Kleine Nettigkeiten für "Bückware" - In der sozialistischen Mangelwirtschaft gab es vieles nur unterm Ladentisch, sogar Bücher und Zeitschriften




Das "Magazin" mit einem frechen Umschlagbild von Werner Klemke war eine angesehene Zeitschrift von hohem kulturellem und sprachlichem Niveau, das eine besondere Note durch das stets gut getroffene Aktfoto im Innern bekam. Wer Glück hatte, bekam diese "Bückware" gegen kleine Nettigkeiten unterm Ladentisch. (Repro: Caspar)

So lange es den zweiten deutschen Staat gab, hatte er mit Versorgungsproblemen zu kämpfen. Trotz sozialistischer Planwirtschaft und ständiger Aufrufe der SED an die „werktätigen Menschen“, Höchstleistungen in der Produktion zu erzielen und ihre Vorgaben zu überbieten, fehlte es an allen Ecken und Enden. „Ham wa nich, kriegen wir ooch nich rin“ war die treffende Auskunft darüber, dass eine bestimmte Ware nicht vorrätig ist und auch nicht besorgt werden kann. Oft war „ham wa nich“ (haben wir nicht) nur eine Ausrede dafür, dass Verkäufer ein Produkt nicht heraus rücken wollten, weil es „unterm Ladentisch“ für besonders gute Kunden zurückgelegt war.

Der Spezialausdruck dafür war Bückware, nach der man sich in einem unbeobachteten Augenblick bückte, um sie unterm Ladentisch hervor zu holen. Kleine Trinkgelder, ein Päckchen Westkaffee, ein Stück Seife vom „Klassenfeind“ und andere Geschenke, vielleicht ein schneller Termin beim Frisör oder Zahnarzt waren der Lohn für diese weit verbreitete Art von Dienstleistung.

Bückware konnte vieles sein – Fleisch, Wurst, Südfrüchte und bestimmte Zigarettensorten, bisweilen auch Bücher sowie Zeitschriften wie "Das Magazin" oder die "Wochenpost", aber auch modische Kleidung, Autoersatzteile, Waschmaschinen, Farbfernseher und Möbel. Irgendwo und irgendwann gab es das, aber die Verteilung klappte nicht. Die produzierten Mengen waren für die 17 Millionen Bewohner des Arbeiter-und-Bauern-Staat zu gering, wobei man beachten muss, dass die DDR ja noch den „großen Bruder“, die Sowjetunion, reichlich beliefern und, um westliche Devisen zu erwirtschaften, viele Erzeugnisse für Dumpingpreise exportieren musste.

Natürlich gab es zum Thema Versorgung unzählige Witze. Ein DDR-Bonmot beschrieb die prekäre Situation so: „Ham Se keine Südfrüchte? – Wir haben nur Eier, keine Südfrüchte gibt’s nebenan“. Oder es wurde diese nicht ganz aus der Luft gegriffene Szene kolportiert: „Kommt eine alte Frau in den Fleischladen. Ich möchte gern zwei Rouladen. Ham wa nich. Dann geben Sie mir bitte Filet. Ham wa ooch nich. Nun, dann nehme ich hundert Gramm Lachsschinken. Jibts ebenfalls nich. Kopfschüttelnd geht die Frau hinaus. Was die alte Schachtel für Wünsche hat, amüsiert sich die Verkäuferin, die hat wohl nich alle Tassen im Schrank, aber ein bewundernswertes Gedächtnis.“

Unterhält man sich mit ehemaligen DDR-Bewohnern über die Verhältnisse von vor 20 Jahren, dann fällt je nach damaliger Position die Antwort unterschiedlich aus. War man KfZ-Schlosser oder arbeitete man in einen Fleischerladen, hatte man gegenüber dem großen Rest der Bevölkerung manche Vorteile. Schnelle Autoreparatur und Beschaffung begehrter Ersatzteile, die so kostbar wie „Goldstaub“ waren – gängiger und verbreiteter Ausdruck für etwas Seltenes, schwer Erhältliches – , ließen sich in bevorzugte Belieferung mit begehrten Lebensmitteln wie Südfrüchten oder besseren Fleischsorten ummünzen.

Die Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen. In dieser Gesellschaft des Gebens und Nehmens hatten diejenigen schlechte Karten, die nichts zu bieten hatten, vielleicht weil sie in einer Fabrik arbeiteten und es sich nicht lohnte, von dort etwas „mitgehen“ zu lassen, oder weil die Behörde nichts zu vergeben hatte. Eine Ausnahme gab es, die Kommunale Wohnungsverwaltung. Dort kam es vor, dass erhebliche Bestechungsgelder flossen, um sich auf den langen Wartelisten zur Vergabe von Wohnraum ein wenig nach vorn zu mogeln. Wo diese Art von Korruption aufgedeckt wurde, konnte die Staatsmacht unbarmherzig zuschlagen. Aber sie tat es nicht immer, weil auch in diesem Bereich manche Leute gleicher als andere waren und öffentliches Aufsehen nicht ins Bild von der „sozialistischen Menschengemeinschaft“ passten.

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