Friedensgebete und Montagsdemonstrationen - Bewohner von Plauen ließen sich am 7. Oktober 1989 nicht einschüchtern und gaben ein Beispiel für andere Städte



Vielen Plauenern war mulmig, als sie vor 20 Jahren für demokratische Rechte und freie Wahlen auf die Straße gingen, denn noch war die Machtfrage nicht entschieden. (Repro: Caspar)

In Berichten über die friedliche Revolution von 1989 in der DDR ist mit großem Recht von den Friedensgebeten und den Montagsdemonstrationen in der Messestadt Leipzig die Rede. Dort begaben sich zahllose Menschen in Lebensgefahr, als sie in Kirchen und unter freiem Himmel für freie Wahlen, demokratische Rechte und Abschaffung der SED-Diktatur demonstrierten. Nur am Rande wird erwähnt, dass es ähnliche Aktionen auch in anderen Städten gab, etwa in der 80 000-Einwohner-Stadt Plauen im Vogtland. Die Bewohner der ostdeutschen Grenzregion empfanden es als besonders bedrückend, dass sie nur ein paar Kilometer von der deutsch-deutschen Grenze entfernt wohnten und diese nicht oder nur nach Antragstellung und Genehmigung durch die Polizei besuchsweise überschreiten konnten. Zwar gab es eine Städtepartnerschaft mit dem bayerischen Hof, doch achteten die so genannten staatlichen Organe der DDR ängstlich darauf, dass die menschlichen Kontakte zwischen hier und dort nicht allzu eng werden. Mal nach Hof zum Kaffeetrinken, zum Einkaufen oder auch nur „zum Gucken“ fahren, analog zu den Sehnsüchten der Ostberliner, ohne besonderen Anlass den Kurfürstendamm besuchen zu dürfen, war ein sehnliches Ziel vieler Vogtländer.

In Plauen hatte sich viel Frust angesammelt. Eine wichtige Ursache waren die Manipulationen und Fälschungen bei der Kommunalwahl vom 7. Mai 1989. Nirgend woanders gab es so viele Wähler, die demonstrativ die Wahlkabinen aufsuchten, um ihr „Nein“ anzukreuzen, wie in Plauen. Das war zwar bekannt, doch fielen bei der Auszählung fast alle diese Stimmen unter den Tisch, und als es kritische Fragen gab, wurde ausweichend oder überhaupt nicht geantwortet.

Krönung des Widerstandes war eine Massenversammlung mit 20 000 Plauenern am Sonnabend, dem 7. Oktober 1989, als im fernen Berlin mit großem Getöse der 40. Jahrestag der Gründung der DDR gefeiert wurde und sich Erich Honecker als großer Staatsmann und Volkstribun in Szene setzte und am Abend zahlreiche Menschen zusammengeprügelt und „zugeführt“, das heißt verhaftet und drangsaliert wurden. Es bleibt das historische Verdienst der Plauener, dass sie noch vor Dresden, Leipzig und Berlin öffentlich für Streik-, Versammlungs- und Demonstrationsrecht, Meinungs- und Pressefreiheit, freie und demokratische Wahlen und Reisefreiheit demonstrierten und dabei ihre Haut riskierten.

Wie Zeitzeugen berichten, wurde an jenem 7. Oktober 1989 durch Handzettel und Flugblätter sowie durch Mund-zu-Mund-Propaganda darüber informiert, dass um 15 Uhr im Stadtzentrum „etwas los“ sein würde. Auf einem dieser Zettel hieß es „Bürger! Überwindet Eure Lethargie und Gleichgültigkeit! Schließt Euch zusammen! Es geht um unsere Zukunft! Informiert die Arbeiter in den Betrieben!“. Tausenden Plauenern konnte nicht verwehrt werden, sich in der Kreisstadt einzufinden, es war ja 40. Geburtstag der Republik, und der sollte und musste gefeiert werden. Also ließ die Staatsmacht die Leute passieren und wunderte sich, dass statt Jubelsprüche auf Partei und Staat ganz andere Forderungen skandiert wurden. Die in Marschordnung einrückenden Sicherheitsleute hatten mit ein paar hundert Demonstranten gerechnet, plötzlich sahen sie sich 20 000 Personen gegenüber. Vorsichtig schlugen sich die Ordnungskräfte in die Büsche und waren nicht mehr zu sehen. Aus Berichten von Teilnehmern geht hervor, dass es keine gewalttätigen Auseinandersetzungen gab und auch keine Fensterscheibe zu Bruch ging. Dennoch wurde der Zug der 20 000 Plauener sogleich von den SED-Medien als „rowdyhafte Zusammenrottung“ angeprangert.

Erwähnt sei, dass Fotos von den Demonstrationen in Plauen sehr zeitnah in der auf westlicher Seite erschienenen "Frankenpost" erschienen. Eine Rentnerin hatte, den kleinen Grenzverkehr nutzend, die Aufnahmen nach Hof geschmuggelt und so dafür gesorgt, dass die Bilder auch überregionale Aufmerksamkeit erhielten. Ähnlich verhielt es sich mit illegal angefertigten Videoaufnahmen von den Montagsdemonstrationen in Leipzig, die man sich noch am gleichen Abend im Westfernsehen anschauen konnte. Erich Honecker und seine Genossen sollen sich darüber, wie man sie in den so verhassten Westmedien vorführte, maßlos geärgert haben. Nach ihrem Sturz wurden die Namen der mutigen Kameraleute und ihrer Kuriere bekannt, das Thema wurde sogar verfilmt und im Fernsehen gesendet.

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