Große Ausnahme unter Europas Herrschern - Friedrich II. von Preußen machte sich auch als Schriftsteller und Historiker einen Namen



Zu den Lieblingsbeschäftigungen Friedrichs II. gehörte das Lesen von historischen und philosophischen Büchern und Verfassen eigener Schriften. Da er der Meinung war, dass er alles wissen und alles entscheiden muss, war er genötigt, auch langweilige Akten und Petitionen zu lesen. Die Randbemerkungen oft in miserablem Deutsch vermitteln interessante Einsichten in die Denk- und Arbeitsweise des Königs von Preußen. Grafik aus dem späten 19. Jahrhundert



Mit schwungvoller Schrift sprach sich der König von Preußen für Toleranz in religiösen Fragen aus. (Repros: Caspar)

Wenn Friedrich II. nicht gerade Kriege führte, Edikte erließ und seine Beamten mit Befehlen traktierte, wenn er nicht gerade komponierte und auf der Flöte blies, kluge und witzige Leute an seine Tafel bat sowie Schlösser und andere Prunkbauten errichten ließ, betätigte er sich als wortgewandter Schriftsteller und kenntnisreicher Historiker. Um Kindererziehung musste sich der König von Preußen nicht kümmern, denn er hatte keine eigenen Nachkommen. Er bestimmte seinen Bruder August Wilhelm zu seinem Nachfolger, und als dieser 1758 mit erst 36 Jahren gestorben war, wurde dessen minderjähriger Sohn Friedrich Wilhelm (II.) zum künftigen König von Preußen bestimmt. Die aus Braunschweig stammende Elisabeth Christine kam ihrem Gemahl Friedrich II. nicht in die Quere. Sie wurde nach Schloss Schönhausen im heutigen Berliner Bezirk Pankow abgeschoben und vom König nur zu ganz besonderen Anlässen empfangen.

Friedrich der Große, wie man ihn schon zu Lebzeiten nannte, konnte ganz seinen kriegerischen Interessen und künstlerischen Neigungen nachgehen, und diese hatten eine erstaunliche Bandbreite. Eine zwischen 1846 und 1857 edierte Sammlung seiner Schriften umfasste 30 Bände. Die politische Korrespondenz des meist in französischer Sprache schreibenden Herrschers erreichte einen ähnlich großen Umfang. In der Quellensammlung „Acta Borussica“ wurde vor hundert Jahren alles Relevante über die Verwaltung und Wirtschaft im Reich der Hohenzollern publiziert, und außerdem gab und gibt das Geheime Preußische Staatsarchiv umfangreiches Aktenmaterial über die Zeit Friedrichs des Großen heraus, der am 24. Januar 1712, vor nunmehr 300 Jahren, geboren wurde, am 31. Mai 1740 den Thron bestieg und am 17. August 1786 im damals erstaunlich hohen Alter von 74 Jahren starb. Eine aufschlussreiche Quelle für Einsichten in die Gedankenwelt des Königs von Preußen stellen die zahllosen Briefe dar, die er an gekrönte Häupter sowie an Künstler, Gelehrte, Beamte und Offiziere schrieb und die gemeinsam mit seinen oft in drastischen Formulierungen auf deutsch hingekritzelten Aktenvermerken in den unterschiedlichsten Ausgaben veröffentlicht wurden und in Auszügen immer wieder auf den Büchermarkt kommen.

In allem, was Friedrich II. tat und schrieb, war er eine Ausnahmeerscheinung, ein Mann der klaren, manchmal zugespitzen Sprache und einer, der witzig, manchmal auch verletzend sein konnte. Sich selber beschrieb der König von Preußen als ersten Diener seines Staates, dem das Wohl seiner Untertanen über alles geht. „Es ist die erste Pflicht eines Bürgers, seinem Vaterlande zu dienen; diese Pflicht habe ich in allen verschiedenen Lagen meines Lebens zu erfüllen versucht. Mit dem höchsten Amte betraut, habe ich die Gelegenheit und die Mittel gehabt, mich meinen Mitbürgern nützlich zu machen“, bekannte er 1752 in seinem Politischen Testament, und fügte hinzu, dass er nur dem Adel Führungsqualitäten zutraut, nicht aber Leuten niederen Standes.

Die vom Preußenkönig gepredigte Toleranz gegenüber anderen Menschen ging nicht so weit, dass er Kritik an seiner Person und Politik zugelassen hätte. Wo ihm dergleichen zu Ohren kam, konnte er sehr ausfallend werden und mit harten Strafen reagieren. Nahezu alle, die mit ihm zu tun hatten, fürchteten seinen Zorn, wenn seine Befehle nicht schnell und umfassend ausgeführt wurden. Sich selber verlangte Friedrich der Große viel ab. Wenn andere Herrscher ins Bett gingen, saß er noch am Schreibtisch und schrieb und diktierte, las Korrespondenzen und Aktenstücke und schrieb an deren Ränder seine berühmten Anmerkungen, die zu lesen auch heute Vergnügen bereitet.

