Um Krone und Kragen - Warum Preußens Kronprinz Friedrich 1730 am Leben blieb und zur Bewährung in die Provinz geschickt wurde /Ausstellung im Schloss Köpenick



Im Barockschloss Köpenick wird Kunstgewerbe aus der Renaissance und der Barockzeit sowie bis 5. Februar 2012 eine Ausstellung über den jungen Kronprinzen Friedrich und seinen Freund Katte gezeigt, die 1730 aus Preußen fliehen wollten.



Auf zwei Etagen im Schloss Köpenick werden die Ursachen, der Verlauf und die Ergebnisses des spektakulären Kriegsgerichtsverfahrens von 1730 dokumentiert. An einem solchen Tisch im Wappensaal tagten die Richter, die ihrem königlichen Oberbefehlshaber tapfer widerstanden.



Große Popularität erreichten im 19. Jahrhundert die Holzstiche aus dem Leben Friedrichs des Großen nach Zeichnungen von Adolph Menzel. Diese Szene zeigt die Gefangennahme des erst 18 Jahre alten Kronprinzen. (Fotos/Repro: Caspar)

Preußens König Friedrich II., der Große, hatte eine wenig schöne Jugend. Sein Vater, der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., war ein frommer Mann, für den das Glück seiner Untertanen nach eigenem Bekunden oberstes Gebot war. Gespart wurde unter seiner Herrschaft überall, nur nicht bei der Beschaffung der „Langen Kerls“, die oft mit kriminellen Methoden ins Land des schwarzen Adlers verschleppt wurden. Für seine Potsdamer Riesengarde war dem sonst knauserigen Herrscher nichts zuviel; seine Zweimetermänner ließ er sich tausende Taler kosten. Kronprinz Friedrich, der nur widerwillig Offiziersuniform trug, fand die Marotte seines Vaters nicht lustig. Nach seiner Thronbesteigung im Jahr 1740 gliederte er die Garde in die reguläre Armee ein. Viele von den „blauen Kindern“ seines Vaters starben in den Schlesischen Kriegen.

Preußen verdankte die relativ ruhige Zeit unter Friedrich Wilhelm I. von 1713 bis 1740 einer gewissen äußeren Friedfertigkeit seines Monarchen, der von sich wenig Staat machte und eine relativ bescheidene Hofhaltung führte. Anders im Privaten: niemand war vor den Zornesausbrüchen des Herrschers sicher, nicht einmal die eigene Familie. Menschliche Nähe, gar den sensiblen Kronprinzen Friedrich in den Arm nehmen, ihn die Flöte spielen und französische Bücher lesen zu lassen, kam für ihn nicht in Frage. „Mein Vater hielt mich zunächst für eine menschliche Knetmasse, aus der man formen könnte, was einem beliebte. Aber wie sehr täuschte er sich darin! [...] Er wollte durchaus nicht, dass ich lese, und ich habe viel mehr gelesen als alle Benediktiner zusammen. Er wünschte nicht, dass ich tanzte, und ich habe es dennoch getan, ja ich habe den Tanz sogar geliebt. [...] Mein Vater wollte, dass ich sollte Soldat werden, aber er hat es sich nicht träumen lassen, dass ich es eines Tages in dem Maße sein würde wie jetzt“, beschrieb später Friedrich II. die brachialen, damals aber üblichen Erziehungsmaßnahmen seines Vaters.

Zwar förderte die Mutter Sophie Dorothea die musischen und intellektuellen Neigungen ihres Sohns, doch konnte er diese nur im Verborgenen ausleben, stets auf der Hut vor dem Vater, der dergleichen für Firlefanz und Geldverschwendung hielt. Dass der Kronprinz auf vergleichsweise großem Fuß lebte und riesige Schulden anhäufte, war für den sparsamen Soldatenkönig ein großes Ärgernis, mehr aber noch dessen Widerstand gegen die väterlichen Befehlte.

