Unbeschreibliches Grauen -
Nationalsozialisten legten über Berlin ein Netz von Konzentrationslagern und Folterhöllen



Dem Wasserturm an der Knaackstraße im Bezirk Prenzlauer Berg sieht man heute nicht mehr an, dass er nach 1933 eine Folterstätte der SA war.



Vor dem Bahnhof Südkreuz erinnert ein Platz an Erika Gräfin von Brockdorff, die der Widerstandsorganisation „Rote Kapelle“ angehörte und 1943 in Plötzensee mit weiteren Widerstandskämpfern hingerichtet wurde.



Bild-Text-Tafeln schildern die wechselvolle Geschichte des Areals am früheren Bahnhof Papestraße, hier der Aufstieg eines Höhenballons im Jahr 1901. (Fotos: Caspar)

Eines der ersten Konzentrationslager in Berlin wurde in einer alten Kaserne am Columbiadamm unweit des später erbauten Flughafens Tempelhof eingerichtet. Hier spielten sich unbeschreiblich grausame Szenen der Gewalt und der Erniedrigung ab. Die Gefangenen mussten stundenlang stehend ausharren, wurden verprügelt, bekamen keine Nahrung und kein Wasser, durften nicht einmal ihre Notdurft verrichten. Hinter den Kasernenmauern aus der Kaiserzeit wurde gefoltert und gemordet. Eine Gedenkstätte am Columbiadamm erinnert daran, dass sich hier von 1933 bis 1936 ein besonders berüchtigter Haftort und Folterkeller der SS und Gestapo für politische Gefangene befand.

Das KZ Columbia-Haus gehörte zu einem Netz von etwa einhundert Folter- und Verhörstätten, das die Nationalsozialisten nach dem 30. Januar 1933 über Berlin legten. Manche Wächter, die im Columbia-Haus und in anderen Orten Dienst taten, machten später in den Konzentrations- und Vernichtungslagern Karriere. Nach der Schließung der Folterhölle im November 1936 wurden die Häftlinge in das neu eingerichtete KZ Sachsenhausen bei Oranienburg verlegt, und das Columbia-Haus wurde im Zusammenhang mit dem Bau des Flughafens abgerissen. Ein Förderverein strebt den Bau einer neuen Gedenk- und Informationsstätte an, die umfassend über die Verbrechen an dieser Stelle umfassend informiert und ein lange vergessenes Kapitel nationalsozialistischer Gewaltherrschaft wieder ins öffentliche Bewusstsein bringt. Ganz neue Ausgrabungen auf dem Flughafengelände ergaben wichtige Anhaltspunkte über ein im Zweiten Weltkrieg bestehendes Zwangsarbeitslager.

Ein Wasserturm an der Ecke Knaackstraße/Kolmarer Straße im Bezirk Prenzlauer Berg war vom März bis Juni 1933 eines von mehreren frühen Konzentrationslagern. Eine Gedenktafel erklärt, dass vor allem politische Gegner des NS-Regimes von SA-Wachmannschaften in so genannte Schutzhaft genommen wurden. Weitere Gründe seien die Zugehörigkeit zum Judentum, aber auch persönliche Feindschaften oder bloße Rachgier gewesen. Durch seine zentrale Lage habe der Ort des Mordes und des Terrors dazu beigetragen, in der Bevölkerung Angst zu schüren. Ähnliche Aufgaben hatte ein SA-Gefängnis am Werner-Voß-Damm auf einem früheren Kasernengelände entlang der General-Pape-Straße unweit des heutigen S-Bahnhofs Südkreuz. Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg erklärt in dem aus der Kaiserzeit stammenden Viertel, in dem eine Straße nach dem 1917 bei einem Luftkampf angeschossenen Jagdflieger Werner Voß benannt ist, mit Unterstützung eines Fördervereins auf Bild- und Texttafeln, was hier nach 1933 geschehen ist, aber auch, welche Rolle die Kasernen als Bezirkskommando der preußischen Militärverwaltung, als Versorgungsstelle für Verwundete und Versehrte des Ersten Weltkriegs sowie nach 1945 als Unterkunft für Flüchtlinge aus der Sowjetischen Besatzungszone beziehungsweise der DDR und als Wohnheim des Roten Kreuzes für kinderreiche Familien spielte. Interessant zu wissen ist, dass hier ein Versuchsgelände für Fesselballone und Luftschiffe existiert hat. Der Aufstieg zweier Piloten im Jahr 1901 mit dem Ballon „Preußen“ im Auftrag des Preußischen Meteorologischen Instituts bis zu einer Höhe von 10 800 Metern wird auf einer Tafel als ein bis heute nicht übertroffener Rekord bezeichnet. Die Piloten saßen in einem offenen Korb und hatten Sauerstoff in Stahlflaschen dabei.

Die nach dem preußischen General Alexander August Wilhelm von Pape benannte Straße erhielt im Volksmund den Spitznamen General-Pappkarton-Straße, weil hier bis 1918 unzählige Männer zum Militärdienst einrücken mussten. Nach dem Empfang der Uniform schickten sie ihre Zivilkleider in solchen Paketen per Post wieder nach Hause. Die S-Bahn-Station Papestraße erhielt 2006 im Zusammenhang mit der Eröffnung eines neuen Bahnhofs in Anlehnung an die Stationsnamen West- und Ostkreuz den Namen Südkreuz.

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