"Was gab es vor dem Sozialismus?" "Alles."
Untergegangene DDR-Wörter und Politparolen: Wie Der Dofe Rest lachend
mit den Gebrechen des Systems zurecht kam



Manche Witze und Parolen mögen im SED-Zentralkomitee, heute Gebäude des Auswärtigen Amtes, erfunden worden sein, die schärfsten aber entstammen Volkes Stimme, und die gefielen den führenden Persönlichkeiten überhaupt nicht. (Foto: Caspar)

Angesichts bedrückender politischer und wirtschaftlicher Verhältnisse blieb vielen DDR-Bewohnern oft das Lachen in Halse stecken. Aber wenn sie unter sich waren und keine „Sicherheitsnadel“ zuhörte, gaben sie mit Witzen ihrem Ärger freien Lauf und verschafften sich ein wenig Luft, denn bekanntlich haben Humor und Witz befreiende, manchmal sogar stimulierende Wirkung. Witzerzähler durften sich allerdings nicht erwischen lassen, denn auf Herabwürdigung der „führenden Persönlichkeiten“ sowie so genannter Staatsverleumdung standen hohe Strafen. Man konnte sehr schnell in einen entsprechenden Verdacht kommen, und es gab zahlreiche Verurteilungen nur wegen einer abfälligen Bemerkung über Ulbricht, Honecker & Co.

Angeblich sollen die besten DDR-Wirte im Zentralkomitee der SED erfunden worden sein, doch kann man das kaum glauben, denn die im Machtzentrum des Staates agierenden Funktionäre betrieben ihr Geschäft bierernst und taten alles, um das Ansehen der Partei zu heben und auf Angriffe von außen und von innen zu parieren. Die im „Großen Haus“ am Werderschen Markt in Berlin ausgedachten Politparolen gerieten, von regimekritischen Leuten ein wenig verändert, am Ende doch zu Witzen und zielten schnell auf die Urheber zurück.

DDR-Witze gibt es wie Sand am Meer, die kürzesten beziehen sich auf die Abkürzung DDR. Für sie gab es unzählige, von der offiziellen Diktion abweichende Auflösungen wie Der Dofe Rest, Der Diener Russlands sowie, auf die führenden Funktionäre der frühen Jahre, Pieck, Ulbricht und Grotewohl, gemünzt, Drei Dofe regieren, Drei dofe Russen oder Drei Dofe rabotern, wobei das heute kaum noch gebrauchte Wort dof so viel wie dumm oder blöd bedeutet. Es kursierten auch Das Deutsche Reich, DunkelDeutsches Reich, Dauernd Dunkle Räume, Demokratie der Russen oder Dumm Dof Rettungslos. Das gilt auch für die scherzhaft an einen DDR-Menschen gestellte Frage, ob er die drei wichtigsten Länder der Welt nennen könne, die mit U beginnen. Na klar, war die Antwort, es sind UdSSR, USA und Unsere Republik. Wer diese wenig schmeichelhaften Charakterisierungen aufgebracht hat, ist nicht bekannt, einige mögen im Westen erfunden worden sein.

Viele DDR-Witze bedienen sich der parteichinesischen Funktionärssprache, um die Gebrechen des Systems auf den Punkt zu bringen. Außerdem wurden zum Überdruss verbreitete Parolen gern verballhornt, etwa „Jeder macht was er will, keiner macht, was er soll, aber alle machen mit“. Manche Systemkritik wurde in Fragen an den imaginären Sender Jerewan gekleidet, etwa „Kann ein sozialistischer Leiter leiten? Im Prinzip ja, aber haben Sie schon einmal einen Zitronenfalter Zitronen falten sehen?“

Die Beschreibung aktueller Zu- und Missstände erfolgte natürlich überspitzt und saß daher um so treffender. Beliebt waren Frage- und Antwort-Spielen wie „Was hat ein HO-Verkaufsstellenleiter mit einem Kosmonauten gemeinsam? Beide bewegen sich im leeren Raum“, „Was ist die Höchststrafe in der DDR? Drei Jahre ohne Beziehungen“, „Warum erzählen Sie diffamierende Witze, wo wir uns doch im wirtschaftlichen Aufschwung befinden? Den Witz kannte ich noch nicht“ oder „Was ist der Unterschied zwischen Ulbricht und einem Schwein? Gibt es einen?“. Dann gab es die sieben A der sozialistischen Leitungstätigkeit, nämlich „Alle Arbeit auf andere abwälzen, anschließend anscheißen“. Legion waren die auf die schlechte Versorgungslage und miserable Verkaufskultur, die Mangelwirtschaft, Trägheit und Denkfaulheit, Korruption und Vetternwirtschaft, die Herrschaft der Partei über die Herzen und Hirne der DDR-Bewohner, das Missverhältnis von Ideologie und Wirklichkeit abzielenden Witze wie „Warum ist die Banane krumm? Weil sie einen Bogen um die DDR macht“, „Fragt der Staatsbürgerkundelehrer, was es vor dem Sozialismus gab. Alles“ oder „Frage an Radio Jerewan: Darf man die Partei kritisieren? Im Prinzip Ja, aber es lebt sich besser in den eigenen vier Wänden“.

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