Um aus dem goldenen Käfig auszubrechen und sich der Bevormundung und Drangsalierung durch den Vater zu entziehen, unternahm der erst 18 Jahre alte Kronprinz im Sommer 1730 mit seinem Freund, dem Leutnant Hans Hermann von Katte, während einer Reise in die Provinz einen Fluchtversuch, der ihn nach England führen sollte. Schlecht vorbereitet, scheiterte dieser Ausbruch, den Friedrich Wilhelm I. sogleich als Verrat und als Majestätsverbrechen wertete. Außer sich vor Wut, berief er ins Schloss Köpenick bei Berlin ein Kriegsgericht zusammen und forderte von ihm härteste Bestrafung für den Prinzen und seinen Fluchthelfer. Dieses Verfahren ist Gegenstand einer sehenswerten Ausstellung am historischen Ort. Ausgerichtet vom Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin und dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, präsentiert sie neue Erkenntnisse und Sichtweisen auf das Kriegsgerichtsverfahren, und es sie zeigt erstmals in diesem Umfang die Akten und Briefe zu diesem in der preußischen Geschichte einmaligen Verfahren. Die Dokumentation schildert zudem, dass Kronprinz Friedrich nicht nur ein sensibler Musensohn war, sondern auch ein selbstbewusster junger Mann, der seine Interessen eiskalt durchzusetzen gedachte und der jeden Rock ergriff, der in seiner Nähe flatterte, wie Archivdirektor Jürgen Kloosterhuis anhand des Aktenstudiums nachweisen konnte. Der König habe allen Grund gehabt, hart gegen die „Komplotteure“ vorzugehen, denn es rumorte nicht nur in der eigenen Familie, sondern auch im Reich der Hohenzollern, und es bildete sich eine Fronde gegen den autoritär regierenden Landesherrn. „Das Kriegsgericht, welches jetzt zusammentritt, wird mich für einen Ketzer erklären: wenn man nicht in allen Punkten der Meinung des Herren [Friedrich Wilhelm I., H. C.] ist, so ist man eben ein Erzketzer. Sie können sich die niedliche Behandlung, die mir bevorsteht, leicht denken. Ich selber kümmere mich herzlich wenig um die Flüche, die gegen mich geschleudert werden sollen, wenn ich nur weiß, dass meine liebenswürdige Schwester auf meiner Seite steht“, schrieb der in Lebensgefahr schwebende Kronprinz am 1. November 1730 an seine Schwester Wilhelmine, die spätere Markgräfin von Bayreuth.

Die bis 5. Februar 2012 laufende Ausstellung „Anno 1730. Kronprinz – Katte – Kriegsgericht“ im Köpenicker Schloss, das von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz als Kunstgewerbemuseum genutzt wird, schildert anlässlich des bevorstehenden 300. Geburtstages Friedrichs des Großen am 24. Januar 2012, wie es zur Flucht kam und warum der erboste König in Küstrin das Todesurteil an Katte vollstrecken ließ. Gezeigt werden die im Geheimen Staatsarchiv Berlin-Dahlem befindlichen Akten, aber auch historische Porträts der an dem Fluchtversuch und dem Kriegsgerichtsverfahren beteiligten Personen sowie andere Beweisstücke wie das Schwert, durch das Hans Hermann von Katte hingerichtet wurde. Die Dokumentation mit 240 Exponaten vor allem aus den Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz geht schließlich auf die Nachwirkungen des Prozesses im 19. und 20. Jahrhunderts ein und schildert, was von den vielen Anekdoten und den Historienbildern aus dieser Zeit zu halten ist. „Die Dokumente geben solchen Ausmalungen ein deutliches Stopp, und es zeigt sich einmal mehr wie wichtig es ist, in die historischen Quellen zu schauen, um die Wahrheit zu ergründen“, sagt der Archivdirektor, der mit seinem Kollegen Lothar Lambacher vom Berliner Kunstgewerbemuseum die Ausstellung wissenschaftlich vorbereitet hat.

Die Prozessakten und zahlreiche Briefe, die Vater und Sohn wechselten, sowie weitere Dokumente unterstreichen, dass der König in dem Fluchtversuch einen Angriff auf sich selbst und seine Autorität als Landesherr sah. In seiner ersten Wut mag Friedrich Wilhelm I. daran gedacht haben, Friedrich wie jeden anderen Fahnenflüchtigen hinrichten zu lassen. Dann aber dachte er darüber nach, ihn von der Erbfolge auszuschließen und seinen jüngeren Bruder August Wilhelm zu seinem Thronfolger zu machen. Am Ende aber akzeptierte Friedrich Wilhelm I. die tapfere Auffassung des Kriegsgerichts, dass es zur Verurteilung des Kronprinzen nicht befugt sei, weil es sich um eine hohenzollernsche Familienangelegenheit handle.

