Der König und die Kartoffeln - Potsdamer Ausstellung dokumentiert friderizianische Wirtschaftspolitik



Mit historischen Büchern und Schriften, landwirtschaftlichen Geräten, Bildkollagen und weiteren Exponaten schildert die Ausstellung den beschwerlichen Weg, den die Kartoffel in Preußen zu einem anerkannten Nahrungsmittel nahm.



Leicht war es für den preußischen König nicht, seine Untertanen von den Vorteilen der Erdäpfel zu überzeugen. Der Stich von Daniel Chodowiecki zeigt die Mühen, die ein Bauer beim Lesen hat.



Weitsichtige Leute mühten sich, ihre Zeitgenossen durch gelehrte Abhandlungen und illustrierte Bücher für das neuartige Lebensmittel zu gewinnen. Einige dieser Schriften sind in der Ausstellung „König & Kartoffel“ ausgelegt.



Dass sich der „Alte Fritz“ persönlich über Fortschritte beim Kartoffelanbau kümmerte, ist eine langlebige Legende, deren Wahrheitsgehalt die Ausstellung hinterfragt. Ausschnitt aus dem Gemälde „Der König ist überall“ von Robert Müller aus dem Jahr 1886. (Fotos und Reproduktionen: Caspar)

Friedrich II., der Große, war ein Feinschmecker erster Klasse. Kartoffeln hatten auf seiner mit kostbarem Silber und Porzellan besetzten Tafel keinen Platz, und auch bessere Kreise verschmähten die Erdäpfel, die als Arme-Leute-Essen und Viehfutter geringes Ansehen genossen. Aus höherem Staatsinteresse aber kämpfte der König von Preußen dafür, dass die Knollen in seinen Landen heimisch werden. Wie sich die Kartoffeln im 18. Jahrhundert als Volksnahrungsmittel durchsetzten und welchen Druck der König machte, dass sie auf Feldern und in Hausgärten angebaut wurden, schildert die bis zum 28. Oktober im Haus der Brandenburgisch-preußischen Geschichte am Neuen Markt in Potsdam laufende Ausstellung „König & Kartoffel - Friedrich der Große und die preußischen ,Tartuffoli’“. Sie dokumentiert ein wichtiges, von manchen Legenden überfrachtete Gebiet friderizianischer Kultur- und Wirtschaftspolitik, und sie zeigt, wie schwer es der Monarch hatte, seine Untertanen davon zu überzeugen, dass es nur zu ihrem Besten ist, wenn sie die Erdäpfel anbauen und sie in geschältem, gekochtem und gesalzenem Zustand dann auch essen.

Königliche Befehle und Strafandrohungen indes waren das eine, die „Tartüffeln“ aber heimisch zu machen, war etwas ganz anderes. Kaum jemand konnte mit den unscheinbaren Erdäpfeln etwas anfangen, denn die Mehrheit der Bevölkerung ernährte sich sehr einseitig von Mehlspeisen und Brot, während Fleisch und Gemüse die Ausnahme bildeten. Da half auch nicht, wenn der König in einer Serie von so genannten Kartoffelbefehlen zur „Abhelfung des Brodt-Mangels der Bürger und Bauern“ versuchte, seinen Untertanen die Erdfrüchte schmackhaft zu machen. In einem Zirkularschreiben vom 18. Juli 1748 ordnete er den Kartoffelanbau mit diesen, keinen Widerspruch duldenden Worten an: „Ihr habt als Unserer allerhöchsten Willens-Meynung zu folgen, den Bau der Tartüffeln Euch besonders gelegen seyn zu laßen und die Unterthanen dazu gleichfalß zu encouragieren und Ihnen den darauß zu hoffenden Nutzen recht begleiflich zu machen.“ Am 24. März 1756 forderte Friedrich II. mit Blick auf die angespannte Versorgungslage seine Land- und Steuerräte, die Magistrate und alle seine Beamten auf, notfalls auch Soldaten zur Förderung und zum Schutz des Kartoffelanbaus einzusetzen. „Es ist Uns in höchster Person in Unsern und andern Provintzien die Anpflanzung der sogenannten Tartoffeln, als ein nützliches und so wohl für Menschen, als Vieh auf sehr vielfache Art dienliches Erd Gewächse, ernstlich anbefohlen. [...] Übrigens müßt ihr es beym bloßen Bekanntwerden der Instruction nicht bewenden, sondern durch die Land-Dragoner und andere Creißbediente Anfang May revidieren lassen, ob auch Fleiß bey der Anpflantzung gebraucht worden“, ließ der König seine Untergebenen wissen, die die Befehle mündlich weitergaben, weil die überwiegende Zahl der Menschen weder lesen noch schreiben konnte.

Dass das Militär Felder am Tag bewachen musste und sie in der Nacht neugierigen Bauern zum Plündern überließ, gehört ins Reich der Legende, versichern die Kuratorinnen der Potsdamer Ausstellung, Marina Heilmeyer und Antonia Humm. Belege für die dann im 19. Jahrhundert im Rahmen der Friedrich-Verehrung kolportierten Geschichten hätten sich nicht finden lassen. Erst als um 1770 aufgrund klimatischer Veränderungen eine große Hungersnot Preußen und weitere Teile des römisch-deutschen Reichs sowie in Europa heimsuchte, habe man aus der Not eine Tugend gemacht, und so sei auch die Kartoffel nach und nach zum Volksnahrungsmittel aufgestiegen. Ende des 18. Jahrhunderts habe der Berliner Aufklärer, Verleger und Buchautor Friedrich Nicolai die durch Rezepte in Kochbüchern und gelehrte Abhandlungen geförderte Sympathie für die Erdfrüchte gejubelt: „Friedrich der Große, die Amerikanische Republik und - die Kartoffel - wären als Tendenzen unseres Zeitalters zu nennen“, während Heinrich Heine 1826 mit Blick auf den Import der Kartoffel aus Amerika durch Seeleute spottete: „Luther erschütterte Deutschland - aber Franz Drake beruhigte es wieder. Er gab uns die Kartoffel“.

Zahlreiche Bilder, Drucke, Handschriften, landwirtschaftliche Geräte und andere Exponate schildern in der Ausstellung den beschwerlichen Weg der Kartoffel vom Schweinetrog in die Kochtöpfe der Menschen des 18. und 19. Jahrhunderts und, was bei dem Thema auch eine große Rolle spielte, in deren Schnapsgläser. Verschiedene durch Preußen und andere Länder tourende „Knollenprediger“ von damals kommen zu Wort. Außerdem erfahren Interessenten an Hörstationen und durch Videos Wissenswertes rund um den Kartoffelanbau in Preußen vor 250 Jahren. Wer möchte, kann Rezepte mitnehmen, die speziell für die Ausstellung aus alten Kochbüchern entnommen wurden. Zur Ausstellung erschien im Verlag für Berlin-Brandenburg ein lesenswertes Buch mit vielen Bildern (184 S., Buchhandelsausgabe 29,90 Euro, Museumsausgabe 22,50 Euro). Ein darin abgebildeter Holzstich von Ludwig Richter aus der Zeit um 1840 schwärmt: „Schön röthlich die Kartoffeln sind / Und weiss wie Alabaster! / Sie däu’n sich lieblich und geschwind / und sind für Mann und Weib und Kind / Ein rechtes Magenpflaster“.

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