Begehrliche Blicke nach Mecklenburg - Preußens König Friedrich II. hätte sich allzu gern außer Sachsen auch die benachbarten Herzogtümer einverleibt



Während Friedrich II. von Preußen gewagte Eroberungspläne formulierte, feierte ihn die Mitwelt als größten König und einzigartigen Menschen. Kupferstich aus dem Jahr 1757. (Repro: Caspar)

Was Historiker schon lange wissen, kommt im Friedrich-Jahr 2012 nach und nach auch in der interessierten Öffentlichkeit an. Die Sucht des Königs von Preußen, sich als Feldherr einen „Namen“ zu machen und sein Land auf Kosten anderer zu vergrößern, spielt in zahlreichen Ausstellungen und Publikationen über Friedrich den Großen eine große Rolle. Dass er seine Finger nach der zum habsburgischen Landbesitz gehörenden reichen Provinz Schlesien ausstreckte und sich nach drei verlustreichen Kriegen ihrer sicher war, ist bekannt. Weniger spielt bei der Wertung des Monarchen eine Rolle, dass er begehrliche Blicke auch nach Norden richtete. Nur allzu gern hätte er sich die beiden Herzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz einverleibt. In seinem Politischen Testament von 1752, in dem er sein Regierungs- und Militärprogramm bis ins Detail entwickelte, findet sich dazu eine interessante Passage. Diese und weitere entlarvende Ausführungen waren für das preußische Königshaus so unangenehm, dass es die Veröffentlichung verbot. Erst nach dem Sturz von Wilhelm II. wurde es publiziert, und so wurde auch bekannt, wie sich Friedrich II. das Verfahren vorstellte.

Unter der Überschrift „Erbschaften, die dem Königshaus zufallen können“, gibt der Friedrich II. seiner Zuversicht Ausdruck, über kurz oder lang die Markgrafschaften Ansbach und Bayreuth wegen der Kinderlosigkeit der dort regierenden Vertreter einer Seitenlinie des Hauses Hohenzollern seinem Staat einverleiben zu können. Das geschah planmäßig 1769 und 1791. Kein Fürst könne beim Erlöschen der beiden regierenden fränkischen Linien den geringsten Widerstand gegen die Besitzergreifung durch die Krone Preußens leisten. „Unsere Ansprüche auf Mecklenburg sind ebenso klar. Sie beruhen auf einem Erbverbrüderungsvertrag, den die Kurfürsten von Brandenburg mit den Herzogen von Mecklenburg geschlossen haben“.

Diese Bemerkung bezieht sich auf den Wittstocker Vertrag vom 12. April 1442, durch den ein Erbfolgestreit friedlich beendet und brandenburgische Anwartschaften auf mecklenburgische Landesteile festgelegt wurden. Dass die Übereinkunft über 300 Jahre her ist, war für den König von Preußen kein Grund, sie nicht in sein Kalkül einzubeziehen. Er war sich aber bewusst, dass es nicht so leicht sein wird, sich auf diese Weise in den Besitz mecklenburgischer Landesteile zu bringen. Und so ließ er seinen Nachfolger Prinz August Wilhelm von Preußen lapidar wissen: „Trotzdem wird die Erbfolge beim Aussterben der letzteren strittig sein. Das Haus Hannover, das Mecklenburg wegen seiner günstigen Lage gern einstecken möchte, hat sich unter dem Vorwand der Reichsexekution in den Pfandbesitz einiger mecklenburgischer Ämter gesetzt. Indem es die Exekutionskosten willkürlich auf lächerlich hohe Summen veranschlagt, rechnet es, einen Fuß im Lande zu behalten und, sobald die Herzoge aussterben, bei der Teilung mit Preußen ein ansehnliches Stück zu ergattern. Gegenwärtig leben noch acht mecklenburgische Prinzen, der Erbfall scheint also in die Ferne gerückt; jedenfalls werde ich ihn höchstwahrscheinlich nicht mehr erleben“.

Trete der Erfall ein, müsse man sich unverzüglich in den Besitz von Mecklenburg setzen, die hannoverschen Truppen hinauswerfen, was nicht schwer fallen dürfte, und unsere Rechte mit dem Schwerte behaupten, schreibt der König weiter. „Denn das Recht des Besitzes ist im Heiligen Römischen Reich ein großer Vorteil. Auch kann man seine Sache in aller Ruhe verfechten, wenn man die Einkünfte aus seiner Erwerbung ungestört bezieht.“ Das Beste wäre für Preußen, wenn dieser Erbfall in einer Zeit einträte, wo der König von England, der zugleich Kurfürst von Hannover ist, mit dem Haus Österreich verfeindet oder im Krieg ist, oder wenn Österreich einen schwierigen Krieg in Ungarn oder der Lombardei zu führen hat. „Dann wäre es leicht zu beweisen, „dass die Hannoveraner unrecht haben und das unstreitige Recht auf unserer Seite ist“. Der Erbfall, wie ihn sich der König von Preußen vorstellte, trat weder in Schwerin noch in Strelitz ein, die Herzogsfamilien waren fruchtbar und vermehrten sich. Es waren genug Thronanwärter vorhanden, die der Dynastie eine Zukunft garantierten. Aber es ist schon interessant und bezeichnend für die Geisteshaltung des Königs von Preußen, dass solche Pläne bestanden und von einem Familienoberhaupt an das andere weitergebenen wurden.

Im Unterschied zu Mecklenburg lag Friedrich II. Sachsen näher. Er brauchte dieses mit Polen in Personalunion verbundene Kurfürstentum als „Landbrücke“ auf dem Weg nach Schlesien. „Sein Besitz würde die Grenzen am meisten erweitern und deckte Berlin, die Landeshauptstadt und den Sitz des Könighauses, wo sich der Staatsschatz und alle höchsten Justiz- und Finanzbehörden sowie die Münze befinden.“ Die Okkupation Sachsens gelang dem König gleich zu Beginn des Siebenjährigen Kriegs (1756-1763), doch musste er an dessen Ende mit seinen Truppen wieder abziehen. Nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 riss sich König Friedrich Wilhelm III. erhebliche Teile des 1806 zum Königreich erhobenen Nachbarlandes unter den Nagel. Hätten nicht die anderen Siegermächte im Kampf gegen den französischen Kaiser Napoleon I. auf dem Wiener Kongress 1814/15 interveniert, dann wären alle Sachsen zu „Beutepreußen“ geworden, womit die 1752 formulierte Vision Friedrichs des Großen in Erfüllung gegangen wäre.

Im Jahr 1866 bestand noch einmal die Chance, dass sich Preußen das benachbarte Königreich Sachsen im Ergebnis des Kriegs gegen Österreich einverleibt hätte. Während das Königreich Hannover, Nassau, Teile von Hessen und die Stadt Frankfurt am Main tatsächlich preußisch wurden, verhinderte der unterlegene Kaiser Franz I. von Österreich, dass der mit ihm befreundete König Johann von Sachsen seine Krone verlor.

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