Volk mit Brot und Spielen bei Laune gehalten - Parteitage und Staatsfeiertage wurden in der DDR genutzt, um die "werktätigen Menschen" zu Höchstleistungen in der Produktion anzustacheln




Der mit großem Gepränge gefeierte 40. Jahrestag war der letzte in der Geschichte der DDR, unter diesem Logo wurden die Bewohner des zweiten deutschen Staates zu Höchstleistungen aufgerufen. (Repro: Caspar)

Ganz ohne das Volk kamen die Cäsaren bei den alten Römern nicht aus. Um ihre Untertanen bei Laune zu halten, ließen sie Brot, Wein und Getreide ausgeteilen, und zur allgemeinen Gaudi fanden in Arenen blutige Wettkämpfe mit Gladiatoren und wilden Tieren statt. „Brot und Spiele“ zu gewähren, ist ein uraltes Herrschaftsprinzip, doch funktionierte es nicht immer. Denn wenn die Lasten zu schwer wurden, gab es Erhebungen oft mit bösem Ausgang für diejenigen, die das Volk auf billige Weise an sich binden wollten. Natürlich hinken historische Vergleiche, doch auch in Diktaturen der Neuzeit gab es „Brot und Spiele“, nur sahen diesbezügliche Gnadenerweise anders aus und waren auch mit bestimmten Zielen verbunden.

In der DDR wurden immerzu Feste und Jahrestage gefeiert, ja es wurden ganze Jubiläumsjahre ausgerufen. Ihre Vorbereitung besorgten hochkarätig besetzte Komitees, sie gaben so genannte Losungen als Orientierungshilfen aus und hatten über die Durchführung der Veranstaltungen zu wachen. Alle die Festivals, Ausstellungen, Tagungen, Meetings und Kampagnen waren beliebte Mittel nicht nur zur staatlichen Selbstdarstellung und parteilichen Erziehung der Volksmassen. Sie verfolgten auch einen bildungspolitischen Zweck, etwa wenn im Dürer-, Marx-, Luther- oder Thälmannjahr auf breiter Fläche über das Erbe der Protagonisten berichtet wurde und sich in ihrem Geiste Arbeitskollektive, wie es damals hieß, zu neuen, höheren Leistungen verpflichteten.

Wie erinnerlich, wurden mit großem propagandistischem Aufwand der 1. Mai als Feiertag der Arbeiterklasse, der 8. Mai als Tag der Befreiung vom Faschismus und der 1. September als Weltfriedenstag begangen. Diesem Tag zur Erinnerung an den Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 folgten am zweiten Sonntag im September der Internationaler Gedenktag für die Opfer des faschistischen Terrors und Kampftag gegen Faschismus und imperialistischen Krieg und der 7. Oktober der Gründungstag der DDR, der mit Aufrufen, Politikeransprachen, Paraden und anderem Tamtam begangen wurde und im Festkalender ganz oben stand. Jeweils am zweiten Sonntag im Januar erinnerte man sich (und tut dies heute auch) der 1919 ermordeten Gründer der Kommunistischen Partei Deutschlands, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, und der 7. November als Jahrestag der, wie es hieß, Großen Sozialistischen Oktoberrevolution wurde genutzt, um die unverbrüchliche Freundschaft zur Sowjetunion zu bekunden. Dann gab es den Tag der Nationalen Volksarmee am 1. März, den Tag der Freien Deutschen Jugend am 7. März, den Internationalen Frauentag am 8. März, den Gründungstag der SED am 21. April, den Tag des Freien Buches am 10. Mai, den Internationalen Kindertag am 1. Juni und den Tag des Lehrers am 12. Juni. Gefeiert wurden an speziellen Ehrentagen die Mitarbeiter einzelner Wirtschaftssparten, so die des Handels am dritten Sonntag im Februar; es folgten die Metallarbeiter am zweiten Sonntag im April, die Eisenbahner am 2. Sonntag im Juni und die Genossenschaftsbauern und die Wasserwirtschaftler jeweils am 3. Sonntag im Juni. Außerdem gab es den Tag des Bauarbeiters am 4. Sonntag im Juni und den Tag der Deutschen Volkspolizei am 1. Juli. Am 13. Oktober gab es den Tag der Seeverkehrswirtschaft und am dritten Sonnabend im Oktober der Tag der Werktätigen der Leicht-, Lebensmittel- und Nahrungsgüterindustrie. Das Jahr ging mit dem Tag des Chemiearbeiters am zweiten Sonntag im November, dem Weltjugendtag am 10. November, dem Tag der Metallurgen am 3. Sonntag im November, dem Tag der Grenztruppen der DDR am 1. Dezember, dem Tag des Gesundheitswesens am 11. Dezember und schließlich am 13. Dezember mit dem Pioniergeburtstag zu Ende. Die Liste ließe sich um weitere Feier-, Ehren- und Jahrestage verlängern, oft waren sie Anlass zur Verleihung von Wanderfahnen, Ehrentiteln, Orden und Prämien mit dem Auftrag, die Kräfte zur Verwirklichung der Volkswirtschaftspläne weiter zu steigern.

Selbstverständlich spielte in der vielen Feierei „runde“ Jahrestage der DDR eine große Rolle, ebenso Parteitage der SED. Sie waren Auslöser von Wettbewerben und Jugendaufgeboten, in ihrem Zeichen wurden den Werktätigen neue Selbstverpflichtungen abverlangt. Das bei solchen Jubiläen entfaltete Gepränge änderte nichts an den engen, trostlosen Verhältnissen im Lande, und so trifft der Spottvers von 1969 „Keine Kartoffeln im Keller, keine Kohlen im Sack, es lebe der 20. Jahrestag“ genau das Empfinden der Mehrheit der DDR-Bewohner auch bei späteren Jubiläen wie die Faust aufs Auge.

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