Stimme für den „Prager Frühling“ -
Stele an der Staatsbibliothek erinnert an Alexander Dubček und zwei mutige Ostberliner



An der Ecke Dorotheenstraße/Charlottenstraße erinnert eine Stele daran, dass im August 1968 zwei mutige Schüler den Namen Dubček an die Fassade der Berliner Staatsbibliothek geschrieben und damit ihren Protest gegen die Niederschlagung des „Prager Frühlings“ zum Ausdruck gegeben haben. (Foto: Caspar)

Eine mannshohe Stele auf der Rückseite der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz erinnert neuerdings an zwei Jugendliche, die im August 1968 an Hauswände im damaligen Ostberlin den Namen „Dubček“ geschrieben und damit ihren Protest gegen den Einmarsch von Truppen des Warschauer Vertrags in die ČSSR zum Ausdruck gebracht haben. Die achtzehnjährigen Schüler Frank Havemann, ein Sohn des bekannten Dissidenten Robert Havemann, und Hans-Jürgen Uszkoreit wurden als Urheber als „Staatsfeinde“ verhaftet und zu Gefängnisstrafen verurteilt. Nach ihrer Entlassung mussten sie sich in der Produktion „bewähren“, ihrer beruflichen Entwicklung wurden viele Steine in den Weg gelegt. Havemann lehrt heute an der Humboldt-Universität, und Uszkoreit ist an der Universität Saarbrücken tätig. Bis auf eine wurden alle „Hetzinschriften“, wie man damals sagte, beseitigt. Als die blassen Buchstaben vor einiger Zeit bei Sanierungsarbeiten an der Außenwand der Bibliothek entdeckt wurden, hat man sie gesichert und an der Charlottenstraße durch die Stele, verbunden mit erklärenden Worten in deutscher und englischer Sprache sowie einem Foto dokumentiert, auf dem man erkennt, wie ein Volkspolizist die Buchstaben entfernt.

Unter Führung des Reformpolitikers Alexander Dubček war in der damaligen Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik versucht worden, die kommunistisch dominierte Gesellschaft von Grund auf zu reformieren und sie aus sowjetischer Bevormundung zu befreien. Nach dem Einmarsch sowjetischer und weiterer Truppen der Warschauer Vertragsstaaten am 21. August 1968 wurde der „Prager Frühling“ blutig niedergeschlagen. Die mit dem Erwachen der Natur nach einer quälenden Frost- und Stagnationsperiode verglichene Zeit des politischen und kulturellen Aufbruchs gipfelte in der von Dubček und seinen Parteigängern erhobenen Forderung nach Demokratisierung von Partei, Staat und Wirtschaft sowie nach freien Wahlen, Zulassung regimeunabhängiger Parteien und Organisationen, Aufhebung der Zensur und dem Austritt des Landes aus dem Warschauer Pakt. Die in die Sowjetunion zitierten Führer der tschechoslowakischen Reformbewegung wurden gezwungen, die bereits eingeleiteten Neuerungen zurückzunehmen. Nach der als „brüderliche Hilfe“ deklarierten Niederschlagung des Versuchs, in der ČSSR einen eigenen Weg des Sozialismus zu gehen und ihm ein menschliches Antlitz zu geben, fanden Prozesse gegen die „Rädelsführer“ statt. Der Reformkommunist Dubček wurde politisch kalt gestellt, jedoch wegen seines hohen internationalen Bekanntheitsgrades nicht wie sonst üblich liquidiert.

In der DDR beriefen sich Bürgerrechtler auf den „Prager Frühling“ sowie später auf die Charta 77 und die Schlussakte von Helsinki. Durch ihren Beitritt am 1. August 1975 verpflichtete sich die DDR zwar zur Gewährung von Freizügigkeit und Reisefreiheit. Ihre Führer, allen voran Partei- und Staatschef Erich Honecker, hielten sich nicht an ihre Zusagen, wurden jedoch immer wieder von der sich langsam entwickelnden Bürgerrechtsbewegung an die eigene Unterschrift erinnert und gerieten unter Zugzwang. Einundzwanzig Jahre nach der Niederschlagung der Reformbewegung in der ČSSR und der Verfolgung ihrer Sympathisanten in der DDR und anderen Ländern des damaligen Ostblocks hatte das kommunistische System ausgedient.

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