Erich Mielke und der Klodeckel - Ernstes und Skurriles wird in der neu gestalteten Stasi-Gedenkstätte dokumentiert



Wer aufmerksam die Bilder und Dokumente im Haus 1 des ehemaligen Stasi-Ministeriums studiert, erfährt, wie der DDR-Geheimdienst funktionierte und wer seine führenden Köpfe waren.



Die Stasi sah sich als Retter der Menschheit, Verteidiger des Sozialismus und Mitglieder einer edlen Zunft. Blatt aus einer Geheimen Verschlusssache in der neu gestalteten Ausstellung in Mielkes ehemaligen Amtsräumen.



Im Schick der sechziger Jahre erhalten ist Mielkes Arbeitszimmer, im Panzerschrank hinter dem Schreibtisch verwahrte der Stasi-Minister besonders brisante Dokumente, die wichtig für seinen Machterhalt waren. (Fotos: Caspar)

Wer die neu gestaltete Stasi-Gedenkstätte an der Ruschestraße besucht, erfährt nicht nur, wie der DDR-Geheimdienst aufgebaut war und wer seine leitenden Köpfe waren. In den Amtsräumen des früheren Ministers Erich Mielke lernt man neben Ernstem auch manch Skurriles kennen. Hoch geheim eingestufte Festschriften etwa, mit denen Stasi-Offiziere ihr Studium und andere Lehrgänge bejubelten, geben einen Einblick in das Selbstverständnis von Mielkes festangestellter Truppe und ihren Informellen Mitarbeitern. "Wir sind überall" heißt die Losung der Beobachtungskräfte vom 1. Januar bis 31. Dezember jeden Jahres in Anlehnung an einen ehemals populären DDR-Song auf einem dieser Blätter, und auf einem anderen Schmuckumschlag sieht man vier grinsende Stasileute, die wie weiland die legendären Musketiere unter der Überschrift "Wir lassen und immer wieder was einfallen" ihre Klingen kreuzen und sich als Retter der Menschheit vor dem bösen Imperialismus und als Schild und Schwert der Partei aufspielen.

Dass mit dem Genossen Minister nicht gut Kirschen essen war und hochrangige Mitarbeiter in Angstschweiß ausbrachen, wenn sie zu ihm bestellt wurden, weil wieder mal was nicht geklappt hat, und eine Standpauke erhielten, ist in der Ausstellung ebenso zu erfahren wie Details über die ausgefeilten Überwachungs- und Repressionsmethoden, die bei so genannten feindlich-negativen Personen, also von Volksverrätern, Republikflüchtigen, Meckerern, Spionen und was sonst noch zu diesem Kreis gezählt wurde, bis zum bitteren Ende angewandt wurden. Wenn man sich weiter in die Dokumente vertieft, dann erfährt man, dass Mielke wie sein Chef Erich Honecker in brandenburgischen Wäldern nicht nur massenhaft Wildtiere abschoss, sondern sich auch mit zahllosen Orden aus aller Welt schmückte. Seine Uniform reichte nicht aus, um alle diese Auszeichnungen darauf zu befestigen, deshalb behalf er sich mit bunten Ordensspangen.

Etwas versteckt findet man Dokumente darüber, womit sich die Stasi sonst noch beschäftigt hat. Da ist beispielsweise die Sache mit dem Klodeckel, der nicht senkrecht stehen will. In einem Ferienheim war unangenehm aufgefallen, dass die aufgeklappte Deckel von WC-Sitzen immer wieder herunter fallen. Um sicherzustellen, dass der Klassenfeind bei dieser Fehlkonstruktion seine Hände nicht im Spiel hat, wurde auf Mielkes Weisung eine hochnotpeinliche Untersuchung veranlasst. Sie ergab, dass die im VEB Presswerk Ottendorf-Okrilla in einer hohen Stückzahl produzierte Klobrille "materialökonomisch und fertigungstechnisch" in Ordnung ist. Nur sei in jenem Ferienheim die Montageanleitung nicht beachtet worden, so dass es zu den festgestellten Mängeln kam. "Ich habe die notwendigen Veränderungen veranlasst. Seit 1986 wird der WC-Sitz bei veränderter Formgestaltung unter der Bezeichnung Modell 14010/2 produziert. Bei diesem Modell wird das Filmscharnier doppelt ausgeführt, was ein Zurückklappen von Brille und Deckel ausschließt", endet der Brief eines Generalmajors Böhm. Zwar wird ihm eine Bilddokumentation beigefügt, doch man erfährt nichts darüber, ob denn die DDR-Bewohner ihren alten gegen einen neuen Deckel umtauschen konnten.

Wer übrigens bei der Aufsicht in der Dokumentation fragt, warum bei der Erwähnung des riesigen Stasi-Komplexes immer die Normannenstraße genannt wird und nicht die zutreffende Adresse Ruschestraße, wird mit Achselzucken abgespeist. Gräbt man etwas tiefer nach, dann erfährt man, dass die Normannenstraße nur die Postadresse des Ministeriums war und die Ruschestraße nach einer in Lichtenberg ansässigen Bauernfamilie benannt wird.

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