Lenin kommt in die Zitadelle –
Spandauer Festung erhält ein Museum für historische Bildhauerarbeiten







Über Jahrzehnte galten die Herrscherdenkmäler von der Berliner Siegesallee als Auswuchs kaiserzeitlichen Monarchenkitsches. Bis 2013 kommen die hundert Jahre alten Marmorarbeiten ins Spandauer Bildhauermuseum. (Fotos: Caspar)

Überall in Berlin stehen unter freiem Himmel historische Denkmäler. Manche haben nach dem Zweiten Weltkrieg Asyl in dunklen Depots bekommen und warten seit Jahren darauf, dass sie aus dem Dornröschenschlaf hervor geholt werden. Nach mehrjähriger Vorbereitungszeit sollen etwa einhundert besonders wertvolle, meist aus Marmor bestehende Skulpturen dieser Kategorie bis 2013 auf dem Gelände der Spandauer Zitadelle in einem neuen Museum präsentiert werden. Dazu stehen zwei aus dem 16. beziehungsweise dem 19. Jahrhundert stammende Kasernen im hinteren Teil der Renaissance-Festung zur Verfügung.

Ziel des ehrgeizigen Projekts ist es nicht nur, unersetzlichen Zeugnissen der Bildhauerkunst vom späten 18. Jahrhundert bis fast an die Gegenwart ein neues, angemessenes Zuhause zu geben. Auch der Bezirk Spandau und seine zu den Spitzenleistungen der europäischen Festungsbaukunst zählende Zitadelle erwarten von dem neuen Lapidarium, also dem Museum für Steinskulpturen, einen Zugewinn an Aufmerksamkeit und Anziehungskraft. Insgesamt werden 12,4 Millionen Euro in das Projekt investiert, wobei 9,6 Millionen in die „Ertüchtigung“ der ehemaligen Kasernen und der Rest in die Restaurierung der Skulpturen und die Gestaltung der Ausstellung fließen sollen. Aufgebracht wird die Summe von der Klassenlotterie Berlin sowie vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Dass sich das finanziell angeschlagene Berlin zu einer solchen Leistung aufschwingt, ist erstaunlich und versöhnt ein wenig mit politisch oder wirtschaftlich motivierten Verlusten in vergangenen Jahrzehnten auf dem Gebiet des baulichen und kulturellen Erbes.

Die chronologisch angelegte Ausstellung umfasst Herrscher- und Generalsfiguren aus königlich-preußischer und aus kaiserlicher Zeit, aber auch Relikte aus der Zeit des Nationalsozialismus beziehungsweise aus DDR-Zeiten. Für die mit originalen Skulpturen, Modellen, Videoprojektionen, Fotos und Lageplänen bestückte Dauerausstellung „Berlin und seine Denkmäler“ ist die Spandauer Zitadelle nach Worten des Berliner Kulturstaatssekretärs André Schmitz wie kein anderer Ort in der Stadt geeignet. „Das Ensemble zählt zu den wohl besten erhaltenen Renaissancefestungen in Mittel- und Nordeuropa und ist ein mit brandenburg-preußischer Geschichte eng verbundenes Architektur- und Kulturdenkmal von hohem Rang. Wir wollen hier unter anderem Figuren von der Siegesallee zeigen, durch die Kaiser Wilhelm II. seine Ahnen verherrlichte, aber Denkmäler, die wegen ihres schlechten Zustandes ins Depot kamen.“

Dazu gehören die Marmorfiguren König Friedrich Wilhelms III. und seiner Gemahlin Luise, die lange Zeit auf der Luiseninsel im Berliner Tiergarten standen und dort seit vielen Jahren durch wenig ansehnliche Abgüsse aus Beton ersetzt sind. Das Königspaar und weitere Skulpturen standen bis zum vergangenen Jahr unzugänglich in einem alten Wasserwerk am Halleschen Ufer im Bezirk Kreuzberg. Weitere Bildhauerarbeiten hatten Asyl in Depots des Berliner Landesdenkmalamtes und des Deutschen Historischen Museums erhalten. Darunter waren Bronzen aus DDR-Zeiten, mit denen antifaschistischer Widerstandskampf und der Schutz der Republik vor Anschlägen des „Klassenfeindes“ gefeiert wurden.

Unmittelbar vor der Eröffnung des Lapidariums in zwei Jahren soll das in zahlreiche Einzelteile zerlegte und in einem Köpenicker Forst vergrabene Lenindenkmal vom Leninplatz im Berliner Bezirk Friedrichshain geborgen werden. Das 19 Meter hohe Monument aus dem Jahr 1970, das dem Bildersturm der Nachwendezeit zum Opfer fiel, könne man nicht komplett aufbauen, sagt Andrea Theissen, die Kulturamtsleiterin und Chefin des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau, wohl aber werde man den Kopf des Gründers des Sowjetstaates und ein paar zum Denkmal gehörende Granitbrocken präsentieren.

Wie Bernhard Kroener, Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Denkmal-Projekts, erklärt, würden sich Informationen über unsere Vergangenheit mithilfe gegenständlicher Hinterlassenschaften besonders gut vermitteln lassen. Dazu sei die neue Ausstellung auf der Spandauer Zitadelle bestens geeignet. Inwiefern man außer jenen Standbildern auch weitere in Depots lagernde oder unter freiem Himmel aufgestellte und daher hoch gefährdete Skulpturen in die Ausstellung aufnimmt, müsse geprüft werden und hänge von den Kosten der Bereitschaft der betroffenen Bezirke ab, sich von ihnen zu trennen. Zumindest habe die Spandauer Zitadelle einige leer stehende Räumlichkeiten, um dort steinerne und bronzene Kandidaten für eine spätere Erweiterung der Ausstellung einlagern zu können. Ein solches Schaudepot, in dem man vielleicht auch Steinrestauratoren bei der Arbeit zusehen kann, würde die Anziehungskraft der Spandauer Zitadelle sicher erhöhen.

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