Bekannter Unbekannter –
Ausstellung im Deutschen Historischen Museum würdigt Berliner Bildhauer Reinhold Begas



Eine der gewaltigsten Werke von Reinhold Begas ist der Neptunbrunnen, hier im Hintergrund das Rote Rathaus. Allerdings weiß kaum jemand, was die Figuren bedeuten und wer sie geschaffen hat. Die Ausstellung im Pei-Bau des deutschen Historischen Museums, 800 Meter entfernt, klärt auf.



Die „jugendstilig“ anmutende Medaille von 1894 (Ø 47 mm) nach einem Entwurf von Reinhold Begas zur Jubiläumsfeier der Wittenberger Schlosskirche wurde nicht geprägt, sondern für Sammler, kirchliche Institutionen und andere Interessenten in der Kunstgießerei Gladenbeck in Berlin-Friedrichshagen gegossen. (Fotos: Caspar)

Wer dieser Tage am Großen Stern im Berliner Bezirk Tiergarten vorbeikommt und den Blick von der Siegessäule mit der frisch vergoldeten Siegesgöttin obenauf abwendet, sieht in einer seitlichen Gartenanlage einen uniformierten Herrn mit Helm und Säbel. Unverkennbar ist es Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck. Kaum jemand weiß etwas über den Schöpfer des 1901 vor dem Reichstagsgebäude aufgestellten und in der Nazizeit an diese abgelegene Stelle versetzten Denkmals zu sagen. Nachhilfe gibt eine bis 6. März 2011 laufende Ausstellung im Pei-Bau des Deutschen Historischen Museums über den vor einhundert Jahren verstorbenen Bildhauer Reinhold Begas. Da der Künstler gelegentlich Medaillen und Plaketten entworfen hat, darunter solche in der Ausstellung ausgelegte Arbeiten mit dem Bildnis von Philipp August Boeckh (1867), Theodor Mommsen (1877), Adolph Menzel (1895) und anderen Zeitgenossen, sei der Besuch ausdrücklich allen Freunden dieser Spezies empfohlen.

In der Kaiserzeit wurde der 1831 in Berlin geborene Begas zu den bekanntesten Deutschen gezählt. Kaiser Wilhelm II. überhäufte den kreativen Meister mit lukrativen Aufträgen. Viele bedeutende Persönlichkeiten saßen ihm Modell, große öffentliche Gebäude schmückten ihre Giebel und Prunksäle mit Begas’schen Figuren aus Marmor und Bronze. Heute kennen nur noch Spezialisten den aus einer bedeutenden Malerfamilie stammenden Künstler, der auf Berliner Straßen und Plätzen unter anderem mit dem Neptunbrunnen, dem Schillerdenkmal auf dem Gendarmenmarkt, dem Denkmal Alexander von Humboldts vor der Humboldt-Universität Unter den Linden und dem schon erwähnten Bismarck-Denkmal im Tiergarten, aber auch in der Alten Nationalgalerie und weiteren Museen sowie im Berliner Dom mit anspruchsvollen Skulpturen aus Marmor und Bronze vertreten ist. Speziell für die Ausstellung hat das Deutsche Historische Museum etliche tonnenschwere Figuren herbei geholt und zeigt sie sowohl in der Ausstellung als auch gleich nebenan im Foyer des Zeughauses Unter den Linden.

Begas’ gewaltigstes Werk das Nationaldenkmal Kaiser Wilhelms I. auf der Berliner Schlossfreiheit war der Inbegriff wilhelminischen Denkmalprunks. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als man von Preußen und seinen Denkmälern nichts mehr wissen wollte, wurde die schwere Bronze eingeschmolzen. Die bis 6. März 2011 laufende Schau zeigt nur noch ein paar Bruchstücke, zu denen man sich allerdings die vier im Tierpark Friedrichsfelde vor dem Alfred-Brehm-Haus stehenden monumentalen Wächterlöwen hinzu denken muss, die wegen ihrer besonderen Qualität dem Schmelztiegel entgingen.

Die Reinhold Begas gewidmete Schau will einen bedeutenden Künstler aus der Vergessenheit holen und ihn von dem Makel befreien, er sei kaiserlicher Hofkünstler und nichts anderes gewesen. Selbstverständlich stimmt ersteres, aber er war auch viel mehr, nämlich ein gefühlvoller Gestalter des menschlichen Körpers und diesseitiger Daseinsfreude. Ausstellungskuratorin Esther Sophia Sünderhauf stellt Bildhauer in eine Reihe mit Andreas Schlüter, Johann Gottfried Schadow, Christian Daniel Rauch, Adolf von Hildebrand, Auguste Rodin und anderen Großen dieser Zunft und wünscht sich, dass man dem schon vorurteilsfrei begegnet, ihm endlich Gerechtigkeit widerfahren lässt und die Qualität seiner Skulpturen anerkennt.

Zur Ausstellung erschien ein umfangreicher Studien- und Katalogband (Sandstein-Verlag Dresden 2010, 416 Seiten, 487 Abb., 34 Euro), der aus dem Begas’schen Familienarchiv schöpft und das Œuvre des Bildhauers in einem vollständigen Werksverzeichnis dokumentiert. Das Deutsche Historische Museum und der Pei-Bau sind täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt für beide Häuser und alle Ausstellungen 6 Euro, Jugendliche bis 18 Jahre haben freien Eintritt. Weitere Informationen unter http://www.dhm.de.

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