Streitbare Publizistin -
Neue Silbermünze ehrt 2009 Marion Gräfin Dönhoff



Christian Höpfner bekam für sein Modell den ersten Preis, die Dönhoff-Münze erscheint Ende 2009. (Foto: BBR)

In der neueren deutschen Münzgeschichte bildet die Ehrung verdienstvoller Frauen auf Geldstücken eine Ausnahme. Nur wenige haben es dorthin geschafft; eine ist die Publizistin Marion Gräfin Dönhoff. Ihr ist aus Anlass ihres 100. Geburtstages am 2. Dezember 2009 eine silberne Zehn-Euro-Münze gewidmet, die in München nach einem Modell von Christian Höpfner geprägt wird. Dargestellt ist die Gräfin, wie sie unter Freunden und Kollegen kurz und bündig genannt wurde, in Profilansicht. Der Künstler zeigt sie in fortgeschrittenem Alter, er verzichtet auf jedweden Dekor, den Hals schließt ein schlichter Kragen ab. So kannte man die streitbare Journalistin und Herausgeberin der Hamburger Wochenzeitung DIE ZEIT, und so bleibt sie in Erinnerung.

Die Jury fand für Höpfners Modell viele lobende Worte. Die künstlerische Gestaltung zeuge, wenn auch auf kleinstem Raum, von der hohen Qualität eines Bildhauers. Erfasst sei ein für Marion Dönhoff typischer Moment, in dem konzentriertes Zuhören und der Wille, etwas zu sagen und einzugreifen, in der Balance sind. „Das Modell spiegelt die Strenge und Konsequenz, aber auch die fast durchsichtige Zartheit ihrer Person... Handwerklich ist die Ausführung klassisch und besticht durch eine klare Zeichnung und ein perfektes Maß. In seiner Schrift und Formensprache ist der Entwurf zeitlos“, stellte das Preisgericht fest und fügte hinzu, dass die Wertseite ebenfalls überaus harmonisch gestaltet ist und den Adler eher leicht und luftig als martialisch und herrschaftlich zeigt. Gegen diesen schönen Entwurf kommen andere Vorschläge nicht an, die sie von vorn und zur Seite, darunter mit Symbolen ihres Berufsstandes und mit einer kleinen Friedenstaube, mit dem Titel DIE ZEIT und anderen mehr oder weniger passenden Zutaten präsentiert. Einige Modelle mussten abgelehnt werden, weil sie den technischen Vorgaben nicht entsprachen und vorauszusehen war, dass sie nicht zu prägen sind.

Marion Gräfin Dönhoff wurde am 2. Dezember 1909 in Ostpreußen als Tochter eines Gutsbesitzers und Mitglieds des preußischen Herrenhauses und einer Palastdame der Kaiserin Augusta Viktoria geboren. Sie absolvierte, ungewöhnlich für junge Damen ihres Standes, in Frankfurt am Main und in Basel ein Studium der Volkswirtschaft und schrieb in diesem Fach eine Doktorarbeit. In der Zeit des Nationalsozialismus widmete sie sich der Verwaltung ihrer in Ostpreußen gelegenen Familiengüter. Über ihre Flucht vor der Roten Armee Anfang 1945 aus Ostpreußen schrieb sie in einem ihrer vielen Bücher, und auch sonst hat sie viele persönliche Erinnerungen und Begegnungen in ihren Artikeln, Reportagen, Manifesten und über 25 Büchern verarbeitet.

1946 startete Marion Gräfin Dönhoff eine neue Karriere als Journalistin bei der ZEIT, deren Profil sie merklich mitbestimmte. 1972 bis zu ihrem Tod am 11. März 2002 Herausgeberin dieses auch international anerkannten Wochenblattes, war sie eine Institution, die sich bei den Großen dieser Welt Gehör zu verschaffen wusste und auf die man hörte, wenn man nicht ganz verbohrt und ignorant war.

Als in der alten Bundesrepublik von Versöhnung mit Osteuropa noch wenig die Rede war und viele Deutsche Mühe hatten, sich zu ihren Verstrickungen in den Nationalsozialismus und die Kriegsgräuel zu bekennen und auch die Verfolgung und Ermordung der deutschen und europäischen Juden ein unangenehmes Thema war, schrieb sie zahlreiche Artikel, in denen sie für Ausgleich und Anerkennung von Schuld, Verständigung und Vergebung warb. „Niemand ist ohne Sünde. Aber der Versuch, gegeneinander aufzurechnen, ist nicht nur sinnlos, sondern würde auch dazu führen, dass der Fluch der bösen Tat fortzeugend Bösen gebiert. Also ein neuer Anfang? Ja, denn sonst nimmt die Eskalation nie ein Ende“, schrieb sie in DIE ZEIT am 20. November 1970 und bezog sich auf die von Bundeskanzler Willy Brandt geführten Verhandlungen, die zur Anerkennung der polnischen Westgrenze (Oder-Neiße-Grenze) führten und dem Sozialdemokraten viel Feindseligkeit eintrug.

In zahlreichen Büchern beschäftigte sich die Gräfin vor allem mit der politischen Zeitgeschichte. Dazu gehören „Die Außenpolitik von Adenauer bis Brandt“ (1970) sowie „Gestalten unserer Zeit – politische Porträts“ (1990) sowie „Polen und Deutsche“ (1991). Ihrer Heimat Ostpreußen sind Bestseller wie „Namen, die keiner mehr nennt – Ostpreußen: Menschen und Geschichte“ (1962) und „Kindheit in Ostpreußen“ (1988) gewidmet, und in „Menschen, die wissen worum es geht“ veröffentlichte die Trägerin des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels Porträtstudien über Zeitgenossen, die für sie wichtig waren. Ihre Meinung über Preußen und seine führenden Persönlichkeiten hat sie in dem Buch „Preußen – Maß und Möglichkeit“ von 1987 zusammengefasst, bis heute besitzt ihr 1997 veröffentlichter Essayband „Zivilisiert den Kapitalismus. Grenzen der Freiheit“ große Aktualität. Letzte Aufzeichnungen und Gespräche sind in dem Sammelband von 2002 „Was mir wichtig war“ veröffentlicht.

Dass die Bundesrepublik Deutschland an eine Frau mit einer Sondermünze erinnert, ist begrüßenswert und wird alle um Völkerverständigung und friedliches Zusammenleben bemühten Menschen freuen. Bisher raffte sich die Bundesregierung auf, vier Frauen auf diese Weise zu ehren - Käthe Kollwitz (1992, 10 DM), Hildegard von Bingen (1998, 10 DM), Bertha von Suttner (2005, 10 Euro) und Elisabeth von Thüringen (2007, 10 Euro). Auch die DDR hielt sich, was die numismatische Ehrung von Frauen betrifft, stark zurück und brachte ebenfalls wenig zustande - Käthe Kollwitz (1967, 10 M), Rosa Luxemburg (mit Karl Liebknecht 1971, 20 M), Clara Zetkin (1982, 20 M) und Caroline Neuber (1985, 5 M). Wenn man das Fünf-Mark-Stück zum Internationalen Jahr der Frau von 1975 hinzu rechnet, wären das fünf speziell Frauen gewidmete Münzen – für beide deutsche Staaten eine magere Bilanz.

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