Nach zwanzigjähriger Vorbereitung sowie manchen Querelen und Rückschlägen wurde am 24. Oktober 2012 unweit des Reichstagsgebäudes im Berliner Tiergarten das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas feierlich eingeweiht. In Anwesenheit von Bundespräsident Joachim Gauck, Bundestagspräsident Norbert Lammert, Bundeskanzlerin Angela Merkel, des Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma Romani Rose sowie von Überlebenden des nationalsozialistischen Völkermords und weiteren Gästen erklärte sichtlich erleichtert der für das Projekt zuständige Kulturstaatsminister Bernd Neumann: „Dieses Denkmal macht unmissverständlich deutlich, dass wir die Verbrechen an den Sinti und Roma nicht verdrängen und nicht vergessen, sondern dass wir den Opfern ein würdiges Andenken bewahren.“ Das Denkmal sei nicht nur Teil der Erinnerung, „sondern vor allem auch eine eindringliche Mahnung und Aufforderung für die Zukunft, gegen die Diskriminierung von Sinti und Roma anzugehen und sich immer wieder für Menschenrechte, Toleranz und den Schutz von Minderheiten einzusetzen – hier in Deutschland und darüber hinaus“. In der deutschen Erinnerungskultur der von dem israelischen Künstler Dani Karavan Brunnen der Erinnerung ein wichtiger Baustein. Mit ihm werde dokumentiert, dass der Völkermord an den von den Nazis als „artfremd“ eingestuften Sinti und Roma Teil des historischen Gedächtnisses unseres Landes ist. Es sei den unzähligen Menschen gewidmet, die in der Nazizeit als sogenannte Zigeuner verfolgt und ermordet wurden. Dani Karavan sei ein ebenso eindringliches wie sensibles Kunstwerk gelungen. Täglich zur Mittagsstunde wird eine frische Blume auf ein Dreieck in der Mitte des wie mit schwarzem Wasser gefüllten Brunnens gelegt; dazu ist ein unterirdischer Mechanismus eingerichtet worden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte bei der Einweihung des Brunnendenkmals, die Menschen sollten hinsehen statt wegsehen, und sie wies darauf hin, dass Sinti und Roma auch heute um ihre Rechte kämpfen müssen und unter Ausgrenzung leiden. Das Gedenken an sie sei eine „bleibende Mahnung gegen Diskriminierung, Rassismus und Totalitarismus“. Andere Redner wiesen darauf hin, dass in der Bundesrepublik Deutschland 1956 „Zigeuner“ in einem BGH-Urteil als zur Kriminalität neigend und bar sittlicher Antriebe eingestuft wurden. Noch ganz in Nazidiktion wurden sie als primitive Urmenschen diffamiert, denen ein „ungehemmter Okkupationstrieb“ eigen sei. Es dauerte lange Zeit, bis 1982 Bundeskanzler Helmut Schmidt feststellte, dass den Sinti und Roma während der NS-Diktatur schweres Unrecht zugefügt wurde und diese Verbrechen den Tatbestand des Völkermords erfüllt. Bundespräsident Roman Herzog erklärte 1997, der Völkermord an den Sinti und Roma sei aus dem gleichen Motiv des Rassenwahns und dem gleichen Willen zur Vernichtung durchgeführt worden wie der an den Juden.
Erste Überlegungen zur Errichtung eines nationalen Denkmals zur Erinnerung an die 500 000 von den Nazis ermordeten deutschen und europäischen Sinti und Roma reichen in das Jahr 1992 zurück, doch erst sieben Jahre später beschloss der Deutsche Bundestag, für sie ein Denkmal zu errichten und damit die Verpflichtung Deutschlands zu unterstreichen, dieser lange offiziell nicht zur Kenntnis genommenen Opfergruppe würdig zu gedenken. 2005 haben der Bund und das Land Berlin den Bau des Denkmals in einem kleinen Waldstück gegenüber dem Reichstagsgebäude vereinbart. Schon bald gab es Diskussionen unter den Opferverbänden über den Widmungstext, der ursprünglich das von ihnen als diskriminierend empfundene Wort „Zigeuner“ enthielt. So blieben erhebliche zeitliche Verzögerungen nicht aus. Um das Denkmalprojekt voranzubringen, wurde unter der Moderation von Kulturstaatsminister Bernd Neumann mit den Opferverbänden und Historikern eine „Chronologie des Völkermordes an den Sinti und Roma“ erarbeitet. Die Tafeln sind in der Nähe des Brunnens aufgestellt, auf dessen Rand die Inschrift nach einem Gedicht von Santino Spinelli „Eingefallenes Gesicht erloschene Augen kalte Lippen ein zerrissenes Herz ohne Atem ohne Worte keine Tränen“ eingelassen ist. In den Rasen rund um den Brunnen eingelegte Steinplatten tragen die Namen von Konzentrations- und Vernichtungslagern sowie weiterer Leidenstätten, in denen Sinti und Roma an der Seite von Juden und anderen als „lebensunwert“ diskriminierten Menschen gefangen gehalten und ermordet wurden.
Der Bund hat den Bau des Denkmals mit rund 2,8 Millionen Euro finanziert; das Land Berlin stellte das Grundstück zur Verfügung. Die Betreuung und den Schutz der Anlage übernimmt die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas.
Ergänzend zu den Inschriften rund um den Brunnen der Erinnerung zeigten der Zentralrat und das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma in der Topographie des Terrors an der Niederkirchnerstraße 8 im Bezirk Kreuzberg die Sonderausstellung „Denkmal weiter“. Sie belegte eindrucksvoll die Verfolgung und Diskriminierung der Sinti und Roma vor, während und nach dem Nationalsozialismus anhand von Fotos und Dokumenten. Zusätzlich fanden Vorträge und Lesungen statt, in denen Opfern des Massenmords Gesicht und Stimme gegeben wurden.
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