An die Opfer der nationalsozialistischen Krankenmorde erinnern in der Nähe der Philharmonie im Berliner Bezirk Tiergarten eine von Richard Serra geschaffene Installation aus braun patinierten Stahlplatten, eine in den Boden versenkte Bronzetafel sowie Bilder und Inschriften in einem Bus-Wartehäuschen. Der Gedenkort an der Tiergartenstraße soll im kommenden Jahr durch eine drei Meter hohe Wand aus blauem Glas über einer dunklen Fläche ergänzt werden. Gestalter sind die Architektin Ursula Wilms, nach deren Plänen das Ausstellungsgebäude in der Topographie des Terrors an der Niederkirchnerstraße im Bezirk Kreuzberg errichtet wurde, sowie die Landschaftsarchitekten Nikolaus Koliusis und Heinz W. Hallmann als Gewinner eines künstlerischen Wettbewerbs. Die Glasinstallation deutet die Konturen des Hauses Tiergartenstraße 4 an, in dem der nationalsozialistische Krankenmord geplant und überwacht wurde, ergänzt durch Informationstafeln über die als „Euthanasie“ („Schöner Tod“) umschriebene Ermordung von 300 000 Kranken und Behinderten. Die Initiative für den erweiterten Gedenkort geht auf Opferverbände, Historiker und Politiker zurück, die eine bessere Information über dieses dunkle Kapitel neuerer deutscher Geschichte gefordert hatten. Geplant ist auch ein Gedenkort auf dem Gelände der Berliner Charité, der die Beteiligung von Ärzten und anderen Mitarbeiter der renommierten Krankenanstalt an unmenschlichen Experimenten dokumentieren soll.
In der kaiserzeitlichen Villa waren Mitarbeiter der „Gemeinnützigen Stiftung für Anstaltspflege“ mit dem Aufbau und Betrieb über das ganze Deutsche Reich verteilten Tötungsstationen befasst. Die Adresse Tiergartenstraße 4 verschaffte der Geheimaktion den Tarnnamen T 4. Viele Täter entwickelten Methoden zu schnellen Ermordung der als „Ballastexistenzen“ eingestuften Männer, Frauen und Kinder und setzten ihre Karriere in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern fort. Eine Bronzetafel im Straßenpflaster vor der Philharmonie berichtet, dass die Opfer in den Gaskammern von Grafeneck, Brandenburg, Hartheim, Pirna, Bernburg und Hadamar starben oder durch Exekutionskommandos, Hunger und Gift ums Leben kamen. Täter seien Wissenschaftler, Ärzte, Pfleger, Angehörige der Justiz, der Polizei, der Gesundheitsverwaltungen gewesen. „Die Opfer waren arm, verzweifelt, aufsässig oder hilfsbedürftig. Sie kamen aus psychiatrischen Kliniken und Kinderkrankenhäusern, aus Altenheimen und Fürsorgeanstalten, aus Lazaretten und Lagern.“ Die Inschrift endet mit der beschämenden Feststellung, dass die Zahl der verurteilten Täter gering war.
Zurück zur Themenübersicht "Berlin und das Land Brandenburg"