In der antiken und neuzeitlichen Geschichte gut bewandert, betätigte sich der Hohenzollern als kundiger Historiker, etwa als er in umfangreichen Traktaten über die Entwicklung seiner eigenen Dynastie oder die Umstände reflektierte, die zu den Kriegen in seiner Zeit führten. Seinen Erkenntnissen vertrauend, hielt er von den Leistungen berufsmäßiger Historiker wenig. „Die meisten Geschichtswerke, die wir haben, sind zusammengetragene Lügen, mit einigen Wahrheiten vermischt. Unter den erstaunlich vielen Tatsachen, die uns überliefert worden sind, kann man nur diejenigen, die entweder als Ursachen der Erhebung oder des Sturzes eines Staates Epoche machten, für bewährt annehmen. [...] Liebe zum Wunderbaren, Vorurteil der Geschichtsschreiber, missverständlicher Eifer für ihr Vaterland, Hass gegen vormals feindliche Nationen – alle diese verschiedenen Leidenschaften, die deren Feder geführt haben, und der bedeutende Abstand der Zeit, in der sie schrieben, von den Begebenheiten selbst haben die Tatsachen so verändert und entstellt, dass man selbst mit Luchsaugen nicht imstande wäre, durch den Schleier zu dringen“, heißt es in der zu Friedrichs Werk „Geschichte meiner Zeit“. Darin ging er liebevoll bis abfällig auch mit den eigenen Vorfahren um. So beschrieb er seinen Großvater Friedrich I., der sich 1701 zum König „in“ Preußen krönte, als klein und ungestaltet mit einer gemeinen Gesichtsbildung und stolzen Mienen. „Wer einmal eine gewisse Gewalt über ihn gewonnen hatte, konnte seinem Geist, der aus Eigensinn heftig und aus Sorglosigkeit sanft war, entflammen oder dämpfen. Er verwechselte Eitelkeit mit wahrer Größe und hing mehr am Glanze, der blendend, als an dem Nützlichen, das nur dauerhaft ist. Um sich die Königswürde zu verschaffen, opferte er in den verschiedenen Kriegen des Kaisers und seiner Bundesgenossen dreißigtausend Mann auf, und doch strebte er in keiner andern Absicht so eifrig nach ihr, als um seine Lust am Zeremoniell befriedigen und durch einen scheinbaren Vorwand die Verschwendungen seiner Prunksucht rechtfertigen zu können.“

Dass sich Friedrich II. als Historiker und Philosoph sowie als Betrachter der politischen, militärischen und kulturellen Vorgänge seiner Zeit betätigte, unterschied von den meisten gekrönten Zeitgenossen, die sich lieber mit schönen Frauen und der Jagd abgaben und ihre Zeit mit prunkvollen Festen tot schlugen. Prototypen dieser auf ganz großem Fuß lebenden Barockfürsten waren der französische Sonnenkönig Ludwig XIV. und, eine Nummer kleiner, August der Starke, seit 1694 Kurfürst von Sachsen und unter dem Namen August II. seit 1697 König von Polen.

Meist französisch schreibend, hielt Friedrich der Große wenig von der deutschen Sprache. Seinen Beamten und den Gelehrten warf er wiederholt vor, sich auf Deutsch nicht prägnant auszudrücken und hundert Wörter zu gebrauchen, wo wenige ausreichen würden. Außerdem bemängelte er, dass sich Süddeutsche mit Norddeutschen nicht verständigen könnten und aneinander vorbei reden würden.Vor allem war für den königlichen Feingeist das, was deutsche Dichter zu Papier bringen, ein Graus. Ganz und gar fremd war ihm die mittelalterliche Dichtkunst. So ließ er 1784 den Herausgeber einer Sammlung mittelhochdeutscher Gedichte ziemlich mit diesen Worten abblitzen: „Ihr urteilt viel zu vorteilhaft von denen Gedichten aus dem zwölften, dreizehnten und vierzehnten Säculo, deren Druck Ihr befördert habt und zur Beförderung der deutschen Sprache so brauchbar haltet. Meiner Einsicht nach sind solche nicht Einen Schuss Pulver wert und verdienten nicht aus dem Staube der Vergessenheit gezogen werden. In Meiner Büchersammlung wenigstens würde Ich solches elendes Zeug nicht dulden, sondern herausschmeißen“. Dem deutschen Schauspiel zu Beginn des 18. Jahrhunderts bescheinigte der Herrscher in den „Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Hauses Brandenburg“ geringe Bedeutung. „Die dramatischen Schriftsteller wussten gar nichts von den Regeln des Theaters. Ihre sogenannten Trauerspiele waren gewöhnlich aus Schwulst und niedrigen Späßen zusammengesetzte Ungeheuer; noch elender waren aber die Lustspiele: in diesen plumpen Possen wurden Geschmack, gute Sitten und die rechtlichen Leute gleich stark beleidigt“.

In seiner Abhandlung von 1780 „Über die deutsche Literatur“ behauptete Friedrich der Große, eine Sprache zu hören, „die jedes Reizes ermangelt, und die jeder nach seiner Laune handhabt: ich höre wahllos gebrauchte Ausdrücke; man vernachlässigt die passendsten und ausdrucksvollsten Worte, und der Sinn geht in einem Meer von Nebensachen unter“. Der deutschen Literatur sprach er jede Feinfühligkeit ab, unterstellte ihr Grobheit und Umständlichkeit, und nur wenige Autoren fanden Gnade vor seinen Augen. Friedrich II. von Preußen war allerdings überzeugt, dass sich die Dinge bessern werden. „Wir werden unsere klassischen Schriftsteller haben; jeder wird sie lesen, um davon Nutzen zu haben; unsere Nachbarn werden deutsch lernen; die Höfe werden es mit Vergnügen sprechen; und es kann kommen, dass unsere fein und vollendet gewordene Sprache sich aus Vorliebe für unsere guten Schriftsteller von einem Ende Europas bis zum anderen verbreitet.“ Der alt gewordene König sah „diese schönen Tage unsrer Literatur“ noch nicht gekommen. „Ich bin wie Moses: ich sehe das gelobte Land von ferne, aber ich werde es nicht betreten.“ Mit seiner Vision lag der „Alte Fritz“ durchaus richtig.

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