Nicht alle Kunstwerke wurden zurück gegeben -
Was sich hinter der in der DDR ausgegebenen Parole „Der Menschheit bewahrt“ verbarg



Der im Zweiten Weltkrieg ausgebaute Pergamonaltar kehrte 1958 an seinen alten Platz im Pergamonmuseum auf der Berliner Museumsinsel zurück und ist „das“ Highlight der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz. (Foto: Caspar)

Ende der 1950-er Jahre wurden bedeutende Kunst- und Museumsschätze von der Sowjetunion an die DDR zurückgegeben. In Berlin, Dresden, Gotha und anderswo wurden Gemälde, Grafiken, Skulpturen und archäologischen Fundstücke, Hand- und Druckschriften, Gold- und Silberschmiedearbeiten, Münzen und Medaillen und viele andere Objekte ausgestellt, die nach dem Zweiten Weltkrieg von den Trophäenkommissionen der Roten Armee in Bergwerken und Kunstdepots entdeckt und in die Sowjetunion verbracht worden waren. Die Mitnahme der Gegenstände 1945 durch die Rote Armee wurde von der DDR-Propaganda überschwänglich als Rettungsakt und die Rückgabe 1958 als hochherzige Freundschaftstat und Zeugnis tiefen Vertrauens der Sowjetmenschen in den deutschen Arbeiter-und-Bauern-Staat gelobt. Ministerpräsident Otto Grotewohl erklärte am 2. November 1958 bei der Übergabe geretteter Kunstschätze an die Staatlichen Museen zu Berlin: „Die Weitherzigkeit und Großherzigkeit der Regierung der Sowjetunion schenkte unserem Streben nach Sicherheit und Frieden Glauben“. Der erste Arbeiter-und-Bauern-Staat auf deutschem Territorium werde diese Kunstschätze ebenso kraftvoll wie verantwortungsbewusst zum Wohle der ganzen Menschheit pflegen, hüten und bewahren. Selbstverständlich wurde tief und ehrlichen Herzens bedauert, dass die Deutschen in den von ihnen okkupierten Ländern nicht nur unzählige Menschen getötet, sondern auch wertvolle Kulturgüter zerstört und geraubt hatten. Sie schnellstens zurückzubekommen, war ein wichtiges Anliegen der vom sowjetischen Diktator und Generalissimus in die von der Roten Armee besetzten Länder ausgeschickten Trophäenkommissionen.

In der Sowjetunion wurde die Erwartung ausgesprochen, dass die Übergabe der Kunstwerke an die DDR das gegenseitige Vertrauen und die Freundschaft zwischen beiden Völker weiter festigt. In diesem Sinne dankte die SED- und Staatsführung und versprach ewige Freundschaft des deutschen Volkes mit dem Lande Lenins, wie man die Sowjetunion damals nannte. In einem DEFA-Film wurde mit dramatischen Szenen gezeigt, wie die „Sixtinische Madonna“ des italienischen Renaissancemalers Raffael und andere Berühmtheiten der Dresdner Gemäldegalerie von Rotarmisten aus feuchten Verliesen gerettet werden, und dass auch der Pergamonaltar, „das“ Highlight auf der Berliner Museumsinsel, vor dem sicheren Untergang bewahrt wurde, war damals viele Artikel, Kommentare und Filmberichte wert.

Natürlich gab es Fragen in Expertenkreisen, ob alle seinerzeit von der Roten Armee mitgenommenen Kunstwerke und Altertümer sowie Hand- und Druckschriften zurückgegeben wurden, und was aus dem als verschollen oder vernichtet erklärten Rest geworden ist. Entsprechende Nachforschungen wurden von der DDR-Seite mit großer Vorsicht angestellt, wurden aber von den sowjetischen Freunden, wie man sagte, mit Schweigen übergangen. Wer nachbohrte und behauptete, das eine oder andere angeblich verlorene oder bei Kriegshandlungen vernichtete Stück sei in einem sowjetischen Museum gesehen worden, erhielt einen dienstlichen Verweis. Eisern verschwiegen wurde über Jahrzehnte, dass bedeutende Preziosen wie der von Heinrich Schliemann bei den Ausgrabungen in Troja gehobene Goldschatz des Priamos sowie komplette Bibliotheken weiterhin in sowjetischen Geheimdepots lagern. Offiziell galten die trojanischen Altertümer als verschollen.

Erst nach dem Ende des Sowjetreiches war es möglich, über die vom internationalen Kriegsrecht verbotene Entführung von Kunstwerken zu sprechen. Langsam kam die Wahrheit ans Tageslicht, doch wurden nur in Ausnahmefällen Stücke aus der in Moskau, Sankt Petersburg (Leningrad) und anderenorts befindliche Beutekunst zurückgegeben. Die Duma in Moskau beschloss ein Gesetz, das die Rückhabe untersagte, wobei das oberste Parlament der Russischen Föderation argumentierte, dass die Objekte als Kompensation für die von den Deutschen im Zweiten Weltkrieg angerichteten Zerstörungen und geraubten Kunstwerke angesehen werden.Dennoch wurden da und dort Kunstwerke nach Deutschland zurückgegeben. Eine der spektakulärsten Aktionen dieser Art betraf vor ein paar Jahren die mittelalterlichen Glasfenster der Marienkirche in Frankfurt an der Oder. Nach umfassender Restaurierung können die kostbaren Glasmalereien wieder in dem Gotteshaus bewundert werden.

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