Erinnerung an Mauerwerk und Eisengitter - Der Geschichtspark im Bereich des früheren Zellengefängnisses Moabit




Eine lange Inschrift auf der inneren Seite der ehemaligen Gefängnismauer zitiert aus den "Moabiter Sonetten" von Albrecht Haushofer. (Foto: Caspar)

Die Gegend um den Berliner Hauptbahnhof ist ein stadtbauliches Entwicklungsgebiet. Zwar stehen hier schon einige Hotels und Wohnhäuser, doch es fehlt noch die Infrastruktur, die Reisende und andere Menschen lockt, im Bereich Lehrter Straße, Invalidenstraße, Humboldthafen, Hauptbahnhof und Hamburger Bahnhof Station zu machen. Wer sich allerdings doch ein wenig Zeit nimmt, findet nur wenige hundert Meter vom Quirligen auf dem Hauptbahnhof eine Berliner Sehenswürdigkeit der besonderen Art – den „Geschichtspark Zellengefängnis Moabit“. Hinter einer ehemaligen Gefängnismauer mit drei Zugängen und auf Bild-Text-Tafeln wird daran erinnert, dass hier vor genau 170 Jahren am Rand der preußischen Haupt- und Residenzstadt Berlin auf dem 62 000 Quadratmeter großen Grundstück nach Plänen des Architekten Carl Ferdinand Busse ein nach damaligen Verhältnissen hochmodernes Gefängnis errichtet wurde. Nach Londoner Vorbild errichtet, besaß die Anlage mit mehreren Innenhöfen einen sternenförmigen Grundriss. Die vier dreigeschossigen Flügel hatten je 500 Einzelzellen und wurden von einem Zentralbau überwacht.

Von der riesigen Anlage ist bis auf die Mauer und einige Wohnhäuser der Gefängnisbeamten nichts erhalten. Im Zusammenhang mit Hitlers Plänen für die „Welthauptstadt Germania“ war um 1938 beabsichtigt, das in die Jahre gekommene Zellengefängnis abzureißen und hier einen Monumentalbau für das Oberkommando der Marine zu schaffen, doch der Krieg machte diesen und weiteren Abriss- und Neubauplänen einen dicken Strich durch die Rechnung. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das teilweise zerstörte Gefängnis, in dem zahlreiche antifaschistische Widerstandskämpfer noch kurz vor der Befreiung ihr Leben lassen mussten, wieder instand gesetzt, so weit das möglich war, und so konnten schon im Oktober 1945 die ersten Gefangenen der Nachkriegszeit eingeliefert werden. Bis Mai 1949 wurden im Zellengefängnis noch zwölf Hinrichtungen vollzogen, ist auf einer Gedenktafel zu lesen. Nach dem Verbot der Todesstrafe durch das bundesdeutsche Grundgesetz wurden keine Exekutionen mehr durchgeführt. Die letzten Gefangenen wurden 1955 nach Tegel verlegt.

Danach war das Schicksal des Zellengefängnisses entschieden. In den späten fünfziger Jahren hat man die meisten Bauten abgerissen, um Platz zum Rangieren von Eisenbahnzügen und für eine Stadtautobahn zu gewinnen; außerdem wurde das Gelände des Anstaltsfriedhofs bis auf ein heute leider verwildertes Stück mit ein paar Grabsteinen an Kleingärtner vergeben. Da das geschichtsträchtige Gelände viel zu wertvoll ist, um nur als Schrott- und Parkplatz zu dienen oder von Autohändlern und Imbissbuden besetzt zu werden, fielen nach manchen Diskussionen Pläne zur Errichtung eines Geschichtsparks im Senat und der Bezirksverwaltung Mitte-Tiergarten auf fruchtbaren Boden. Diese neue Nutzung hatte auch zur Folge, dass der Tiergartentunnel verlegt wurde. Ursprünglich sollte er über das ehemalige Gefängnisgelände verlaufen.

Eine lange Inschrift auf der Innenseite der fünf Meter hohen Gefängnismauer zitiert aus den „Moabiter Sonetten“, die der Geopolitiker, Dichter und entschiedene Gegner des Hitlerregimes Albrecht Haushofer während seiner Haft in dem Zellengefängnis verfasst hatte. Die Zeilen „Von allem Leid, das diesen Bau erfüllt, / ist unter Mauerwerk und Eisengittern / ein Hauch lebendig, ein geheimes Zittern / das andrer Seelen tiefe Not enthüllt“ stammen aus dem Gedicht „In tiefer Not“. Haushofer wurde als einer der letzten Mitwisser des gescheiterten Attentats auf Hitler vom 20. Juli 1945 am 23. April 1945 mit weiteren Gefangenen ermordet. Als sein Bruder Hans wenig später seine Leiche fand, lagen in der Zelle geschriebene Gedichte noch in der erstarrten Hand. Eine Büste an der „Straße der Erinnerung“ unweit der S-Bahnhofs Bellevue erinnert an Haushofer und seine Hoffnung auf ein besseres Deutschland.

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