, die keine wirkliche war, sondern wie die vielen anderen davor den Makel der Fälschung und des Drucks trug. Das Papier registriert kritische Meinungsäußerungen etwa zu Öffnungs- und Schließzeiten von Verkaufs- und Dienstleistungseinrichtungen und das Verkaufsniveau, ferner Probleme der Trinkwasserversorgung und Fäkalienabfuhr, aber auch Folgen der Umweltbelastung sowie soziale Betreuung von Bürgern und ihre medizinische Versorgung. Hinzu kommen unbefriedigende Zustände bei der Entwicklung von Löhnen und Preisen sowie der Versorgung mit Waren des täglichen Bedarfs und der Bereitstellung von Ersatzteilen.

Zu einem Beschluss der Volkskammer, in der DDR lebenden Ausländern das aktive und passive Wahlrecht einzuräumen, registrierte die Staatssicherheit Zustimmung und Ablehnung. Der Beschluss sei für viele Bürger überraschend, es sei unverständlich und fände keine Zustimmung, dass Entscheidungen zu derartig grundlegenden Fragen der Entwicklung der sozialistischen Demokratie ohne eine Volksaussprache getroffen wurden. In „emotional geprägten Einzelmeldungen“ sei die Frage gestellt worden, ob die Meinung der Bürger nicht mehr gefragt werde. Vorsorglich wird in dem Bericht darauf hingewiesen, dass die Kommunalwahlen von einigen Bürgern zum Anlass genommen werden könnten, ihren Antrag auf Ausreise in den Westen zu bekräftigen. Im Falle einer Nichtgenehmigung wäre für den betreffenden Personenkreis der Wahltag ein geeigneter Zeitpunkt, „öffentlichkeitswirksam auf ihr Vorhaben aufmerksam zu machen und so Druck auf die zuständigen Staatsorgane auszuüben“.

Die Staatssicherheit trug Sorge, dass Aktivitäten von so genannten feindlich-negativen Kräften, zu denen auch so genannte Ausreiser gezählt wurden, in der Volksaussprache und dann bei der Wahl unter dem Deckel gehalten wurden, doch ganz unterdrücken ließen sich entsprechende Informationen nicht.

Die Kommunalwahl vom 7. Mai 1989 war die letzte in der DDR, in der massive Wahlfälschungen vorkamen. Und schon machte ein Witz die Runde, demzufolge im Innenministerium eingebrochen wurde. Erich Honecker erkundigt sich beim Innenminister Dickel, was gestohlen wurde. Nichts Schlimmes, war die Antwort, nur die Wahlergebnisse der nächsten 30 Jahre!

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