Was die vom Gericht geforderte lebenslange Kerkerhaft für Katte betraf, ging Friedrich Wilhelm I. weiter, als er Kraft seines königlichen Amtes den Richterspruch verschärfte und aus Gründen der Staatsräson seinen Tod verlangte. Nach Meinung des Königs habe es der junge Offizier verdient, „mit glühenden Zangen gerissen und aufgehänget zu werden. Er dennoch nur in Consideration seiner Familie mit dem Schwerdt vom Leben zum Tode befördert werden soll. Wann das Kriegsgericht den Katten die Sentenz publicirt, soll Ihm gesagt werden, dass Sr. Königl. Majt. es leydt thäte, es wäre aber besser, dass er stürbe, als dass die Justiz aus der Welt käme“. So geschah es denn auch, und als Kattes Kopf in den Sand fiel, soll sein zum Zuschauen gezwungener Freund ohnmächtig geworden sein. Nach seiner Thronbesteigung verschaffte Friedrich II. der Katteschen Familie eine gewisse Genugtuung, indem er Hans Hermanns Vater zum Generalfeldmarschall ernannte und ihn in den Grafenstand erhob. Auch dieser Akt wird in der Ausstellung belegt.

Der Soldatenkönig erbarmte sich seines Sohnes und schickte ihn zur Bewährung in die Provinz nach Küstrin, Neuruppin und Rheinsberg. Dort diente Friedrich als Verwaltungsbeamter und Offizier, und das hat ihm, wie er später bekannte, durchaus genutzt. Bald schon kam es zur Aussöhnung zwischen Vater und Sohn. Dazu trugen die in einem zerknirschten Ton abgefassten Briefe des Kronprinzen an den König bei, von denen einige in der Ausstellung ausgelegt sind. „Ich erkenne mit aller Submission die Gnade, so Sie mir erwiesen, und mir öfters erlauben, an Sie zu schreiben und meinen untertänigsten Respect und Treue zu versichern, und versichere hierbei alleruntertänigst, dass Sie aus meiner ganzen Conduite ersehen werden, dass ich aus Submission und Gehorsam Alles tun werde, Dero Befehl Genüge zu tun“, heißt es in einem Brief an den Vater. Dieser schluckte nicht zuletzt wegen der so wichtigen Thronfolgeregelung seinen Groll herunter und bestimmte: „Französische Bücher, auch deutsche weltliche Bücher und Musik bleiben scharf verboten, wie es jemals gewesen.“ Selbstverständlich nutzte der Kronprinz alle Möglichkeiten, solche Verbote zu umgehen, und solange die Form gewahrt wurde, hat der König seinem Sohn das Leben nicht weiter schwer gemacht, ihn aber scharf beobachten lassen und ihn immer wieder zu Fleiß und Mäßigung, zur Gottesfürchtigkeit und Sparsamkeit ermahnt.

In seiner Kindheit und Jugend durch falsche Erziehung und jenen Prozess von 1730 traumatisiert, übernahm Friedrich II. nach seiner Thronbesteigung 1740 als Oberhaupt der Hohenzollernfamilie gegenüber seinen Geschwistern eine Art Vaterstelle und geriet vor allem mit seinen Brüdern wegen ständiger Bevormundung in Konflikte. Bis zu seinem Tod am 17. August 1786 ließ es Friedrich der Große nicht zu, dass sich seine Brüder in Regierungsangelegenheiten mischen. Sonst aber ließ er sie in ihren Residenzen machen, was sie wollten, und wenn es nötig war, half er ihnen auch mit großen Summen aus.

Die Ausstellung im Köpenicker Schloss ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Katalog mit Beiträgen von Jürgen Kloosterhuis und Lothar Lambacher hat 296 Seiten und zahlreiche Abbildungen und kostet 26 Euro.

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