Aus der Not eine Tugend gemacht -
Heimatzeitschrift „Die Mark Brandenburg“ stellt Erfinder und Erfindungen vor



An den Begründer der optischen Industrie Johann Heinrich August Duncker erinnert vor dem Bahnhof in Rathenow eine von Alexander Calandrelli geschaffene Büste.



Eine Tafel an der Heilandkirche in Sacrow bei Potsdam weist darauf hin, dass hier im ausgehenden 19. Jahrhundert Experimente zur drahtlosen Übertragung von Funksignalen stattfanden.



Die aus dem 19. Jahrhundert stammende Schachtofenbatterie im Rüdersdorfer Museumspark diente dem Brennen der hier gebrochenen Kalksteine und steht unter Denkmalschutz.



In Oranienburg würdigt ein von Stephan Möller geschaffenes Denkmal den Chemiker und Experimentator Friedlieb Ferdinand Runge, dem unter anderem die Entwicklung der Teerfarben gelang. (Fotos: Caspar)

„Not macht erfinderisch“ und „Mach aus Wenigem mehr“, sagt der Volksmund. Da die Mark Brandenburg in alten Zeiten im Wesentlichen aus Sand und Seen, Wäldern und Flüssen bestand und weder über bedeutende Bodenschätze wie einige Nachbarländer noch über ein stark entwickeltes Handwerk und ausgedehnte Handelsbeziehungen verfügte, waren seine Bewohner gezwungen, ihren Kopf anzustrengen und ihr Leben durch mancherlei Erfindungen zu verbessern. Was da in der Region zustande kam und wie man dort aus der Not eine Tugend machte, schildert die Heimatzeitschrift „Die Mark Brandenburg“ in ihrem neuesten Heft. Marcel Piethe würdigt eingangs in einer Übersicht unter anderem die Nutzung von Rüben vor 200 Jahren für die Zuckerproduktion sowie die Litfaßsäule, die der Werbewirtschaft im 19. Jahrhundert einen bedeutenden Schub bescherte, aber auch Experimente für die drahtlose Telegrafie in Sacrow bei Potsdam sowie Neuerungen bei der Herstellung von Brillen und Mikroskopen, durch die Rathenow berühmt wurde. Erwähnt werden ferner das Flugwesen, dessen Wiege in der Mark Brandenburg stand, aber auch hilfreiche Dinge wie Ohropax, das laute Geräusche und insbesondere das Schnarchen erträglich macht, sowie Prothesen für verloren gegangene Beine und Hände, weiter die Ringöfen, die beim Brennen von Ziegeln und Kalkseinen nützliche Dienste taten, aber auch die Anfänge des deutschen Spielfilms in den sandigen Bergen nahe Berlin und viele andere interessante Novitäten einschließlich des Papptellers und des aus Wollfilz hergestellten, wasserdichten Huts.

Nach dieser Aufzählung schildern Uwe Michas, wie dem Chemiker Johann Kunckel zur Zeit des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm auf der Pfaueninsel die Herstellung des Rubinglases gelang, während Dietmar Linke den in Oranienburg tätigen Chemiker Friedlieb Ferdinand Runge als Entdecker des Anilins und Phenols sowie als denjenigen würdigt, dem die Isolierung des Coffeins aus Kaffeebohnen und weitere naturwissenschaftlich und wirtschaftlich bedeutsame Entdeckungen gelangen. Weitere Beiträge des gut illustrierten Heftes erinnern an Reinhold Burger, den in Glashütte bei Baruth (Landkreis Teltow-Fläming) tätigen Erfinder der Thermoskanne und Hersteller von Röntgenröhren und anderen technischen Gläsern, die vor über hundert Jahren Forschung und Lehre sowie die Wirtschaft revolutionierten. Dass auch die Dreifarbenfotografie und das Teleobjektiv auf „märkischem Mist“ gewachsen ist, berichtet Helmut Seibt in einem Beitrag über den Potsdamer Erfinder, Konstrukteur und Professor an der TU Berlin-Charlottenburg Adolf Miethe.

In der Barockzeit durften auf fürstlichen Tafel und in vornehmen Haushalten die in märkischen Hütten gefertigten Prunkgläser aus durchsichtigem beziehungsweise farbigem Material nicht fehlen. Sie brachten den brandenburgischen Kurfürsten und preußischen Königen manchen harten Taler ein. Kunckel sei es als Erstem gelungen, lesen wir in der Vierteljahresschrift, eine gleichmäßig rot gefärbte Glasmasse herzustellen, die in größerer Menge bei gleich bleibender Qualität in einer Glashütte verarbeitet werden konnte. „Das metallische Gold verlieh unter Zugabe von Zinn und mit Hilfe der von Kunckel erweiterten Technologie des Schmelzverfahrens dem Glas die unverwechselbare Farbe des Goldrubins.“ Kurfürst Friedrich Wilhelm, der von 1640 bis 1688 regierte, war mit den Luxusgläsern höchst zufrieden. Um das Verfahren möglichst geheim zu halten und Brandenburg einen Exportschlager zu sichern, arbeitete Kunckel mit seinen Helfern isoliert von der übrigen Bevölkerung auf der Pfaueninsel zwischen Berlin und Potsdam und ließ dort Unterkünfte sowie eine Mühle, ein Backhaus, eine Brauerei und andere nützliche Einrichtungen errichten. So mussten Kunckel und seine Mannschaft die Insel wegen ihres leiblichen Wohls nicht verlassen. Da Uwe Michas Archäologe ist, erfahren wir von ihm anhand ausgegrabener Relikte, wie die Glashütte eingerichtet war und was man dort produzierte. Nach dem Tod seines kurfürstlichen Gönners zeigte dessen Sohn und Nachfolger Friedrich III., ab 1701 König Friedrich I., geringes Interesse an Kunckels Arbeit und Forschungen. Es waren wohl Neider und mächtige Feinde, die ihnen ein Ende setzten und den Chemiker so sehr bedrängten, dass er nach einigen Jahren das Land seiner größten Erfolge verließ, um am Ende seines Lebens in Schweden als Kunckel von Löwenstern zu neuem Ansehen zu gelangen. Die Lehrbücher des begnadeten Chemikers und Alchemisten erlangten Ruhm und große Verbreitung. Auf der Pfaueninsel erinnert ein Gedenkstein an ihn und seine epochalen Experimente.

Die Mark Brandenburg Heft 86, Marika Großer Verlag Berlin (Tel. 030/6452801) 40 Seiten, zahlr. Abb., 5 Euro

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