Erloschene Augen und zerrissenes Herz - Brunnen der Erinnerung für die ermordeten Sinti und Roma wird im kommenden Halbjahr eingeweiht



Halbfertig gestellt ist der Brunnen der Erinnerung unweit des Reichstagsgebäudes, er soll im Frühsommer 2012 eingeweiht werden. (Foto: Caspar)

Eigentlich sollte das Mahnmal für die von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma unweit des Reichstagsgebäudes schon längst eingeweiht sein. Doch wegen einer Inschrift, in der das politisch belastete Wort „Zigeuner“ vorkam, und Problemen mit den ausführenden Firmen gab es Verzögerungen. Wenn man jetzt die Baustelle unweit des Reichstagsgebäudes im Berliner Tiergarten besucht, dann sieht man den Erinnerungsbrunnen bereits halbfertig. Der Zentralrat der Sinti und Roma in Heidelberg rechnet mit der Fertigstellung und Einweihung im Frühsommer 2012; ähnlich sieht es Kulturstaatsminister Bernd Neumann, der zwei Millionen Euro für das Projekt zur Verfügung stellt.

Die neue Gedenkstätte ist nach einem Entwurf des in Paris und Tel Aviv tätigen Künstlers Dani Karavan gestaltet. Sie besteht aus einem kreisrunden steinernen Wasserbecken. Das Dreieck in der Mitte erinnert an das Zeichen, das KZ-Häftlinge an ihrer Kleidung tragen mussten. Auf Platten, die zu diesem Brunnen der Erinnerung führen, werden die Namen jener Konzentrations- und Vernichtungslager eingemeißelt, in denen vor allem während der Kriegszeit Juden sowie Sinti und Roma ermordet wurden. Die Zeilen auf dem Brunnenrand „Eingefallenes Gesicht/ erloschene Augen/ kalte Lippen/ Stille /ein zerrissenes Herz/ ohne Atem/ ohne Worte/ keine Tränen“ stammen aus dem Gedicht „Auschwitz“ von Alexian Santino Spinelli, einem in Italien lebenden Roma.

Die systematische Verfolgung der Sinti und Roma im Deutschen Reich begann schon bald nach der Errichtung der Nazidiktatur 1933. Zuständig war die so genannte Zigeunerdienststelle, die 1938 in das „Reichskriminalamt zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“ umgewandelt wurde. Während dieses Amt für die Erfassung der als „Fremdvölkische“ diffamierten Gruppe zuständig war, wurde beim Reichsgesundheitsamt eine, wie es damals hieß, rassenhygienische und bevölkerungspolitische Forschungsstelle eingerichtet. Finanziert und gefördert wurde diese Behörde von der mit der NS-Politik eng verbundenen Deutschen Forschungsgemeinschaft, die auch an den Tötungen von so genannten Erbkranken beteiligt war.

Die offiziell mit sicherheitspolitischen und rassehygienischen Belangen begründete Ermordung der Sinti und Roma geschah im Schatten der „Endlösung der Judenfrage“ und wurde nach 1945 von der breiten Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen, ja sogar geleugnet. Nur wenige Mörder und Schreibtischtäter wurden zur Rechenschaft gezogen. Manche rückten in der Bundesrepublik in einflussreiche Ämter auf oder waren als Ärzte und Hochschullehrer tätig.

Bis heute kämpfen Sinti und Roma um ihre Anerkennung als Opfer des Faschismus, wie eine unlängst am S-Bahnhof Raoul-Wallenberg-Straße eingeweihte Gedenkstätte verdeutlicht. Die Bild- und Texttafeln erinnern an das Zigeunerlager, das hier 1936, im Jahr der Olympischen Spiele, eingerichtet wurde. Berichtet wird über die Schicksale derer, die hier unter unmenschlichen Bedingungen gefangen gehalten und als Zwangsarbeiter ausgebeutet wurden, sowie derer, die systematisch gejagt und in den Vernichtungslagern ermordet wurden.

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