„Nur der Unwissende hasst die Kunst“ –
Das Neue Museum auf der Berliner Museumsinsel kombiniert historische Substanz mit modernen Bauformen



Wie durch ein Wunder blieben im Niobidensaal des Neuen Museums Ausmalungen, Stuckaturen und die gusseisernen Deckenbinder erhalten.



Der so genannte Römersaal des Neuen Museums lässt etwas vom Flair der ursprünglichen Ausstattung ahnen. (Fotos: Caspar)

In den vergangenen zehn Jahren wurde das Neue Museum, die letzte Kriegsruine auf der Museumsinsel, wiederaufgebaut. Die Gesamtkosten liegen bei rund 200 Millionen Euro und unterschreiten mit 13 Millionen Euro den Kostenrahmen. Im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört, war das Gebäude, in dessen Giebel die ins Deutsche übersetzte lateinische Inschrift „Nur der Unwissende hasst die Kunst“ prangt, jahrzehntelang ohne Dächer und mit offenen Mauern Wind und Wetter ausgesetzt. In den späten achtziger Jahren gab es Pläne, das von dem Architekten Friedrich August Stüler zwischen 1841 und 1859 errichtete Haus unter Zuhilfenahme alter Fotos und Pläne weitgehend in alter Schönheit zu rekonstruieren. Von diesem Plan rückten in den neunziger Jahren die Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz ab. 1997 gewann der britische Architekt David Chipperfield einen Wettbewerb für den Wiederaufbau des Neuen Museums als Kombination von altem Gemäuer und originaler Innenausstattung mit modernen, dem Altbau jedoch angepassten Zutaten.

Beim Neuen Museum blieb so weit als möglich die historische Substanz erhalten; was alt und was neu ist, kann auch der Laie gut erkennen. Der erhaltene Bestand – Wand- und Deckenbilder, Säulen, gusseiserne Träger, Mosaikfußböden und Wandreliefs – entfalten ihre künstlerische Wirkung. Absichtlich wurden die vielen Kriegsbeschädigungen nicht übertüncht und nach alten Fotos und Zeichnungen ergänzt, sondern sind in ihrem torsohaften Zustand gut erkennbar. David Chipperfield und seine Kollegen hätten für jeden Raum ein eigenes Konzept entwickelt, „um den Zauber des alten Stülerbaues zu neuem Leben zu erwecken und den Geist des 19. Jahrhunderts in unsere Zeit hinüber zu retten“, wie der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, bei der Schlüsselübergabe erklärte. Alle Bau- und Restaurierungsmaßnahmen seien in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege erfolgt, ein Prinzip, das auch bei den anderen Bauvorhaben der zum UNESCO-Weltkulturerbe gilt. Wo keine originale Substanz mehr vorhanden war, habe man in Anlehnung an das Original neue Elemente entwickelt.

Beim Neuen Museum waren die Grade der Zerstörung sehr unterschiedlich. Einer der am besten erhaltenen Räume ist der Niobidensaal, bei dem fast alle Ausmalungen, Fußbodenmosaiken und vergoldeten Deckenträger erhalten blieben. Hingegen gingen an anderer Stelle durch Kriegsbomben, Brand und Witterungseinflüsse ganze Gebäudeteile wie der Nordwestflügel und der Südkuppelsaal, aber auch die eindrucksvolle Treppenhalle verloren. In diesen Räumen haben Chipperfield und weitere Architekten neue Bauformen in Anlehnung an die historischen Volumina und Strukturen entwickelt. Neues und Altes stehen nebeneinander, jeder Raum hat seinen eigenen Charakter. Es gibt Säle noch mit Resten der Ausstattung des 19. Jahrhunderts, es überraschen aber auch Mischformen und ganz moderne Gestaltungen. An diesem Vorgehen haben die Gesellschaft Historisches Berlin (GHB) und andere Gegner der Chipperfieldschen Mischung von Alt und Neu viel auszusetzen. In einer Erklärung kritisiert die GHB, Stülers Schöpfung sei „um einer momentanen Wirkung Willen bis zur Unkenntlichkeit verfremdet“ worden.

Derzeit werden die Ausstellungsräume eingerichtet, die sich das Ägyptische Museum mit Papyrussammlung und das Museum für Vor- und Frühgeschichte teilen. Das mit moderner Museums- und Sicherheitstechnik ausgestattete Haus wird im Oktober 2009 wiedereröffnet und strahlt dann, ausgestattet mit der Büste der altägyptischen Königin Nofretete und vielen anderen Kostbarkeiten, als neuer Stern am Berliner Museumshimmel.

Die Berliner Museumsinsel zwischen Spree, Kupfergraben und Lustgarten entstand ab 1830 als „Freistätte der Kunst und Wissenschaft“. Bis die „Tempelstadt der Künste“, so eine andere Bezeichnung für das Ensemble mit wirkungsvoller Förderung des preußischen Königshauses entstand, war das Areal hinter dem Lustgarten eine Brache, besetzt von Gärten und Lagerflächen. Im frühen 19. Jahrhundert erkannten kluge Köpfe, dass die Fläche nicht weit vom königlichen Schloss viel zu wertvoll ist, als dass man sie für die genannten profanen Zwecke verwenden sollte. Planungen, die königlichen Sammlungen öffentlich zugänglich zu machen und durch großzügige Ankäufe durch den Staat und durch Schenkungen von privater Seite auszustatten, gehen ins späte 18. Jahrhundert zurück, konnten aber erst nach den Befreiungskriegen nach und nach verwirklicht werden.

Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden die Museen geschlossen, ihre wertvollsten Bestände hat man ausgelagert. Im Krieg erlitten die fünf Museumsbauten zum Teil starke Schäden, danach hat man sie mit Ausnahme des besonders stark getroffenen Neuen Museums saniert und restauriert, so gut es ging. Nach der Wiedervereinigung 1990, die den Zusammenschluss der über beide Teile Berlins verstreuten Museen und Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ermöglichte, wurde die Generalsanierung der „Insel“ in Angriff genommen. Sie steht seit zehn Jahren auf der Unesco-Liste des Weltkulturerbes, was die Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu besonders vorsichtigem Umgang mit der historischen Bausubstanz verpflichtet.

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